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Verbrecherjagd: Ausland hilft

Thomas Müller, FBI-trainierter Experte aus Österreich, arbeitet in Bern. Keystone

Nach dem Mord an einer jungen Frau erhält die Berner Polizei Hilfe von einem Polizeipsychologen und "Profiler" aus Österreich. Nur ein psychologischer Schachzug?

Weiterhin fahndet die Berner Kantonspolizei nach dem Frauenmörder von Bern. Bereits einen Tag nach der Tat vom 1. August hatte sie den Experten Thomas Müller in Österreich kontaktiert.

«Profiler» arbeiten international

Seit Montag arbeitet der Polizeipsychologe und so genannte «Profiler» nun in Bern. «Location Profiler» haben die Aufgabe, ein Tatortprofil zu erstellen, das sie aufgrund ihrer Erfahrungen aus vorangegangenen Fällen konstruieren. Damit kann die lokale Polizei dann arbeiten.

In der Region Bern waren in der Nacht auf den 1. August hintereinander zwei Frauen auf offener Strasse mit messerähnlichen Gegenständen attackiert worden. Eine 20-jährige Frau starb, während eine 23-Jährige schwer verletzt überlebte.

Schon Erfahrungen gesammelt

Es ist dieses Jahr bereits das zweite Mal, dass Schweizer Ermittler Hilfe aus dem Ausland in Anspruch nehmen. Vor sechs Monaten hatte im Wallis die belgische «Profilerin» Carine Hutsebaut die Ermittlungen im Fall Luca Mongelli unterstützt.

Der 7-jährige Bub war am 7. Februar in Veysonnaz halbnackt im Schnee gefunden worden, sein Körper war mit Kratzspuren übersät. Während vier Monaten lag er im Koma, heute ist Luca behindert. Auch Hutsebaut konnte den Fall nicht weiterbringen. Berühmt geworden war die FBI-Spezialistin, nachdem sie die Aufmerksamkeit der Polizei auf den belgischen Kindermörder Dutroux gelenkt hatte.

In beiden Fällen wird vom Psychologen/Profiler nicht gleich die Auflösung des Falles erwartet. Doch: «Sie können uns neue Ermittlungsansätze für die Polizeiarbeit bringen», wie Jürg Mosimann von der Berner Kantonspolizei gegenüber swissinfo sagt.

Profiler als eine von vielen Möglichkeiten

Für Mosimann ist der Einsatz des österreichischen Experten Müller kein psychologischer Schachzug, sondern «ein Beweis dafür, dass wir alles uns Mögliche unternehmen, und dabei keine Kosten scheuen. Müllers Arbeit ist nur eine von vielen Möglichkeiten der Ermittlung, die wir einsetzen.»

Rund 50 Personen seien zur Zeit an den Ermittlungen beteiligt. «Und noch haben wir nicht alle Spuren verfolgen können.»

Positive Bilanz

Auch die Kantonspolizei Wallis sieht den Beizug der ausländischen Expertin positiv. «Sicher, wir ziehen es vor, einen Fall selber zu lösen», findet Pressesprecher Pierre-Martin Moulin gegenüber swissinfo. «Der Einsatz der belgischen Profilerin hat uns nicht gestört. Denn jedes Element, das einen Fall vorwärtsbringt, ist uns willkommen.»

Im Fall Luca Mongelli hatte die Polizei ausserdem keine andere Wahl. Der Einsatz eines kriminologischen Experten war aufgrund eines Vorschlags der Eltern von Luca Mongelli vom Untersuchungsrichter entschieden worden.

Zuwenig Fälle in der Schweiz

Doch warum sucht die Schweiz Hilfe im Ausland? «Es ist nicht ein Problem der Ausbildung», stellt eine Kriminologin, die anonym bleiben will, klar. «Auch in der Schweiz haben wir Schulen. Doch man wird kein Experte in der Schulbank».

Um in solchen Fällen erfolgreich zu sein, sind Kenntnisse vieler Dossiers und stetige Auseinandersetzung mit einem kriminellen Umfeld nötig. In der Schweiz sei diesbezüglich «zu wenig» los. Wenig Kriminalität dieser Art, selten Serienkiller. Daher brauche die Schweiz ausländische Spezialisten.

Effizient genug?

Trotz aller Hoffnungen bleibt die Kriminologin der Rolle des Profilers gegenüber skeptisch. «Wenn die Polizei einen echten Profiler beizieht, wird die Öffentlichkeit nicht informiert», sagt die Expertin, die anonym bleiben will.

«Die Behörden müssen in Ruhe arbeiten können. Die Medien sollten daher nur die Informationen erhalten, die zu einer möglichen Aufklärung führen. Der Rest ist nicht so wichtig. Die Profiler erhalten meiner Meinung nach zu viel Platz in den Medien.»

In Bern bleibt das Angstgefühl

«Wir stellen ein beklemmendes Gefühl bei den jungen Frauen im Westen Berns fest», sagt Rolf Spycher von der Berner Stadtpolizei gegenüber swissinfo. Junge Frauen bewegen sich unterwegs nun eher in Gruppen oder mit Kollegen. Doch handle es sich bei diesen beiden Killerangriffen «an sich um nichts Neues».

Den Frauen empfiehlt Spycher Selbstverteidigungskurse. «Vor allem stärken sie das Selbstbewusstsein, und ein erster Angriff kann möglicherweise abgewehrt werden.»

Auch Pfefferspray und Heulgeräte wie der «Schrill-Alarm» dienten als gute Begleiter. Doch die Handhabung müsse geübt werden. «Ein Spray zuunterst in der Handtasche hilft niemandem.»

swissinfo

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