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Arbeitslosenmagazin «Surprise» vor dem Ende?

72 Prozent der "Surprise"-Verkäufer sind Sozialhilfebezüger. Keystone

Das 14-täglich erscheinende Strassenmagazin, ein 1997 gegründetes Projekt zur Wiedereingliederung von Langzeitarbeitslosen, benötigt bis Ende Jahr zum Überleben 200'000 Franken.

700 Verkäuferinnen und Verkäufer des Magazins bangen um ihren Job.

Die Lage sei ernst, sagte Michele Alvaro, Geschäftsführer der Strassenmagazin Surprise GmbH, am Montag in Zürich. Wenn das finanzielle Loch bis Ende Jahr nicht gestopft werden könne, müsse das Projekt entweder verkleinert oder gar aufgeben werden.

Das Problem ist laut Alvaro die Betreuung der Verkaufenden, die immer intensiver und damit kostenaufwändiger wird: «Sie müssen ermutigt und begleitet werden, brauchen Gespräche, Hilfe bei Behördengängen und Alltagsproblemen,» sagte Alvaro.

An Grenzen gestossen

Obwohl die Zahl der Verkaufenden in den letzten drei Jahren etwa gleich geblieben war, stiessen die Vertriebsleiter an ihre Grenzen, und die Betreuung musste ausgedehnt werden. Doch die 615’000 Franken, die derzeit dafür aufgewendet werden, können laut Alvaro nur zu zwei Dritteln durch den Verkauf der Hefte gedeckt werden.

Wo möglich, wurde intern der Gürtel bereits enger geschnallt, etwa beim Management, im administrativen und redaktionellen Bereich. Wie Alvaro sagte, habe sich das Personal angesichts der Lage selber für Lohnkürzungen entschieden. Auch seien Stellenprozente gekürzt worden. Entlassungen habe es aber keine gegeben.

Trotz prekärer Lage zuversichtlich

Die «Surprise»-Verantwortlichen zeigten sich trotz der prekären Lage zuversichtlich. Um aber in einem Jahr nicht wieder vor dem selben Problem zu stehen, brauche es weitere Massnahmen.

Deshalb wurden bereits Verhandlungen mit den Sozialämtern in Basel, Bern und Zürich aufgenommen, um Leistungsaufträge für das «Surprise»-Programm zu erhalten. Ausserdem ist ein Projekt mit der Universität Basel geplant, um die Hauptprobleme der Verkaufenden zu untersuchen.

«Surprise» bot im vergangenen Jahr 700 Arbeitslosen einen Job. 140 konnten sich persönlich weiterentwickeln, 24 fanden eine neue Arbeit in der freien Marktwirtschaft. Durch den Heftverkauf erwirtschafteten sie 2,2 Millionen Franken. Die Hälfte davon floss direkt in ihre Taschen.

Auflage von 23’000

Das 30-seitige Heft erscheint zweimal im Monat und hat eine durchschnittliche Auflage von 23’000. Gemäss Wemf-Studie gewann «Surprise» dieses Jahr im Vergleich zum Vorjahr 11’000 Leserinnen und Leser. Das Strassenmagazin wurde als niederschwelliges Arbeitsangebot konzipiert und wird von einem Verein getragen.

swissinfo und Agenturen

Ende September 2006 betrug die Arbeitslosenquote in der Schweiz 3,1%
121’876 Personen waren arbeitslos, wovon 25’394 seit über einem Jahr.
Die Arbeitslosenversicherung deckt 70 bis 80% des zuletzt bezogenen Lohnes.
Jeder Arbeitslose hat – je nach Fall – Anrecht auf 260 bis 520 Taggelder.
Ausgesteuerte werden von der Sozialhilfe unterstützt.

«Surprise» ist nicht das einzige Strassenmagazin in der Schweiz, das sich um die Wiedereingliederung von Langzeitarbeitslosen bemüht.

In der Westschweiz existiert seit 1994 das Magazin «Objéctif Réussir», das ursprünglich als Wiedereingliederungs-Projekt für Drogenabhängige geplant war. In der Deutschschweiz heisst das Magazin «Treffpunkt Boulverad».

Auf internationaler Ebene gibt es seit 1994 das International Network of Streetpapers (INSP), dem 55 Strassenmagazine aus 30 Ländern angehören, darunter auch «Surprise».

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