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Börse für Alpentransit als taugliches Mittel

Für Güter die Bahn und nicht mehr der Schwerverkehr, lautet das Ziel der Alpentransit-Börse. Keystone

Wie den Güterverkehr von der Strasse auf die Schiene bringen? Mit einer Alpentransit-Börse für den Schwerverkehr, sagen Experten.

Jetzt ist der Bundesrat gefragt, denn die Schweiz hinkt dem gesetzlich verankerten Verlagerungs-Auftrag arg hinterher.

Die Schweiz baut zwei Eisenbahntunnels durch Gotthard und Lötschberg, die Neue Eisenbahn-Alpentransversale (NEAT). Die milliardenschweren Grossprojekte allein genügen aber noch nicht, um den Gütertransport auf der Nord-Südachse von der Strasse auf die Schiene zu bringen, wie dies das Schweizer Gesetz vorsieht.

Alpen- und Umweltschützer fordern deshalb seit langem das Instrument einer Transitbörse für Lastwagenfahrten durch die Alpen. Nun haben sich erstmals Experten dazu geäussert.

Eine solche Transitbörse ist technisch machbar und wirtschaftlich verträglich, kommen diese in ihrem Bericht zum Schluss, der am Donnerstag vorgestellt wurde.

Gesetzlich verankert

Ziel der Alpentransit-Börse (ATB) ist die im Verlagerungsgesetz vorgesehene Reduktion des alpenquerenden Schwerverkehrs. Das Gesetz verlangt bis 2009 eine Reduktion auf 650’000 Fahrten.

Die Schweiz ist von ihrem Verlagerungsziel aber noch weit entfernt. Im Jahr 2003 durchquerten 1,3 Mio. Lastwagen die Alpen, das Verlagerungsziel verlangt aber eine Reduktion auf die Hälfte.

Laut Verkehrsminister Moritz Leuenberger lässt sich das Verlagerungsziel denn auch nur mit zusätzlichen Massnahmen erreichen. Als Möglichkeiten nannte er neben der ATB günstigere Güterbahnpreise, die Erhöhung der Leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe (LSVA) oder Tunnelgebühren.

Zwei Modelle

Im Auftrag des Schweizerischen Verbandes der Strassen-und Verkehrsfachleute (VSS) haben zwei Planungsbüros nun zwei verschiedene ATB-Modelle untersucht. Die “Cap-and-Trade” genannte Variante will die alpenquerenden Gütertransporte mit der Zuteilung einer limitierten Zahl von Transitrechten beschränken.

Diese Rechte könnten kostenlos abgegeben, zu einem festen Preis verkauft oder versteigert werden. Nach der Zuteilung wären sie frei handelbar. “Das Modell führt zu einer Verteuerung der Strassentransporte und einer Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene”, schreiben die Planer in dem Bericht.

Nicht EU-konform

Bei einer Beschränkung auf 650’000 Fahrten liege der Preis für ein Durchfahrtsrecht im Jahr 2009 schätzungsweise bei 200 Fr. Eine bedeutende Mehrbelastung der Wirtschaft würde sich daraus nicht ergeben.

Die Verkehrsexperten warnen jedoch davor, dass das Modell eine Änderung des Landverkehrsabkommens mit der EU nötig machen würde. Zudem könnten viele Lastwagen eine Route durch ein Nachbarland wählen, wenn die Massnahme auf die Schweiz beschränkt bleibe.

Nur gegen Stau

Beim zweiten Modell könnten die Transporteure Durchfahrtsrechte für ein bestimmtes Zeitfenster (Slot) erwerben. Lastwagen ohne Reservation müssten länger im Stau stehen.

Der Preis für die Slots würde dem Markt überlassen, so dass zu Spitzenzeiten eine rasche Durchfahrt teurer würde. Dieses System erlaube es, die Strassenkapazitäten effizienter zu nutzen und Staus zu vermeiden. Eine Reduktion der Fahrten würde mit diesem Modell aber kaum erreicht.

Politisch heikel

Damit ist vorerst die technische und betriebliche Umsetzbarkeit festgestellt, aber nicht die politische. Der am Donnerstag veröffentlichte Bericht soll in die Botschaft zum neuen Güterverkehrsgesetz einfliessen, das voraussichtlich im Herbst in die Vernehmlassung (Konsultations-Verfahren) geht.

Die Fronten dürften dann ähnlich verlaufen wie beim Reservations-System am Gotthard, das schon in der Konsultation am Widerstand von Bürgerlichen, Kantonen und Transportindustrie gescheitert war. Umwelt-und Alpenschutzverbände dagegen hatten das Reservations-System als Vorstufe der ATB betrachtet.

Beifall der Alpenschützer

Die Alpen-Initiative, die eine ATB angeregt hatte, bezeichnete die Studie als “wichtigen Schritt vorwärts”. Jetzt müsse der Bundesrat grünes Licht für die Umsetzung geben, heisst es in einer Medienmitteilung der Organisation.

Die politische Bewertung der Börse ist nun Sache des Bundesrats. Die Idee werde sowohl auf nationaler wie auch auf internationaler Ebene vorerst weiterverfolgt, heisst es in einer Mitteilung des Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK).

Im Herbst will der Bundesrat das neue Güterverkehrsgesetz, welches das heutige Verkehrsverlagerungs-Gesetz ablöst, in Konsultation schicken.

swissinfo und Agenturen

2003 durchquerten 1,3 Mio. Lastwagen die Alpen.
Laut geltendem Verkehrsverlagerungs-Gesetz dürfen es 2009 nur noch halb soviel sein (650’000).
Die Durchfahrt wird dann rund 200 Franken kosten.
Die Leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe ist das erste Instrument, um den Güterverkehr von der Strasse auf die Schiene zu verlagern.
Im Herbst schickt der Bundesrat das neue Güterverkehrsgesetz in die Vernehmlassung. Es könnte eine Alpentransit-Börse oder ein effizientes Reservations-System enthalten.

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