
Skispringen: Ein Toggenburger mit hohem Ziel

Vor vier Jahren hatte Simon Ammann als damals 16-Jähriger erstmals olympische Luft geschnuppert. Jetzt liegt selbst eine Medaille in Reichweite.
Als sich Simon Ammann Ende 1997 mit dem 15. Rang in Oberstdorf für die Olympischen Spiele in Nagano qualifizierte, wusste er gar nicht recht, wie ihm geschah. Der damals nur 1,52 m grosse und 40 kg schwere Bauernsohn aus dem Toggenburg versank beinahe im offiziellen Olympiamantel und staunte in die grosse weite Welt hinaus.
Die damals gemachten Erfahrungen kommen Ammann, der mittlerweile um 20 cm gewachsen und 12 kg schwerer geworden ist, in Salt Lake City gelegen. Es ist nicht mehr alles neu für ihn, er weiss wie der Karren läuft. Die diesjährige Vierschanzentournee schloss er als sehr guter Sechster ab.
Erfahrungen mit Verletzungen und Misserfolgen
Ammann hatte lernen müssen, dass nicht alles von selber geht, dass Talent allein nicht genügt. Nachdem er sich im Sommer 1998 beim Inline-Skaten einen Innenbandanriss am Knie zugezogen hatte, verpasste er einen Teil der Sommervorbereitung und im Winter blieben die Resultate prompt aus.
Eine Saison später lief es etwas besser, aber auch nicht ganz den Erwartungen entsprechend. Zu vieles stimmte nicht, er brachte Sport und Schule nicht unter einen Hut.
Das war auch eine Saison später noch so, als Ammann beispielsweise am Holmenkollen nur als Zuschauer auftauchte, nachdem er sich am Tag zuvor im Continentalcup in Vikersund mehr schlecht als recht in Szene gesetzt hatte.
Abheben seit 2001
Erst im Frühsommer 2001 bog der 20-jährige Gymnasiast wieder auf die richtige (Flug)kurve ein. Dank des Entgegenkommens des Rektors, der ihm die Matura innert zwei statt nur einem Jahr abzulegen erlaubte, war die Schule plötzlich kein Problem mehr.
Im sportlichen Bereich sagte Ammann die Mentalität des Bündner Trainers Berni Schödler mehr zu als jene des früheren DDR-Spitzenspringers Jochen Danneberg in den zwei Jahren nach Nagano. Im Krafttrainingsbereich gab ihm Jean-Pierre Egger, der frühere Trainer von Werner Günthör, neue Impulse, auf die Ammann sofort ansprach. All diese Komponenten führten in eine positive Richtung.
Material und Feilen an der Technik
Die Richtung stimmt für Simon Ammann auch beim Absprung dank dem Umsteigen auf einen neuen Schuh vor dem Weltcup-Springen in Engelberg, wo er als Zweiter erstmals auf dem Podest stand.
Dass er seither seine Sprunglatten noch gefühlvoller zu steuern vermag, schlug sich in vier Podestplätzen in Serie nieder. An der Vierschanzentournee baute Ammann nach dem 3. Rang in Oberstdorf zwar etwas ab; das ist aber für einen jungen Springer normal.
Sturz kein Problem mehr
Der Sturz am 11. Januar in Willingen, der Simon Ammann zu einer zehntägigen Pause verdonnerte, war vielleicht sogar heilsam.
Dort hat er gezeigt, dass er mit viel Selbstvertrauen ausgestattet ist. Er liess sich nicht einfach fallen, sondern versuchte, im steilen Stück der Landebahn aufzuschlagen. Danach spannte er den Körper bewusst an und vermied so schwerere Verletzungen als die Hirnerschütterung und das Schleudertrauma.
Ammann überwand den Sturz ziemlich schnell; Sprünge wie er sie noch nie gezeigt hatte, zeugten im abschliessenden Training in Engelberg davon. Dort, wo ihm im Dezember der Knopf aufgegangen war, fand er Ende Januar wieder zu seiner Stärke zurück.
Unbekümmert zum Olympia-Erfolg?
Die Unbekümmertheit, mit der Ammann den Sturz in Willingen verarbeitete, wird ihm auf beiden Anlagen in Park City entgegen kommen. Auch dort wird er in seiner gewohnten Art vom Tisch schiessen – egal ob bei Auf- oder Rückenwind.
Solches kümmert ihn nicht bei der vollen Konzentration auf den Sprung. Mit diesem Rezept könnte sogar der Traum von einer Olympia-Medaille zur Realität werden.
swissinfo und Kurt Henauer (Si)

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch