«Die Weissgeld-Strategie gilt für alle Regionen der Welt»
Auf dem Schweizer Finanzplatz gibt es keinen vorsätzlichen Willen, zweifelhafte oder nicht deklarierte Gelder aus Schwellen- oder Entwicklungsländern anzuziehen. Dies bekräftigt Sindy Schmiegel, Sprecherin der Schweizerischen Bankiersvereinigung. Sie antwortet damit auf Kritik der Schweizer Hilfswerke an der neuen strategischen Ausrichtung der Schweizer Banken.
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Journalist und stellvertretender Leiter der Redaktion für die drei Landessprachen von swissinfo.ch (Deutsch, Französisch, Italienisch). Zuvor bei Teletext und rts.ch.
swissinfo.ch: Wollen die auf Vermögensverwaltung spezialisierten Schweizer Banken ihren Marktanteil in den Schwellen- und Entwicklungsländern ausbauen?
Sindy Schmiegel: Der Finanzplatz Schweiz umfasst 266 Banken, die alle sehr verschieden sind. Die Strategien und die Zielgruppen der Kunden unterscheiden sich von einem zum anderen Unternehmen stark. Man kann also nicht von einer globalen Strategie sprechen, auch wenn es stimmt, dass Asien eine sehr interessante Region ist, weil dort sehr viel Vermögen geschaffen wird.
swissinfo.ch: Die Zahl der gemeldeten Fälle von Verdacht auf Geldwäscherei nimmt in der Schweiz ziemlich stark zu, wie FINMA-Direktor Mark Branson jüngst erklärte. Sollte man hier eine Verbindung sehen mit diesem Sturm auf Asien?
S.S.: Die in den Medien sehr präsenten Geldwäscherei-Fälle sind bedauerlich und gefährlich für den Finanzplatz Schweiz. Aber die Anzahl der Meldungen bei der MROS [Schweizer Meldestelle für Geldwäscherei] ist das Zeichen dafür, dass das System funktioniert. Es bedeutet, dass die Banken ihre Arbeit machen und die Herkunft der ihnen anvertrauten Gelder überprüfen, ebenso wie verdächtige Transaktionen.
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«Schweiz bleibt Zufluchtsort für Schwarzgeld aus dem Süden»
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Die Zunahme von schwerwiegenden Geldwäscherei-Fällen, in die auch Schweizer Banken verwickelt sind (siehe Kasten) ist kein Zufall. Der internationale Druck auf die Schweiz in Sachen Steuerhinterziehung sowie die Einführung des Automatischen Informationsaustausches Externer Link(AIA) mit den Ländern der OECDExterner Link führten dazu, dass sich die Schweizer Banken heute vermehrt auf Entwicklungs- und Schwellenländer ausrichten. Trotz…
Man muss zudem betonen, dass die Vorschriften, die in der Schweiz in Kraft sind, den Standards der GAFI [Expertengruppe der OECD für den Kampf gegen Geldwäscherei] entsprechen. Wie die FINMA [Schweizer Finanzmarktaufsicht] glauben wir, dass es nicht nötig ist, neue Regeln einzuführen.
swissinfo.ch: Alliance Sud, die Dachorganisation der Schweizer Hilfswerke, prangert an, was sie als Zebrastrategie bezeichnet: Die Banken würden zwar aus den Industrieländern nur noch Weissgeld annehmen, seien aber weiterhin ein Zufluchtsort für Schwarzgeld aus Entwicklungsländern. Was sagen Sie zu dieser Kritik?
S.S.: Man muss gut unterscheiden zwischen Geldwäscherei und den Steuerfragen. Innerhalb des Finanzplatzes Schweiz besteht ein sehr klares Ziel: Es sollen keine Gelder mehr angenommen und verwaltet werden, die bei den Steuerbehörden nicht deklariert wurden. Diese Strategie gilt für alle Regionen der Welt.
swissinfo.ch: Sollten die Entwicklungsländer nicht vermehrt auch in die von der OECD festgelegten neuen internationalen Standards für den automatischen Informationsaustausch (AIA) einbezogen werden?
S.S.: Es ist wichtig, dass der AIA ein globales System wird und von allen Finanzzentren auf die gleiche Art und Weise umgesetzt wird. Damit ein Staat den automatischen Informationsaustausch anwenden kann, muss er jedoch gewisse Kriterien respektieren, vor allem die Anwendung internationaler Standards in Sachen Datenschutz, die Gegenseitigkeit und die Garantie, dass die Informationen allein für Steuerzwecke genutzt werden. Man muss zudem der Tatsache Rechnung tragen, dass der AIA technische Kapazitäten erfordert, um die Informationen zu erfassen und zu übermitteln.
swissinfo.ch: Sollten im Rahmen der Amtshilfe auch gestohlene Daten genutzt werden können?
S.S.: Der Diebstahl von Daten ist kein Mittel für ein würdiges Vorgehen zwischen demokratischen Staaten. Für den Austausch von Daten ist es unerlässlich, Amtshilfeverfahren zu haben, die sehr gut funktionieren. Aber falls die Verwendung von gestohlenen Daten ein internationaler Standard wird, wäre es für die Schweiz schwierig, nicht mitzumachen.
Starke Zunahme des Geldwäscherei-Risikos
«Die Zahl der Meldungen wegen Verdachts auf Geldwäscherei hat ziemlich stark zugenommen», erklärte Mark Branson, Direktor der Finanzmarktaufsicht (FINMA)Externer Link. Für Branson ist dies ein Zeichen, dass die Branche diesem Problem heute mehr Aufmerksamkeit schenke.
Der FINMA-Direktor unterstrich auch, dass die «Vermögensverwaltung, die bedeutendste Geschäftstätigkeit der Banken im Land, gegenwärtig einen Paradigmenwandel» erlebe. Früher war das Bankgeheimnis für Personen aus dem Mittelstand, die in Nachbarländern lebten, aus Steuergründen interessant. Da es in dieser Form nicht mehr existiert, wandte sich die Branche der Schweizer Vermögensverwalter einer Kundschaft in viel weiter entfernten Ländern zu, oft in so genannten Schwellenländern. «Die Herkunft der Vermögen dieser Kunden ist viel schwieriger abzuklären», sagte Branson bei einer Pressekonferenz.
Deshalb hatte die FINMA die Banken im April aufgerufen, ihre Bemühungen zu verstärken, um verdächtige Kunden oder Transaktionen zu melden. In einem Interview mit der Sonntags-Zeitung und Le Matin Dimanche hatte Branson erklärt, einige Banken gingen im Kampf um neue Kundengelder hohe Geldwäschereirisiken ein. Er präzisierte, dass die FINMA etwa 15 Banken wegen Geldwäschereirisiken im Visier habe. «Das heisst noch nicht, dass sie Geld gewaschen haben, aber dass sie diesen Risiken besonders ausgesetzt sind», sagte der FINMA-Direktor.
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