Forscher: Auch Dürre besiegelte Ende der Mayas

Forschungen mit Schweizer Beteiligung werfen ein neues Licht auf drastische Veränderungen in der alten Maya-Zivilisation. Das Ende der Welt stehe nicht bevor, unser Kalender sei nicht einmal korrekt auf den der Maya ausgerichtet, lautet ein Ergebnis.
Vor ein paar Jahren erhielt Sebastian Breitenbach, ein Post-Doktorand an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETHZ), einen Tropfstein aus einer Höhle im heutigen Belize. Diese Region in Zentralamerika hatte zum alten Reich der Maya gehört. Mit der Gabe war die Bitte verbunden, den Stalagmiten zu analysieren.
Als Paläoklimatologe wusste er, wonach er suchen musste: Stabile Isotope wie Uran-Ablagerungen, die einen Wandel bei Niederschlägen oder andere Veränderungen der Umwelt über Jahrtausende hinweg signalisieren können.
Zusammen mit einem internationalen Team analysierte Breitenbach den Stalagmiten und war überrascht von der Genauigkeit der Ergebnisse. Diese hat das Forscherteam im November 2012 in einem wissenschaftlichen Fachmagazin publiziert.
«Die Genauigkeit ist etwa fünf bis zehnmal höher als bei den Daten, die es bisher aus dieser Region in Belize gab», sagt Breitenbach gegenüber swissinfo.ch. «Es gibt viele Daten von Stalagmiten von der Halbinsel Yucatán, aber das dortige Material sowie bisher nicht veröffentlichte Klimadaten haben viel grössere Fehlerquoten.»
Von der Dürre zum Untergang?
Die neuen, sehr exakten Ergebnisse zeigen auf, dass die Region, in der die Maya-Hochkultur vor mehreren Tausend Jahren ihre Blütezeit hatte, von Perioden extremer Dürre und damit einhergehendem Klimawandel geprägt wurde. Könnte dies dazu beigetragen haben, dass die Maya ihre Städte etwa in diesem Zeitraum aufgaben und verliessen?
«Der Zusammenbruch einer menschlichen Zivilisation kann nie nur auf einen einzigen Faktor zurückgeführt werden», sagt der Maya-Experte Eric Velásquez von der Nationalen Autonomen Universität Mexikos gegenüber swissinfo.ch. «Archäologen konnten feststellen, dass in gewissen Fällen Abholzung und Umweltzerstörung die Krise einiger Städte beschleunigt hatten. Bei anderen waren es eher Kriege und Gewalt, die eine Rolle spielten.»
So hätten zum Beispiel Kämpfe zwischen rivalisierenden Gruppen und nicht eine Dürre Mitte des 15. Jahrhunderts zum Niedergang der Maya-Stadt Mayapan auf Yucatán geführt, so Velásquez.
Breitenbachs Analyse des Stalagmiten aus Belize zeigte, dass die einzige Zeit, in welcher der Tropfstein kaum gewachsen war – ein Hinweis auf eine längere Dürreperiode – jener Zeitraum war, in dem der Zusammenbruch der klassischen Hochkultur der Maya erfolgt sein soll. Zwischen 660 und 1000 n.Chr. gab es einen Trend zur Trockenheit, gefolgt von einer schweren Dürre zwischen 1020 und 1100 n. Chr.
Die Forscher gehen davon aus, dass diese schwere Dürre eine Periode kriegerischer Auseinandersetzungen und Krisen auslöste, was schliesslich um 1300 n. Chr. herum zum Niedergang der klassischen Maya-Kultur führte.
Breitenbachs Stalagmiten-Forschung hat ihn in äusserst abgelegene Regionen der Welt geführt, von Sibirien bis Tibet.
Derzeit untersucht er in Sibirien Klimadaten im Permafrost . Dies ist die Schicht dauerhaft gefrorenen Bodens, die für die Infrastruktur in hohen Breiten von grosser Bedeutung ist und grosse Ablagerungen von Methan und anderen Treibhausgasen verdeckt.
Breitenbach erklärt, die Erkenntnisse, die er dort gewonnen habe, seien recht dramatisch, sie sollen in den kommenden Wochen veröffentlich werden.
In Indien befasste sich der ETHZ-Forscher mit den Veränderungen der Regenmenge der Monsune über die Jahrhunderte. Häufigkeit und Intensität der Monsune, die das Potential haben, sich auf das Leben von bis zu einer Milliarde Menschen auszuwirken, haben in den letzten Jahren zugenommen.
Mehr Beweise gefragt
Breitenbach räumt ein, dass es Skeptiker geben wird, welche die neuen Forschungsresultate in Frage stellen. Er erklärt aber, dass die sehr hohe Präzision der Ergebnisse – bis auf 17 Jahre genau – sowie weitere, noch nicht abgeschlossene Projekte des Teams, stichhaltige Argumente liefern würde für die These, dass bedeutende Dürren das Schicksal der Maya-Hochkultur besiegelten.
Einige von Breitenbachs Kollegen arbeiten an einem Projekt in derselben Region. Dabei untersuchen sie Isotope in Baumringen auf Hinweise nach Dürren. Bisher scheinen ihre ebenso exakten Ergebnisse zu bestätigen, was er und bei der Analyse des Stalagmiten herausfand.
«Es ist oft so, dass man einen Datensatz hat und die Leute einem glauben oder auch nicht. Aber wann man zwei oder mehr Datensätze aus der gleichen Region hat, die dasselbe Resultat zeigen, hat man auch viel mehr Vertrauen in seine Ergebnisse», betont Breitenbach.
Das Forschungsteam, das die Baumringe untersucht, arbeitet auch an Altersbestimmungen von Türstürzen, den Holzteilen zwischen den Türen alter Maya-Strukturen. Ihre Arbeit könnte in Zukunft aufzeigen, wann diese Strukturen gebaut und wie lange sie bewohnt worden waren.
Der Maya-Experte Alfredo Barrera vom Nationalen Institute für Anthropologische Geschichte Mexikos erklärt, dass man mit solch neuer Hightech-Forschung den Schlüssel zu den Geheimnissen der Maya und deren Lebensweise in der Hand habe.
«Die Physik von heute kann in Bezug auf die Maya viel zur Erforschung des Ursprungs des archäologischen Materials beitragen. Denn heute existiert die Technologie, mit der man etwa die Zusammensetzung des Materials ergründen kann, aus dem sie ihre Werkzeuge machten.»
Bei der Klimaforschung geht laut Forscher Breitenbach es nicht nur um die Messung, wie viel Niederschlag in einer bestimmten Gegend gefallen sei. Um ein genaues Bild zu erhalten, müssten die Wissenschaftler auch bestimmen, wie viel von diesem Niederschlag verdunste, was eine grössere Herausforderung sei.
Die Analyse und das Verständnis von Niederschlags-Mustern ist in Ländern wie der Schweiz leichter, weil es viele meteorologische Daten gibt, die weit in die Vergangenheit zurückreichen. In anderen Teilen der Welt gebe es jedoch oft nur wenige solcher Daten.
Koordinieren der Kalender
Breitenbach sagt, dass der leitende Archäologe seiner Stalagmiten-Studie, Dr. Douglas Kennet, zurzeit Inskriptionen von Türstürzen und anderen Maya-Artefakten noch für einen anderen Zweck nutze: Zur besseren Ausrichtung des Maya-Kalenders auf den heutigen (julianischen) Kalender. Denn laut dem Paläoklimatologe beinhaltet das bisherige Umrechnungssystem einen wesentlichen Fehler.
Und wie steht es mit der berühmten Prophezeiung, dass die Welt am 21. Dezember 2012 untergeht, wie das der Maya-Kalender angeblich voraussagt?
«Aus unserer Perspektive ist es nur Unsinn», sagt Breitenbach. «Gegen Ende dieses Jahres geht einfach eine grosse Runde dieses Kalenders zu Ende, dann beginnt es wieder von vorn. Es geht also nicht um das Ende der Welt. Und die Verbindung zwischen dem Maya-Kalender und unserem ist nicht so eng, wie wir denken.»
Die modernen Maya
Obschon es üblich ist, den Niedergang der Maya-Städte als «Kollaps» dieser Zivilisation zu bezeichnen, weisen Forscher darauf hin, dass die Gesellschaft der Maya nicht einfach verschwunden sei, sondern sich verändert und verzettelt habe.
«Wir können nicht vom Aussterben der Maya sprechen, wenn es noch immer mehr als fünf Millionen Menschen gibt, welche die Sprache der Maya sprechen und ihre Weltanschauung bewahren», erklärt Velásquez. «Die Maya haben ihre Kultur an andere Orte gebracht und leben heute ausserhalb ihres ehemaligen Territoriums, oft in Grossstädten. Sie sind moderne Menschen in unserer Welt, haben aber ihre alten Traditionen bewahrt.»
Breitenbach verweist darauf, dass auch heute noch Nachfahren der Maya in Zentralamerika leben, und macht damit klar, dass sie nicht einfach verschwunden sind. Aber es gebe noch viele offene Fragen zu beantworten, was die drastischen Veränderungen angehe, welche die Maya durchgemacht hätten.
«Die Maya gibt es dort immer noch, es ist nicht so, dass es zu einem Kollaps kam und alle starben. Es ist diese Katastrophen-Sicht der Dinge, die nicht wirklich richtig ist», sagt Breitenbach. «Allerdings kennen wir die Details nicht, weshalb die Menschen ihre Städte verlassen haben, weshalb es zu den grossen Migrationen in Wälder und kleinere Dörfer gekommen war. Das ist etwas, das wirklich interessant ist.»
(Übertragung aus dem Englischen: Rita Emch)

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