The Swiss voice in the world since 1935
Top Stories
Schweizer Demokratie
Newsletter

«Ein grosser Tag für die internationale Justiz»

Chef-Anklägerin Carla del Ponte zeigt sich befriedigt über die Auslieferung Milosevics. Keystone

Die Schweizer Delegation hat sich am Freitag (29.06.) befriedigt über den Verlauf der Geberkonferenz in Brüssel gezeigt. Der Beitrag der Schweiz zum Wiederaufbau Jugoslawiens dürfte sich in diesem Jahr auf mindestens 40 Mio. Franken belaufen. Carla del Ponte, Chef-Anklägerin des UNO-Tribunals, sprach unterdessen von einem "grossen Tag für die internationale Justiz".

Die Chefanklägerin des Tribunals, die Schweizerin Carla del Ponte, kündigte an, dass der ausgelieferte jugoslawische Ex-Präsident Slobodan Milosevic sich in Den Haag einer erweiterten Anklage stelllen muss. Dabei gehe es um Verbrechen im Kosovo-Konflikt. Weitere Anklagen im Bezug auf mögliche Verbrechen in Kroatien und Bosnien seien in Vorbereitung.

Die Auslieferung des ehemaligen jugoslawischen Präsidenten sei ein grosser Tag für die internationale Justiz, sagte Del Ponte. Sie sprach von einem «Wendepunkt», der den Bemühungen Auftrieb geben werde, Kriegsverbrecher, die noch auf freiem Fuss sind, festzunehmen. Die Auslieferung Milosevics bedeute, dass auch andere Serben, denen Kriegsverbrechen vorgeworfen werden, vor Gericht kommen.

Erfolg Carla del Pontes?

Die Auslieferung von Slobodan Milosevic an das UNO- Tribunal ist zu einem guten Teil das Ergebnis der hartnäckigen Verfolgung des jugoslawischen Ex-Präsidenten durch Chefanklägerin Carla del Ponte. Aber auch das politische Klima trug wesentlich zu diesem Erfolg bei. Die frühere Bundesanwältin war für ihr Anliegen von Hauptstadt zu Hauptstadt gehastet. Um des früheren Staatschefs habhaft zu werden, bewies sie grosse Ausdauer – einer ihrer dominanten Charakterzüge. Ihr direkter, medien-wirksamer Ton, der manchmal arrogant wirkt, zeigt ihre Ungeduld. So kritisierte die Tessinerin bei einem Belgrad-Besuch zu Jahresbeginn offen den jugoslawischen Präsidenten Kostunica, er zeige zu wenig Kooperationsbereitschaft gegenüber dem UNO-Tribunal.

Allerdings hat auch die «politische Grosswetterlage» der Chefanklägerin geholfen. «Bisher war der juristische Apparat des Haager Tribunals noch nicht genutzt worden, um der ‹grossen Fische› habhaft zu werden», schätzt der Genfer Professor für internationales Recht Luigi Condorelli. Der politische Wille dazu habe gefehlt. Jetzt aber sei dieser politische Wille vorhanden, so dass das Gericht und die Chefanklägerin erfolgreich gegen Milosevic vorgehen konnten.

Auch laut dem Journalisten Pierre Hazan sollte man die Rolle Del Pontes bei der Auslieferung Milosevics nicht überschätzen. Entscheidender für den Schritt der serbischen Regierung sei der politische Druck auf Belgrad gewesen – vor allem aus den USA. Dieser sei in den letzten Monaten gewachsen. Ein weiterer Faktor sei die Geberkonferenz von Brüssel gewesen, von der Belgrad viel erwartet, meinte der Autor des Buches «La justice face à la guerre. De Nuremberg à La Haye».

Kritik an Del Ponte

Hazan spart auch nicht mit Kritik an del Ponte: Milosevic ist bisher nur wegen der Verbrechen im Kosovo-Konflikt angeklagt. Die Anklage habe es versäumt, auch die im Bosnien- und Kroatienkrieg verübten Verbrechen offiziell in die Anklage einzubeziehen. Das hätte ihr mehr Gewicht verliehen, und die Auslieferung hätte sich in der jugoslawischen Öffentlichkeit leichter «verkaufen» lassen.

Carla Del Ponte habe sich auch geweigert, eine Untersuchung über die NATO-Bombardierungen in Serbien im Kosovo-Konflikt 1999 zu eröffen, ergänzt Condorelli. Unparteiische Beobachter hätten diese Weigerung kritisiert, und auch Jugoslawiens Präsident Kostunica geisselte sie als einseitige Parteinahme des UNO-Tribunals. So sei den Verantwortlichen in Belgrad der Auslieferungs-Entscheid erschwert worden.

Schweizer Finanzhilfe

Er sei sehr zufrieden, sagte Remo Gautschi, Vizechef der Direktion für Zusammenarbeit und Entwicklung (DEZA), in Brüssel. Die Schweiz möchte in diesem und den nächsten beiden Jahren insgesamt 95 Mio. Franken an den Wiederaufbau Jugoslawiens beisteuern. Dies sei eine beachtlicher Beitrag für ein kleines Land wie die Schweiz, sagte Gautschi.

Die Überstellung von Milosevic an das UNO-Tribunal sei «ein neuer zusätzlicher Schritt der jugoslawischen Regierung, um ihre internationalen Verpflichtungen zu erfüllen, erklärte Gautschi. Dies werde die Verhandlungen mit Belgrad weiter erleichtern. Die Schweiz sei jedoch der Ansicht, dass die Reformen in Jugoslawien fortgesetzt werden müssten. Belgrad müsse sich auch um eine Normalisierung der Beziehungen zu Bosnien bemühen und dafür sorgen, dass sich die Serben im Kosovo an den Wahlen in November beteiligten.

Schweiz leistet Rechtshilfe

Jugoslawien bittet die Schweiz um Rechtshilfe im Fall des ehemaligen Präsidenten Slobodan Milosevic. Das Gesuch ist am vergangenen Mittwoch in Bern eingetroffen, wie Folco Galli, Sprecher des Bundesamtes für Justiz, sagte. Berichte über Gelder Milosevics auf Schweizer Konten haben sich bisher nicht bestätigt.

Zum Inhalt des Rechtshilfegesuchs machte Galli am Freitag keine Angaben. Er stellte weitere Informationen für den kommenden Montag in Aussicht. Presseberichte, wonach Milosevic bis zu einer Milliarde Dollar ins Ausland, darunter auch in die Schweiz, geschafft haben soll, haben sich bisher nicht erhärtet. Die Schweiz geht zwar Spuren von Geld- und Goldtransfers nach. Vom mittlerweile ans UNO-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag überstellten jugoslawischen Ex-Diktator sind aber in der Schweiz bisher keine Gelder aufgetaucht.

Beim Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) sind im Zuge der von der Schweiz nachvollzogenen EU-Sanktionen gegen Jugoslawien noch immer rund zwölf Mio. Franken gemeldet und damit blockiert. Die Gelder gehören Personen aus dem ehemaligen Regierungsumfeld des Ex-Diktators, wie Roland Vock, Leiter des Ressorts Exportkontrollpolitik und Sanktionen im seco, am Freitag sagte. Unter das Sanktionsregime der Schweiz fallen gegenwärtig noch 600 Personen. Laut Vock dürfte diese Liste bald auf 13 Personen reduziert werden, wie dies die EU schon gemacht habe.

swissinfo und Agenturen

Mit der Schweiz verbunden

Beliebte Artikel

Meistdiskutiert

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards

Mehr: JTI-Zertifizierung von SWI swissinfo.ch

Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!

Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft