
«Betroffene rechnen mit internationaler Hilfe»

Die Flutopfer brauchen dringend sauberes Trinkwasser und Notunterkünfte, sagt Ueli Salzmann, Leiter des Schweizer Hilfsteams in Sri Lanka, zu swissinfo.
Die Schweizer Helfer sind im Küstengebiet von Sri Lanka im Einsatz, das von den Flutwellen schwer in Mitleidenschaft gezogen wurde.
Ueli Salzmann ist Mitglied des Schweizer Korps für humanitäre Hilfe (SKH) der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA). Der Berner Architekt leitet die Hilfsmission im Süden Sri Lankas.
Die Schweiz arbeitet vor Ort mit andern internationalen humanitären Organisationen zusammen, darunter das Internationale Komitee vom Roten Kreuz IKRK mit Sitz in Genf.
Die Hilfsorganisationen sorgen dafür, dass die Bevölkerung, die durch die Wassermassen obdachlos geworden ist, Unterkunft, Nahrung, Kleidung und sauberes Trinkwasser erhält.
Ein von der Schweiz organisierter Lastwagen mit Hilfsgütern wird am Donnerstag im Krisengebiet an der Südküste erwartet.
swissinfo: Ueli Salzmann, Sie sind jetzt seit einigen Tagen in Sri Lanka. Wo liegen ihre Hauptprioritäten bei der Hilfe vor Ort?
Ueli Salzmann: Bei der Ankunft mussten wir zuerst die Lage einschätzen und die Hautbedürfnisse der Bevölkerung abklären. Wir stellten fest, dass es recht wenig Probleme punkto Nahrung und grundlegende medizinische Versorgung gibt.
Uns wurde jedoch schnell klar, dass wir uns auf die Lieferung von Hilfsgütern konzentrieren müssen. Hier vor allem um Behälter für sauberes Wasser sowie sanitäre Einrichtungen.
Die Wasseraufbereitungs-Anlagen laufen, doch die Verteilung von Wasser stösst auf Schwierigkeiten. Darauf müssen wir uns konzentrieren, denn die Leute haben alles verloren. Wir müssen auch Plastikblachen, Decken, Schlafsäcke und Moskitonetze verteilen.
swissinfo: Sie sprechen die Hygiene und das Trinkwasser an. Wie sieht es diesbezüglich im Moment aus?
U.S.: Über einen Küstenstrich von 300 bis 500 Metern ist alles zerstört. Und ich betone: Alles! Was nicht 15 oder 20 Meter über dem Meeresspiegel lag, ist vom Wasser weggespült worden. Darunter auch sämtliche Strassen, die Eisenbahnschienen und die gesamte Wasserversorgung.
Das Gebiet ist komplett leer. Wer konnte, flüchtete sich an höher gelegene Stellen. Hier leben die Menschen nun auf engem Raum in provisorischen Notunterkünften. Wer konnte, fand Unterschlupf im Haus von Verwandten oder Bekannten.
swissinfo: Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit der internationalen Hilfsorganisationen mit den lokalen Behörden?
U.S.: Die Leute rechnen stark mit internationaler Hilfe. Für mich überraschend war zu sehen, dass Sri Lanka selber recht gut mit der schwierigen Lage zurechtkommt. So organisieren lokale und nichtstaatliche Organisationen die Nahrungshilfe und decken die medizinische Versorgung ab.
Lokale Geschäftsleute fuhren Lastwagen in die Küstenregion und verteilten, was sie hatten. Selbstverständlich können sie nur Hilfe für eine begrenzte Zeit leisten. Deshalb ist die internationale Hilfe notwendig.
Das Schweizer Hilfsteam trifft sich am Donnerstag, um die nächsten Schritte zu planen. Sicher ist, dass wir schnell Erst-Hilfe-Material verteilen müssen. Doch dann müssen die Hilfeleistungen mit den andern Organisationen koordiniert werden.
swissinfo: Die Weltgesundheitsorganisation WHO befürchtet, dass übertragbare Seuchen im Zusammenhang mit dem Mangel an sauberem Trinkwasser und sanitären Einrichtungen nochmals so viele Opfer fordern könnten wie das Seebeben. Teilen Sie diese Ansicht?
U.S.: Ich bin nicht Mediziner, aber ich habe Orte gesehen, wo ich mir den Ausbruch von Krankheiten wegen schlechten Trinkwassers gut vorstellen kann. Zu möglichen Opferzahlen kann ich aber keine Angaben machen.
swissinfo: Haben Sie das Gefühl, dass in Sri Lanka immer noch die Verzweiflung über das Geschehene vorherrscht und dass man einfach froh ist, dass Hilfe unterwegs ist?
U.S.: Ich habe den Eindruck, dass sich die Leute langsam vom Schock erholen. Sie beginnen wieder nach vorne zu schauen, tun wieder etwas, und das ist für mich ein positives Zeichen.
Möglicherweise wurde dies durch die Hilfe ausgelöst, die unterwegs ist und die zu den Leuten gelangt. Sie erkennen, dass die internationale Gemeinschaft sie nicht vergessen hat.
swissinfo-Interview: Ramsey Zarifeh
(Übertragung aus dem Englischen: Urs Maurer)

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