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An der Wiege der Menschheit

Projektleiter Peter Schmid vor den Höhlen von Gladysvale in der südafrikanischen Provinz Gauteng. swissinfo.ch

Die wissenschaftlichen Beziehungen zwischen der Schweiz und Südafrika werden intensiviert. Die Universität Zürich ist an einem Ausgrabungsprojekt in der Provinz Gauteng beteiligt.

Seit Juli 2001 gibt es den Posten eines Wissenschafts-Attachés in Pretoria.

“Cradle of Humankind” – “Wiege der Menschheit”: So heisst die Region in der südafrikanischen Provinz Gauteng, wo in den Höhlen von Sterkfontein der Paläo-Anthropologe Robert Broom vom Transvaal Museum 1947 “Mrs. Ples” entdeckte. “Mrs. Ples” ist der Spitzname für das Fossil eines Schädels des Australopithecus africanus.

“Mrs. Ples” gilt als weit entfernter Vorfahre des Menschen und soll vor etwa 2,6 Millionen Jahren in der Region gelebt haben.

Ein schweizerisch-südafrikanisches Projekt

Unweit von Sterkfontein liegt eine andere wichtige anthropologische Stätte: die Höhlen von Gladysvale. Dort leitet Peter Schmid, Paläo-Anthropologe und Konservator des Anthropologischen Museums der Universität Zürich, ein Ausgrabungsprojekt.

“Wir versuchen hier, unsere Herkunftsgeschichte zu rekonstruieren”, sagt Schmid gegenüber swissinfo. “Wir arbeiten in einer Höhle, wo vor etwa 500’000 bis 2 Millionen Jahren Tiere ihre Beute hineingeschleppt haben. Die Knochen wurden eingebettet, mit Kalk überdeckt, und jetzt sind sie wieder gefunden worden.”

In den Höhlen von Gladysvale wurden Reste von ausgestorbenen Menschenartigen, Australopithecus africanus genannt, gefunden. Schmid arbeitet seit 1995 regelmässig hier unten. Es ist ein gemeinsames Ausgrabungsprojekt der Universitäten Zürich und Witwatersrand von Johannesburg, das vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) unterstützt wird.

Felderfahrung für Studenten

Für die Studenten von der Universität Zürich und von anderen europäischen Hochschulen, die in Gladysvale arbeiten, sei das eine schöne Gelegenheit, Südafrika kennen zu lernen. “Sie sind hell begeistert von dem Land, viele sind schon mehrmals da gewesen”, so Schmid.

Dazu eignen sich die Studenten Felderfahrung an: “Sie lernen ausgraben, sie lernen die Originalfossilien der menschlichen Stammesgeschichte kennen und können auch die Originalfundorte besuchen.”

Grösster Hyänen-Schädel der Welt

Das Team von Peter Schmid hat in Gladysvale bereits historische Funde gemacht, “im Sinne von Kulturresten, Ton, Scherben”.

“Wir haben hier in dieser Höhle neue Funde gemacht über sehr alte Säugetiere, zum Beispiel eine Riesenhyäne; wir haben praktisch den grössten Hyänen-Schädel auf der Welt gefunden”, erklärt Schmid stolz.

Ein einmaliges Privileg

An der “Wiege der Menschheit” – das Gebiet ist übrigens auf der UNESCO-Weltkulturerbe-Liste – Ausgrabungen machen zu können, ist für den Schweizer Paläo-Anthropologen “faszinierend, ein einmaliges Privileg”. In Afrika existierten zwar verschiedene Fundstellen, “aber hier in Südafrika können wir in normalen Verhältnissen arbeiten”.

“Wir haben mit der Universität Witwatersrand einen Vertrag, der genau regelt, was mit den Fossilien geschieht: Sie bleiben hier, und wir erhalten die Abgüsse, wenn wir sie studieren wollen. Wir haben das Recht, hier zu arbeiten. Die Funde werden gemeinsam publiziert”, so Schmid.

In anderen Ländern sei das viel schwieriger: “Es kostet viel, bis man die jeweiligen Behörden bezahlt hat, dann wechselt die Regierung, uns es kostet wieder viel.”

Studenten-Austausch angestrebt

“Wir haben ein sehr gutes Verhältnis zu den südafrikanischen Behörden”, erklärt Schmid. Man strebe einen Studenten-Austausch an: “Es sollen also nicht nur wie bisher Schweizer Studenten hierher, sondern auch Südafrikaner in die Schweiz gebracht werden.”

In der Schweiz seien andere technologische Möglichkeiten und grosse Sammlungen vorhanden. “Da können die südafrikanischen Studenten profitieren.” Ein grosses Problem verbleibe indessen: “Die Schweiz ist für südafrikanische Studenten ein teures Pflaster.”

Peter Schmid lobt das grosse Interesse der südafrikanischen Behörden an dem Forschungsprojekt. “Wir haben die absolute Unterstützung der Regierung. Das ist eine gute Sache.”

Wissenschafts-Attaché für engere Forschungs-Zusammenarbeit

Der Schweizerische Nationalfonds und die südafrikanische Stiftung für Forschungsförderung haben im August 2002 ein Kooperationsabkommen unterzeichnet. Darin enthalten sind der Austausch von Wissenschafterinnen und Wissenschaftern, bilaterale Seminare, gemeinsame Forschungsprojekte sowie der Austausch von Informationen und Erfahrungen.

In einem Pilotprojekt für drei Jahre vertritt Anne-Marie de Buman die Schweiz in Südafrika als Wissenschaftsattaché – “der erste im südlichen Teil der Erdkugel”, wie sie gegenüber swissinfo betont. “Deshalb ist das auch ein Pilotprojekt”.

Wie alle Wissenschafts-Attachés ist Anne-Marie de Buman der Gruppe für Wissenschaft und Forschung des Eidgenössischen Departementes des Innern (EDI) angegliedert und gleichzeitig in die diplomatische Vertretung der Schweiz in Südafrika integriert.

Schaufenster der Schweizer Wissenschaft

“Wir agieren als eine Art Schaufenster der Schweizer Wissenschaft im Ausland”, sagt sie. Es gehe darum, die Beziehungen zwischen den verschiedenen Wissenschafts- und Forschungs-Institutionen, den Universitäten, zu fördern und zu pflegen. Wichtig sei auch, die Resultate und Entwicklungen der Wissenschaft des Gastlandes in der Schweiz bekannt zu machen.

An dem Pilotprojekt in Südafrika sind der Nationalfonds, die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) und die Gruppe für Wissenschaft beteiligt. “Ich habe also drei Sponsoren”, lacht Anne-Marie de Buman.

Gute Beziehungen

De Buman pflegt regen Kontakt mit den südafrikanischen Institutionen und Behörden wie dem Technologie- und Forschungsministerium und der National Science Foundation, der Schwesterorganisation des SNF.

Die Beziehungen zu den südafrikanischen Partnern seien sehr gut. “Natürlich gibt es kulturelle Unterschiede, welche die Zusammenarbeit manchmal erschweren. Man ist hier vielleicht nicht so zuverlässig wie in der Schweiz”, sagt de Buman. Aber insbesondere die jüngeren Mitarbeiter von Behörden und Institutionen seien sehr offen.

Forschungslabor

Obwohl die südafrikanische Regierung mit schwer wiegenden Problemen wie Aids, Armut und Kriminalität beschäftigt ist, wisse sie, wie wichtig Forschung, Wissenschaft und Bildung für die Zukunft des Landes sei. “In gewissen Zweigen der Forschung kann man Südafrika sogar mit der Schweiz vergleichen”, so de Buman.

“Es gibt hier ein Riesenpotenzial in Gebieten wie Genetik, Biotechnologie Medizin, Informations-Technologie, Bergbau. Die Schweizer Wissenschaft könnte hier ein Labor zur Erforschung neuer Bereiche finden.”

Das Pilotprojekt Wissenschafts-Attaché geht Ende Jahr zu Ende. “Ich bin traurig, dass ich gehen muss. Südafrika ist ein wunderbares Land”, sagt Anne-Marie de Buman. Und sie fügt bei: “Was wir in der Schweiz als Probleme bezeichnen, wird hier einfach als Herausforderung betrachtet.”

swissinfo, Jean-Michel Berthoud, Pretoria

Ausgrabungsprojekt Gladysvale:
Leiter: Dr. Peter Schmid, Universität Zürich
Hauptziel: Rekonstruktion von Lebensbedingungen und Umwelt des Australopithecus africanus.
Partner: Universität Zürich und Universität Witwatersrand, Johannesburg

Am 6. August 2002 haben der Schweizerische Nationalfonds (SNF) und die südafrikanische Stiftung für Forschungsförderung ein Abkommen geschlossen zur Förderung der wissenschaftlichen Beziehungen zwischen der Schweiz und Südafrika.

In der von den Präsidenten der beiden Organisationen, Prof. Heidi Diggelmann und Dr. Khotso Mokhele, unterzeichneten Vereinbarung geht es um den Austausch von Wissenschafterinnen und Wissenschaftern, bilaterale Seminare, gemeinsame Forschungsprojekte sowie den Austausch von Informationen und Erfahrungen.

Das schweizerisch-südafrikanische Ausgrabungsprojekt in den Höhlen von Gladysvale in der Provinz Gauteng wird vom SNF unterstützt.

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