Mehr Mieterschutz oder Zwängerei?

Die Volksinitiative "Ja zu fairen Mieten" will, dass Mieterinnen und Mieter vermehrt von Hypothekarzins-Senkungen profitieren können.
Regierung und bürgerliche Parlamentsmehrheit wollen jedoch von den Neuregelungen des Mieter- und Mieterinnenverbands nichts wissen, sie lehnen die Initiative ab.
Die Schweiz ist ein Volk von Mietern: Rund 70 Prozent leben hierzulande in Mietwohnungen. Deshalb spielen Mietfragen eine wichtige Rolle.
Dass das noch gültige Mietrecht Mängel aufweist, darin sind sich alle einig. Die Ankoppelung der Mieten an die Bewegungen des variablen Hypothekarzinses überzeugt niemanden.
Geglätteter Hypozins als Referenz…
Die Volksinitiative «Ja zu fairen Mieten» des Schweizerischen Mieterinnen- und Mieterverbands will den Mietzins an einen über fünf Jahre berechneten Durchschnitts-Satz für Hypotheken binden.
Die Anpassung des Mietzinses während der Mietdauer soll also neu geregelt werden. Weiter will die Initiative die Bestimmungen gegen Missbräuche beim Anfangsmietzins verschärfen, Mietzinserhöhungen bei Handänderung der Liegenschaft begrenzen und staffeln sowie den Kündigungsschutz erweitern.
Für gemeinnützige Wohnbauträger wie Genossenschaften oder Stiftungen sollen zudem besondere gesetzliche Regeln der Mietzinsgestaltung geschaffen werden.
«Der Mietzins ist der grösste Ausgabenbrocken für die Schweizer Haushalte», betont Anita Thanei, sozialdemokratische Nationalrätin und Vizepräsidentin des Deutschschweizerischen Mieterinnen-/Mieterverbandes.
Aus ihrer Sicht bietet die Bindung an den geglätteten Hypozins eine angemessene Lösung – für Mieter, aber auch für Vermieter.
«Unsere Initiative garantiert eine angemessene Rendite. Und wenn man sich umschaut, welche Renditen in letzter Zeit beispielsweise an der Börse zu erwirtschaften waren, dann ist es immer noch am besten, in schweizerische Liegenschaften zu investieren.»
…oder generelle Abkehr vom Hypozins?
Regierung und bürgerliche Parlamentsmehrheit lehnen die Initiative ab: Der Nationalrat mit 102 Nein- zu 60 Ja-Stimmen, der Ständerat mit 35 Nein- zu 4 Ja-Stimmen.
Für Rolf Hegetschweiler, freisinniger Nationalrat und Direktor des Hauseigentümerverbandes Zürich, ist die «schädliche» Initiative «weitgehend veraltet».
«Die Initiative wäre zudem ein Schritt in Richtung Mietwohnungs-Bürokratie, den wir unbedingt vermeiden wollen», argumentierte er gegenüber swissinfo.
Sozusagen als Gegenvorschlag «gegen diese Zwängerei» verweist Hegetschweiler auf die Mietrechtsrevision, welche das Parlament beschlossen hat: Vorgesehen ist ein Systemwechsel, der Mietzins soll an die Bewegungen des Lebenskosten-Indexes gekoppelt werden.
Wohl nicht letzte Abstimmung
Für Anita Thanei «wimmelt es im indirekten Gegenvorschlag nur so von Marktelementen», diese führten «zu einer eigentlichen Preisspirale».
Deshalb will der Mieterinnen- und Mieterverband von der Revision nichts wissen. Noch bevor über seine Initiative abgestimmt wurde, hat er das Referendum gegen das neue Mietrecht ergriffen.
Bei einer Annahme der Volksinitiative am 18. Mai würde die Mietrechtsrevision hinfällig; es begänne die Debatte um die Umsetzung der Verfassungsbestimmungen. Und wenn Volk und Stände die Initiative ablehnen, ist das Thema Mietzins mit dem Referendum gegen die Revision bald wieder auf dem Tisch.
swissinfo, Eva Herrmann
Die Volksinitiative «Ja zu fairen Mieten» will, dass nicht nur Erhöhungen der Hypothekarzinssätze, sondern auch Senkungen vermehrt an die Mieterinnen und Mieter weitergegeben werden.
Deshalb will sie den Mietzins an einen geglätteten Hypothekarzinssatz binden.
Weiter will die Initiative die Bestimmungen gegen Missbräuche bei den Anfangsmietzinsen verschärfen, die Anpassung während der Mietdauer neu regeln sowie den Kündigungsschutz erweitern.
Bundesrat und bürgerliche Parlamentsmehrheit lehnen das Begehren des Mieterinnen- und Mieterverbands ab.

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