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Schöne Wanderung entlang der Schweizer Panzersperren

Ein Paar wandert nahe von moosüberwachsenen Betonpyramiden
Der Wanderweg schlängelt sich bei Begnins zwischen neun Tonnen schweren Betonblöcken hindurch. Keystone / Laurent Gillieron

Eine Linie von alten Panzersperren, die sich von den Wäldern des Juras in der Westschweiz bis hinunter zum Genfersee schlängelt, erinnert an einen wichtigen Teil des Schweizer Kriegserbes. Der Toblerone-Trail ist aber auch eine wunderschöne Wanderroute.

«Auf dem Toblerone-Weg gibt es keine Schokolade», heisst es auf der Website von Schweiz MobilExterner Link, vielleicht um Beschwerden enttäuschter Eltern vorzubeugen. «Es ist vielmehr ein historischer Lehrpfad, der zwischen Jurahöhen und Genfersee einer Verteidigungslinie aus dem Zweiten Weltkrieg folgt.»

Bei den rund 3000 Tobleronen handelt es sich um massive Betonpyramiden, auch Drachenzähne genannt, die gebaut wurden, um die von Frankreich eindringenden deutschen Panzer aufzuhalten.

Diese bis zu zwei Meter hohen und bis zu 15 Tonnen schweren Blöcke wurden während des Zweiten Weltkriegs überall in der Schweiz aufgestellt.

Die zehn Kilometer lange Strecke von Bassins im Jura nach Süden bis zum Ufer des Genfersees bei Prangins ist der am besten erhaltene Abschnitt dieser Verteidigungslinien.

Moosüberwachsene "Drachenzähne"
Mehr Drachenzähne im waadtländischen Begnins. CC3.0

Tobleronen oder Drachenzähne sind nicht die einzigen Panzerabwehrsysteme am Boden: Weitere Beispiele sind der Tschechenigel und das Belgische Tor.

Drachenzahnreihen wurden im Zweiten Weltkrieg von mehreren Armeen eingesetzt. Die Deutschen setzten solche ausgiebig an der Siegfriedlinie und dem Atlantikwall.

In einigen Gebieten entlang der Grenzen der koreanischen entmilitarisierten Zone sind Drachenzähne noch immer zu sehen.

Im November 2022 begann Russland laut der ukrainischen Zeitung The Kyiv IndependentExterner Link unter Berufung auf das britische Verteidigungsministerium mit dem Bau von Drachenzähnen rund um die besetzte ukrainische Stadt Mariupol.

«Um 1940, als die deutschen Truppen neutrale Staaten wie Belgien und Norwegen angriffen, war die Angst auch in der Schweiz sehr gross», schreibt Schweiz Mobil.

Aus diesem Grund begannen die Bauarbeiten für die «Promenthouse-Verteidigungslinie», benannt nach dem Bach, an dem sie zu einem Teil entlangführt. Entlang diesem und weiteren Bächen wurde ein Betonbrocken nach dem anderen aufgestellt.

Anstatt sie wieder zu entfernen, wurden einige davon als Erinnerung an die Bedeutung des Kriegs für die Schweiz restauriert.

Hier finden Sie eine Galerie von Panzersperren, die anderswo in der Schweiz zu finden sind:

Der ganze Toblerone-Trail zwischen Bassins und Nyon ist etwa 18 km lang und lässt sich in einem halben Tag bewältigen. Im Sommer besonders angenehm sind die schattigen Waldabschnitte entlang von drei Bächen – Promenthouse, Combe und Serine.

Die Landschaft bietet ausserdem Weinberge, Obstgärten und Maisfelder – und unten am See beeindruckende Ausblicke auf den Mont Blanc.

Früher reichten die Toblerone-Panzersperren sogar 50 Meter weit in den Genfersee hinein, um auch eine amphibische Invasion der Schweiz zu verhindern.

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«Viel reicher als ein Zoo»

Der Verein Toblerone TrailExterner Link (ehemals Verein der befestigten Verteidigungslinie der Promenthouse) hat einen gut markierten Weg durch Unterholz und Ackerland von Bassins nach Nyon angelegt und Treppenstufen und Brücken errichtet.

Mehrere informative Tafeln erläutern die Rolle des Walds, die Baumarten und die historischen Elemente dieses strategischen Festungsbauwerks.

Der Verein erklärt, das Projekt sei ursprünglich als Versuch gestartet worden, einen wichtigen Teil des Schweizer Militärerbes zu bewahren. Man habe aber bald erkannt, dass der Umweltaspekt ebenso wichtig sei.

Die Betonblöcke, viele davon mittlerweile mit Moos, Efeu und Brombeeren bedeckt, bieten zahlreichen Tieren und Pflanzenarten ein ideales Zuhause. Das Gelände sei «viel reicher als ein Zoo!», schreibt der VereinExterner Link.

«Entlang der Bäche und über dem Laubdach zirpen die Vögel. Auf den Feldern geniesst man die Aussicht zum Genfersee und zu den französischen Alpen», heisst es bei Schweiz Mobil.

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Das Hauptziel ist jedoch pädagogischer Natur: Dieses einzigartige Stück militärischen Kulturerbes soll für zukünftige Generationen erhalten bleiben.

Der Verein Toblerone Trail stellt Lehrpersonen Hintergrundinformationen zur militärischen Geschichte, Geologie und Ökologie des Wegs zur Verfügung, bevor sie mit Schulklassen auf Exkursion gehen.

Villa Rose

Doch warum wurde die Verteidigungslinie gerade hier errichtet? Weshalb nicht an der Schweizer Grenze? Das Promenthouse-Serine-Tal war die erste natürliche Barriere, auf die eine von Westen her einfallende Armee stossen würde.

Genf, auf drei Seiten vom besetzten Frankreich umgeben, wäre fast unmöglich zu verteidigen gewesen. Deshalb wurden die Panzersperren hier – von Soldaten und Arbeitslosen – auf Grundstücken errichtet, die viele Einheimische dafür aufgegeben hatten.

Die Drachenzähne sind jedoch nicht die einzige Überraschung entlang der Route – damals für Deutsche, heute für Wandernde.

An der ehemaligen Hauptstrasse zwischen Genf und Bern steht die Villa RoseExterner Link, ein hübsches rosa Haus. Jahrzehntelang gab sie den Einheimischen Rätsel auf: Sie war offensichtlich gut gepflegt, aber in den Fenstern brannte nie Licht, und niemand wurde je beim Kommen oder Gehen erblickt.

Ein Bunker in Form eines rosa Hauses mit aufgemalten Fenstern
Villa Rose: Einbrecher hätten sich daran die Zähne ausgebissen. Media Released Under The Terms Of The Cc-By-Sa-3.0 And Gfdl Licences

Ältere Menschen, die Teil der Mobilmachung im Zweiten Weltkrieg waren, wussten jedoch, dass es sich in Wahrheit um eine uneinnehmbare Festung handelte – mit 2,5 Meter dicken Mauern und Schiessscharten, die durch zehn Zentimeter starke Stahlplatten verstärkt sind. Die Fenster und Fensterläden sind lediglich aufgemalt.

Die Villa Rose ist einer von zwölf ebenerdigen Bunkern entlang des Toblerone Trails. Diese so genannten PillboxenExterner Link sind getarnte Wachposten.

Während des Kriegs war der Bunker voller Waffen und Munition und beherbergte bis zu 25 Soldaten, die über ein Militärtelefon mit der Aussenwelt verbunden waren und dort wochenlang mit dem Finger am Abzug auf den Einmarsch der Deutschen warteten.

Die Verteidigungslinie des Toblerone Trails und ihre Bunker figurieren übrigens auch im Verzeichnis der Denkmäler, Ensembles und archäologischen Stätten von nationaler BedeutungExterner Link.

Editiert von Samuel Jaberg/gw, Übertragung aus dem Französischen mithilfe von Deepl: Christian Raaflaub

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Debatte
Gastgeber/Gastgeberin Zeno Zoccatelli

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