Schweizerschule will keine Kinder mit ADHS oder Legasthenie
Die Schweizerschule in Mailand hat italienische Politiker und Medien gegen sich aufgebracht.
zvg
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swissinfo.ch mit Agenturen
Das Reglement der Schweizerschule Mailand hat Kritik ausgelöst, weil Kindern mit bestimmten Lernschwierigkeiten vom Besuch der Schule abgeraten wird. Das Bundesamt für Kultur will, dass die Schule das Reglement anpasst.
Die Schweizerschule als anspruchsvolle, mehrsprachige Institution sei «nicht optimal» für Kinder mit Lernschwierigkeiten wie Legasthenie, Dyskalkulie, ADHS, Asperger-Syndrom, Autismus sowie Verhaltensstörungen. Das steht im Reglement auf der Webseite der Schule. Der Schulrat hat es im vergangenen Mai verabschiedet.
Bei leichteren Störungen könnten Schüler beim Lernen unterstützt werden, heisst es im Reglement weiter. Sie müssten aber die regulären Promotionskriterien erfüllen. Allfällige zusätzliche Hilfen müssten die Eltern bezahlen. Für schwere körperliche Beeinträchtigungen sei die Schule zudem nicht eingerichtet, da sie sich in einem mehrstöckigen Gebäude befinde, ohne Lift.
Aufnahmen trotz Lernschwierigkeiten
Schulpräsident Luca Corabi De Marchi äusserte sich am Sonntagabend in einem von der Nachrichtenagentur Ansa zitierten Communiqué zum Reglement: Die Mailänder Schweizerschule habe Kinder mit Lernschwierigkeiten wie Legasthenie, Dyslexie und Autismus immer aufgenommen und tue das auch gegenwärtig, hielt er fest.
Die Schweizerschule habe einen ähnlichen Anteil an Kindern mit Lernschwierigkeiten wie öffentliche Schulen, schrieb ihr Präsident. Der kritisierte Passus im Reglement sei eine «deutliche und offene Einladung zum Dialog, im Stil der Kommunikation von schweizerischen Institutionen».
Das BAK wolle nun Kontakt mit der Schule aufnehmen, um zu erklären, dass dieser Hinweis im Reglement zu weit gehe, sagte Sprecher Daniel Menna am Montag auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda. «Wir wollen, dass der Passus gestrichen wird.»
Dem BAK nicht vorgelegt
Bei Lernschwierigkeiten im Vorneherein von einer Schule abzuraten, passe nicht zum Geist der Schulung in der Schweiz. «Grundsätzlich sollen alle zu einer Schule zugelassen sein», stellte Menna klar. Im Einzelfall müsse geprüft werden, wie der Schulbesuch ermöglicht werden könne.
Das BAK geht laut Menna davon aus, dass ihm die Reglementsänderung hätte vorgelegt werden müssen. «Das ist nicht geschehen.» Die Schweizerschule Mailand ist zwar eine Privatschule, erhält aber Geld vom Bund, nämlich rund 1,44 Millionen Franken im Jahr. Bedingung dafür ist, dass die Schule gewisse Voraussetzungen erfüllt.
Über das geänderte Reglement berichteten am Wochenende italienische Medien und lösten damit eine heftige Debatte aus. Italienische Politiker meldeten sich zu Wort, und auch Nachrichtenagenturen griffen das Thema auf. Das BAK sei erst durch diese Medienberichte über die Neuerung informiert worden, sagte Menna dazu.
17 Schweizerschulen weltweit
Die Mailänder Schweizerschule wurde 1919 gegründet. Derzeit hat sie rund 380 Schülerinnen und Schüler aus mehreren Ländern, wie sie auf ihrer Webseite schreibt. Sie unterrichtet zweisprachig in Italienisch und Deutsch, vom Kindergarten bis zum Gymnasium. Weltweit gibt es 17 vom Bund unterstützte Schweizerschulen.
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