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Briefwahl sei Dank

Auch von Hongkong aus können Schweizer und Schweizerinnen auf dem Postweg abstimmen. swissinfo.ch

Seit 10 Jahren können Auslandschweizer dank der Briefwahl viel einfacher an Abstimmungen und Wahlen in der Heimat teilnehmen. Nächstes Ziel: Der Druck auf den Knopf im Internet.

Seit dem 1. Juli 1992 können die Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer am politischen Leben der Schweiz teilnehmen, ohne deswegen in ihre ursprüngliche Heimat reisen zu müssen. Dank einer Motion des früheren freisinnigen Zuger Nationalrats Georg Stucky wurde 1992 das briefliche Stimm- und Wahlrecht für Schweizer Staatsangehörige eingeführt, die im Ausland leben.

“Die Auslandschweizer wollten vollumfängliche Bürger sein und aktiv an den politischen Entscheiden teilnehmen”, sagt Rudolf Wyder, Direktor des Auslandschweizer-Sekretariats, gegenüber swissinfo. “Es ist auch richtig”, findet Wyder, “dass diese grosse Gruppe an Schweizer Bürgern (knapp 600’000) diese Möglichkeit hat und somit am politischen Leben teilhaben kann.”

Gleiche Rechte für Alle

Das Stimm- und Wahlrecht für Auslandschweizer hätte ohne den nachhaltigen Einsatz von Georg Stucky nie das Licht der Welt erblickt. Dieser hatte selbst auch im Ausland gelebt und ist seit 1998 Präsident der Auslandschweizer-Organisation (ASO).

Die Idee zu seiner Motion war ihm gekommen, nachdem der Bundesrat den Familienangehörigen von Schweizer Diplomaten das Briefwahlrecht eingeräumt hatte. “Meiner Ansicht nach sollten alle Schweizer im Ausland dieses Recht haben”, erinnert sich Stucky.

Interesse an der Heimat

Diese Auffassung teilt Robert Engeler, Mitglied des Auslandschweizer-Rates und Präsident der Schweizervereine in Italien. Seiner Ansicht nach ist das Interesse der emigrierten Schweizer am politischen Leben im Heimatland in den letzten 10 Jahren stark angestiegen.

Als die Möglichkeit der brieflichen Stimmabgabe 1992 eingeführt wurde, waren aus der ganzen Welt 14’000 Personen in die Stimmregister eingeschrieben. Inzwischen ist die Zahl auf über 80’000 angewachsen, also gegen einen Fünftel insgesamt. “Das hat unsere Erwartungen weit übertroffen”, sagt Georg Stucky. Insgesamt gibt es rund 400’000 stimm- und wahlberechtigte Auslandschweizer und Auslandschweizerinnen.

100’000 im Visier

“Wir haben uns das Ziel gesetzt, die Schwelle von 100’000 Wählern zu erreichen”, fügt Stucky an. Es handle sich um eine symbolische Zahl, sagt Stucky unter Hinweis darauf, dass es für das Zustandekommen einer Volksinitiative 100’000 Unterschriften braucht.

Die Auslandschweizer machen von ihrem Stimm- und Wahlrecht jedenfalls regen Gebrauch. Die Beteiligung liegt regelmässig 15 bis 25 Prozent über dem landesweiten Mittel.

Schweizer in Italien aktiv

So nutzen zum Beispiel die in Italien lebende Schweizerinnen und Schweizer ihr Stimm- und Wahlrecht ziemlich aktiv. Aus welchem Grund? Roberto Engeler: “Der Anteil von Emigranten, die in den letzten 20 bis 30 Jahren gekommen sind, ist sehr hoch. Das bedeutet umgekehrt, dass viele dieser Personen einen grossen Teil ihres Lebens in der Schweiz verbracht haben.”

Dazu kommt die geografische Nähe Italiens zur Schweiz. Dies ermöglicht auch häufigere Besuche in der Heimat und damit mehr Verbundenheit, als sie etwa jemand habe, der in Neuseeland lebe.

E-Voting als nächstes Ziel

Die elektronische Stimmabgabe ist für die Auslandsschweizer-Organisation ASO eines der nächsten Ziele. Denn die kontinuierlichen Verspätungen bei der Post haben sich offenbar auf die potentiellen Wählerinnen und Wähler demotivierend ausgewirkt.

Bevor das E-Voting eingeführt wird, werden aber noch einige Jahre vergehen. Wyder selber schätzt, dass es insgesamt noch 15 bis 20 Jahre dauern wird. Neben den notwendigen technologischen Entwicklungen (Sicherheit/Datenschutz) müsste man auch die kommunalen Stimmregister kantonal vereinheitlichen, sagt Wyder weiter.

Wie funktioniert es heute?

Um brieflich vom Ausland her die politischen Rechte wahrzunehmen, müssen sich Auslandschweizer entweder schriftlich oder durch persönliche Vorsprache bei einer offiziellen Schweizer Vertretung anmelden. Beim Konsulat oder der Botschaft wird angegeben, in welcher Gemeinde die Stimmabgabe erfolgen soll. Als Stimmgemeinde sind die Heimat- oder die frühere Wohnsitzgemeinde möglich.

In den ersten Jahren konnten die Auslandschweizer nur bei nationalen Vorlagen ihre Stimme abgeben (eidgenössische Wahlen und Volksabstimmungen). Sieben Kantone führten aber unterdessen das Stimm- und Wahlrecht für Auslandschweizer auch für kantonale Urnengänge ein.

Die Zahl der Schweizerinnen und Schweizer, die bei einer diplomatischen oder konsularischen Vertretung angemeldet sind, ist in den vergangenen Jahren stetig gestiegen. Vor einem Jahr lag sie bei 591’660. Dies sind rund 137’000 mehr als 1990. Rund 70% von ihnen haben eine doppelte Staatsbürgerschaft.

Der Grossteil der Auslandschweizer (59,6%) lebt in Staaten der Europäischen Union. Die grösste Gemeinschaft befindet sich in Frankreich (154’730), gefolgt von Deutschland (68’564) und Italien (42’258). Ausserhalb Europas leben die meisten Auslandschweizer in den USA (68’821), Kanada (35’177) und Australien (19’536).


Übertragung aus dem Italienischen: Gerhard Lob

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