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Immer mehr Junge hängen von Sozialhilfe ab

Nach der Schule käme für die 16-Jährigen die Ausbildung. Doch viele fallen durchs Netz. Keystone

Professionelle Sozialhelfer ziehen die Alarmglocke: Viele Junge in der Schweiz machen den Schritt ins Leben ohne Ausbildung und enden bei der Sozialhilfe.

Die Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe verlangt deshalb eine koordinierte Strategie gegen Ausbildungs- und Beschäftigungs-Defizite bei den Jungen.

Für viele Jugendliche gerät der misslungene Einstieg ins Berufsleben zur Armutsfalle. Die Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe (SKOS) hat deshalb Vorschläge zur Bekämpfung von Ausbildungs- und Arbeitlosigkeit bei Jugendlichen veröffentlicht.

Es gehe nicht darum, neue Institutionen zu schaffen, sondern darum, die bestehenden Einrichtungen auf ein bestimmes Ziel neu aufeinander abzustimmen, sagte SKOS-Präsident Walter Schmid bei der Vorstellung der SKOS-Strategie am Mittwoch in Bern.

Obligatorische Ausbildungspflicht von 16 bis 18

Der bedeutendste Vorschlag dieses Pakets besteht darin, der obligatorischen Schulpflicht bis 16 Jahre eine obligatorische Ausbildungspflicht bis zum 18. Altersjahr folgen zu lassen. Nach dem 16. Altersjahr würden heute viele Jugendliche von den Statistiken nicht mehr erfasst.

Diese zwei zusätzlichen Ausbildungsjahre müssten nicht unbedingt nur aus Schule bestehen, sagte Schmid. Jugendlichen ohne Lehrstelle müssten aber in dieser Zeit beschäftigt werden, sonst würden viele durch die Maschen fallen.

Die Aufnahme einer unqualifizierten Arbeit an Stelle einer beruflichen Aus- oder Weiterbildung lehnt Schmid dagegen ab. Dies sei eine kurzfristige Sichtweise, auch wenn damit eine Ablösung von der Sozialhilfe erfolgen könne. Eine Ausbildung sei aus der Sicht des Sozialstaates eine Investition.

Staatliche Lehrstellen

Ein weiterer Vorschlag der SKOS besteht darin, dass der Bund – wie früher – die fehlenden Lehrstellen künftig wieder selber bereit stellt. Leistungsschwache Jugendliche sollten zudem die Möglichkeit erhalten, eine speziell zugeschnittene Ausbildung von zwei bis drei Jahren Dauer zu absolvieren.

Das individuelle Coaching von Jugendlichen ohne Lehrstelle oder Angebote, um nach der Schule die Bildungsfähigkeit zu verbessern, sind weitere Vorschläge der SKOS.

Integrations- statt Sozialhilfe

Ein wichtiges Element ist auch die Integration der Zugewanderten. Vor allem bei jungen Frauen mit Migrations-Hintergrund sei die Sozialhilfequote hoch.

Mit 3,9% weist die Alterskategorie der 18- bis 25- Jährigen laut SKOS die zweithöchste Sozialhilfequote aus. Nur bei den Kindern liegt dieser Wert mit 4,4% noch höher. Die Sozialhilfequote der Gesamtbevölkerung liegt in der Schweiz bei 3,0%.

Schon im Vorschulalter beginnen

Zur Früherkennung von möglichen Sozialfällen soll laut SKOS auch der Lebenslauf miteinbezogen werden. Meist seien bereits die Eltern von gefährdeten Jugendlichen von der Sozialhilfe abhängig.

Vorgeschlagen werden Einrichtungen im Vorschulalter, in denen Kommunikations- und Sozialkompetenzen frühzeitig erworben werden können.

Misslinge später eine Ausbildung oder der Einstieg ins Berufsleben, so bedeute dies vielfach den Anfang eines Sozialfalles. Wenn ein Jugendlicher zu einem Sozialfall werde, sei es aber meist schon zu spät, um noch positive Veränderungen herbeizuführen.

Laut SKOS-Präsident Walter Schmid ist der Zeitpunkt für die Umsetzung dieser Strategie günstig. Die Wirtschaft floriere und habe einen grossen Bedarf an qualifizierten jungen Menschen.

Entscheidend sei, ob sich auch Unternehmen und Betriebe für diese Strategie gewinnen lassen.

swissinfo und Agenturen

2004 bezogen rund 220’000 Personen Sozialhilfe. Dies entspricht 3% der Schweizer Bevölkerung.
Fast die Hälfte dieser Bezüger lebt in Städten.
43,7% der Bezüger waren Ausländer.
63% der Jungen ohne berufliche Qualifikation hängen von Sozialhilfe ab.

Basel-Stadt hat im Oktober 2006 ein Massnahmen-Paket beschlossen, das neue Ansätze bei der Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit testet.

Dabei gehen alle beteiligten Stellen koordiniert und nachhaltig vor.

Ähnlich wie die SKOS-Vorschläge wird schon im Vorschulalter begonnen. Gefährdete Kinder sollen erfasst und gefördert werden.

Der 2. Schritt passiert in der Schnittstelle zwischen obligatorischer Schulzeit und nachfolgender Phase.

In einem 3. Bereich geht es um Fälle mit gescheiterter oder gefährdeter beruflicher Integration.

Den Jungen soll nicht voraussetzungslos von der Sozialhilfe Geldbeträge ausbezahlt werden.

Leistungskürzungen und –einstellungen sollen möglich sein, wenn der Empfänger zumutbare Eigenleistungen verweigere.

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