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Autohersteller im Rennen gegen Klimaerwärmung

Der Toyota Prius fährt mit Benzinmotor und Elektromotor. Keystone

Der Genfer Autosalon präsentiert auch in diesem Jahr funkelnde Neuheiten in grellem Scheinwerferlicht. Im Kampf gegen die Klimaerwärmung glänzen bisher aber nur wenige Hersteller.

Die Klimaexperten mahnen zur Eile, die Hersteller sind immer noch auf Bummelfahrt, was Alternativen zum Verbrennungsmotor angeht.

Alle Welt spricht vom Klimaschutz, auch die Automobilindustrie, auch anlässlich des Genfer Automobilsalons. 80 Welt- oder Europaneuheiten locken das Publikum an die 77. Auflage in der Rhonestadt, die vom 8. bis 18. März dauert.

“Es gibt niemanden in dieser Schlüsselindustrie, der dem Klimaschutz nicht die gebührende Aufmerksamkeit widmet”, versicherte etwa Bernd Gottschalk, Präsident des deutschen Verbandes der Automobilindustrie.

Doch die Zeit der schönen Worte läuft ab: Vor einem Monat erklärten Wissenschafter im vierten Klimabericht der UNO, dass die Menschen an der Klimaerwärmung schuld seien, insbesondere durch Industrie, Verkehr und Heizungen.

Politik macht erstmals Druck

Ebenfalls vor einem Monat kündete die Kommission der Europäischen Union (EU) an, dass neue Autos ab 2012 nur noch 120 Gramm Kohlendioxid (CO2) pro Kilometer ausstossen dürften, was einem Verbrauch von fünf Litern pro Hundert Kilometern entspricht.

Die Botschaften scheinen an den Messeständen im Palais d’Expo noch nicht angekommen zu sein: Von den Premieren sind nur sechs mit einem Elektro- oder Alternativantrieb ausgerüstet.

Hoffnungen auf eine schnelle Trendwende durch einen “Wunderantrieb” sind fehl am Platz, wie Branchenkenner Philipp Mettler gegenüber swissinfo klarmacht. “99,9 Prozent aller Fahrzeuge fahren mit Verbrennungsmotor, daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern”, sagt der Analyst der unabhängigen Vermögensverwalterin Sustainable Asset Management (SAM) in Zürich, die Kunden berät, welche nachhaltig investieren wollen.

Auch werde es nicht eine einzige Technologie geben, welche punkto Klimaschutz den Durchbruch bringe, “sondern ein Zusammenspiel oder Nebeneinander mehrerer Technologien”.

Die Japaner

Bereits ausgereift sind Hybridantrieb, Elektromotor und der Betrieb mit Biodiesel, Bioethanol (E85) sowie Erd-/Flüssiggas. Brennstoffzellen und Wasserstoff-Antrieb dagegen sind noch nicht serienreif.

Auf dem Gebiet des Hybridantriebs sieht Mettler die Japaner klar im Vorteil. Der Prius von Toyota war das erste Serienfahrzeug, das neben dem herkömmlichen Benzinmotor mit Elektromotor fährt. Er wurde zum Renner.

“Toyota wird seine Leaderstellung noch einige Zeit behalten, aber Honda holt auf”, sagt Mettler. Hybridautos aus Europa und den USA dagegen werden nicht vor 2010 konkurrenzfähig sein.

Die Innovation hat aber ihren Preis: Ein Prius ist in der Schweiz 7000 bis 8000 Franken teurer als ein vergleichbares Mittelklasse-Modell.

Flexibles Tanken

Das Auto der Zukunft wird nicht mehr nur ausschliesslich mit Benzin oder Diesel fahren, sondern mit einem Mix, in dem je nach Region oder Angebot auch Biodiesel und Bioethanol getankt werden. Diese werden aus Mais, Raps, Getreide oder Zuckerrohr hergestellt. Limitierender Faktor ist hier aber die beschränkte Anbaufläche.

Weil der Verbrennungsmotor das dominierende Antriebskonzept ist, liegt dort laut Mettler das grösste Sparpotenzial, insbesondere beim Diesel. Ein Beispiel ist die BlueMotion-Technologie von VW, mit der das in Genf vorgestellte Mittelklassemodell Passat nicht mehr als fünf Liter pro 100 Kilometer verbrauchen soll.

Ideales Konzept vom Einsatz abhängig

Beim Dieselmotor attestiert Mettler die Führerschaft den französischen und deutschen Herstellern, doch die Japaner, allen voran Toyota, machen Boden gut.

Die Wahl des alternativen Antriebskonzeptes hänge stark vom Einsatzzweck des Wagens ab, sagt Mettler. Auf der Autobahn sieht er die grössten Einsparungen beim Diesel, weil der Hybrid viel Zusatzgewicht schleppen muss. Dieser ist dagegen im Stadtverkehr im Vorteil.

Innovation gut für Umwelt und Portemonnaie

Die Klimaerwärmung stellt die Autohersteller vor die grösste Herausforderung ihrer Geschichte. Die Ausgangslage präsentiert sich dabei äusserst unterschiedlich. Am besten positioniert sieht Mettler Toyota und Honda. “Toyota arbeitet am profitabelsten und ist in allen Forschungsbereichen sehr gut aufgestellt.”

In Deutschland hat Volkswagen sehr gute Karten, während sich Mettler über die Franzosen noch unsicher ist. “Die Amerikaner dagegen dürften grosse Probleme haben”, sagt der Schweizer Branchenkenner.

swissinfo, Renat Künzi

Kohlendioxid ist ein Treibhausgas, dessen Konzentration in den letzten Jahren mit extrem hoher Geschwindigkeit zugenommen hat.

CO2 entsteht bei der Verbrennung fossiler Energieträger, beispielsweise von Benzin und Diesel in Automotoren.

Es ist massgeblich an der Klimaerwärmung beteiligt, die u.a. zum Abschmelzen des Polareises, Überschwemmungen und schweren Stürmen führt.

In der Schweiz stammt rund einen Drittel des CO2-Ausstosses aus Auto-Auspuffen; 2005 waren das 17 Mio. Tonnen.

2002 verpflichteten sich die Schweizer Autoimporteure freiwillig, dass neue Personenwagen 2008 im Schnitt nur noch 6,4 Liter pro 100km verbrauchen. Sie liegen aber rund drei Jahre im Rückstand.

Seit 2000 ist das CO2-Gesetz in Kraft – der Grundstein für eine nachhaltige Energie- und Klimapolitik.

Damit soll bis 2010 der CO2-Ausstoss um 10% unter das Niveau von 1990 gesenkt werden.

Werden die Ziele mit freiwilligen Massnahmen verfehlt, kommt die CO2-Steuer. Diese ist im Parlament aber sehr umstritten.

Die Jungen Grünen Schweiz haben eine Initiative zum Verbot von Wagen mit hohem CO2-Ausstoss (Offroader) lanciert.

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