
Korruptionsrisiko bei Auslandsvertretungen

Eine durch die SonntagsZeitung veröffentlichte vertrauliche Liste des Aussenministeriums bezeichnet 33 Schweizer Vertretungen als korruptionsgefährdet.
Weil er zwei Jahre mit Visa gedealt haben soll, muss sich kommende Woche denn auch ein ehemaliger Mitarbeiter der Moskauer Botschaft vor dem Bundesstrafgericht verantworten.
Eine Liste des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA) führt als korruptionsgefährdetste Botschaft jene in Peking auf. Danach folgen die Schweizer Vertretungen in Moskau und in Mumbay (das frühere Bombay).
Auf der von der SonntagsZeitung genannten und von EDA-Sprecher Johann Aeschlimann bestätigten Liste stehen weiter die Vertretungen in Neu Delhi, Istanbul, Schanghai, Kiew, Belgrad, Pristina und Bangkok. Die meisten befinden sich in Asien (14), Afrika (10), 5 weitere in Osteuropa.
Die Liste wurde nach Anzahl der Visa-Gesuche, der ausgestellten Visa und nach problematischen Vorfällen wie Beschwerden von Antragsstellern erstellt. Von den 33 als hoch gefährdet eingestuften Vertretungen stelle eine mittlerweile keine Visa mehr aus.
Im Kampf gegen Visa-Missbrauch habe man es auch mit mafiosen Organisationen zu tun, die in Drogen- und Frauenhandel involviert seien.
Visa-Handel in Pakistan
Im April war in der Schweizer Botschaft in Islamabad ein regelrechter Visa-Handel aufgeflogen. In der Folge wurde das gesamte Personal ausgewechselt – sowohl in der pakistanischen Hauptstadt als auch im Generalkonsulat in Karachi. Betroffen waren acht Personen aus der Schweiz und 21 Pakistaner.
Einer der Pakistaner aus der Botschaft in Islamabad soll Sex und Geld als Gegenleistung für Einreisevisa in die Schweiz verlangt haben.
Im Kampf gegen Missbräuche in den über 200 Schweizer Vertretungen im Ausland hatte das EDA eine Risiko-Analyse in Auftrag gegeben. Ausserdem wurde die Einrichtung eines Visa-Inspektorats beschlossen.
Die Bundesanwaltschaft ermittelt laut SonntagsZeitung auch gegen den ehemaligen Kanzleichef in Peru sowie Botschaftsangestellte in Nigeria.
Bundesstrafgericht
Zur Visa-Korruption in der Moskauer Botschaft kommt es am nächsten Donnerstag wegen mehrfacher Urkundenfälschung im Amt, mehrfaches Sich-Bestechen-Lassen sowie wegen Widerhandlung gegen das Bundesgesetz über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG) vor dem Bundesstrafgericht in Bellinzona zu einem Prozess.
Die Bundesanwaltschaft wirft dem 49-jährigen Daniel E. vor, von August 2001 bis August 2003 in der Schweizer Vertretung in Moskau mindestens 19’600 US-Dollar (24’000 Franken) mit illegalem Visa-Handel verdient zu haben. Erst soll er 200 US-Dollar Schmiergeld für seine Dienste verlangt haben, später soll er den Betrag auf 300 Dollar erhöht haben.
swissinfo und Agenturen

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Bundesstrafgericht
In den letzten Jahren sind in Schweizer Botschaften mehrere Fälle von Korruption bei der Visa-Vergabe entdeckt worden.
Ausser in Pakistan und Russland auch in Eritrea, Oman, Peru, Serbien, Nigeria und Kongo.
Jedes Jahr werden in den Aussenvertretungen der Schweiz rund 500’000 Visa ausgestellt und rund 40’000 Anträge abgelehnt.
Die Ziffer dürfte auf rund 400’000 sinken, nachdem die Verträge von Schengen die Grenzüberschreitungs-Kontrollen zwischen der Schweiz und der EU vereinfacht haben.
Bis jetzt haben die Affären zu einer Verurteilung geführt. Im November 2005 hat das Bundesstrafgericht einen ehemaligen Honorar-Vize-Konsul von Oman zu neun Monaten Gefängnis bedingt verurteilt.

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