Adieu Solidaritäts-Stiftung?

Die "Stiftung Solidarität Schweiz" hätte "ein zukunftsweisender Beitrag für eine solidarische Schweiz sein sollen". Jetzt droht sie, beerdigt zu werden.
Runde um Runde dreht die Solidaritäts-Stiftung in den eidgenössischen Räten. Letzter Coup der Grossen Kammer: Das Stiftungs-Gold soll nach 30 Jahren zu je einem Drittel der AHV, den Kantonen und dem Bund zugute kommen, falls Volk und Stände beschliessen, die Solidaritäts-Stiftung nicht weiter zu führen. Doch unter der Bundeshauskuppel wird eifrig taktiert.
Langer Leidensweg
Am 5. März 1997, genau vor 5 Jahren, gab der damalige Bundesrat Arnold Koller die Stiftung bekannt. Sie sollte Menschen in Not und Elend helfen, Armut und Gewalt bekämpfen – im In- und Ausland. Die Idee dafür entstand mitten in der hitzigen Diskussion um nachrichtenlose Vermögen und Raubgold.
Um die Stiftung zu finanzieren, hätten die überschüssigen Goldreserven der Nationalbank mobilisiert werden sollen. 1300 Tonnen Gold versilbert, würden einen jährlichen Ertrag von über 700 Mio. Franken abwerfen.
Daraus wurde in der parlamentarischen Beratung nur noch ein Drittel. Die zwei anderen Drittel sollen der AHV und den Kantonen zufliessen – Millionen wurden der Stiftung also schon abgezwackt.
Wohin mit dem Goldschatz danach?
30 Jahre soll die Stiftung mindestens leben. Der Ständerat wollte den Goldschatz zu zwei Dritteln den Kantonen und zu einem Drittel dem Bund zuschanzen. Die Grosse Kammer hingegen wollte ursprünglich die Barren in ihrer Fülle einzig und allein der AHV zukommen lassen.
Dies gegen den Willen der Schweizerischen Volkspartei (SVP), welche die Stiftung sowieso verhindern will und das Gold von Beginn weg mit ihrer «Goldinitiative» der AHV ins Kässeli legen möchte.
Opfer Solidaritäts-Stiftung
Der Freisinn will die Goldinitiative der SVP partout verhindern. Dabei will die Hälfte der Abgeordneten in Kauf nehmen, dass die Solidaritäts-Stiftung auf der Strecke bleibt. Heisst: Gegen die Stiftung stimmen. Diese ist weniger wichtig als die Absage an die Goldinitiative.
Hinzu kommt, dass die finanzielle Lage der öffentlichen Hand sich seit dem Swissair-Grounding verschlechtert hat und die Aussichten düster sind. Deshalb findet dieser Teil des Freisinns, dass eine solche Stiftung angesichts der prekären Lage nicht mehr verantwortbar sei. Ein weiterer Grund für ein Nein.
Freisinn in der Zwickmühle
Doch der Freisinn hat ein Problem: Sein Finanzminister, Kaspar Villiger, steht hinter der Idee der Stiftung. Offene Opposition ist ungünstig. Bleibt noch die Taktik: Ein Geschäft kann zweimal in jedem Rat behandelt werden. Bestehen danach noch Differenzen, wird eine Einigungskonferenz einberufen. Scheitert diese, stirbt das Geschäft.
Zweimal war die Solidaritäts-Stiftung nun schon im Nationalrat und kommt nun auch zum zweiten Mal in die Kleine Kammer. Diese vertritt die Interessen der Kantone. Ob sich die Vertreter und Vertreterinnen mit einem statt zwei Dritteln des Goldschatzes zufrieden geben werden? Wahrscheinlich schon. Dann müsste die Stiftung noch die Hürde der parlamentarischen Schlussabstimmung und die der Zustimmung des Volkes nehmen.
Schwenkt die Kleine Kammer jedoch nicht auf den Vorschlag der Grossen ein, so kann nur noch die Einigungskonferenz die Stiftung retten. Ansonsten würde sie elegant begraben – ohne, dass sich jemand direkt die Finger schmutzig gemacht hätte oder der Finanzminister desavouiert worden wäre.
Beerdigungs-Variante Nummer 2
Zweite Möglichkeit die Solidaritäts-Stiftung zu bodigen, ist also die Schlussabstimmung am letzten Freitag der Session. Hier könnten Volksvertreter und -vertreterinnen schlicht und einfach Nein stimmen. Vertreter des Freisinns haben bereits öffentlich gegen die Stiftung geschossen. Das Geld solle den Kantonen zukommen.
Bei der Vizepräsidentin der CVP, Doris Leuthard, löst dies Kopfschütteln aus. Es gebe so viele Synergien zwischen der Stiftung und den Kantonen. Die innenpolitische Wirkung werde unterschätzt. Kantone würden durch Projekte der Stiftung entlastet, so bestimmt bei den Ergänzungsleistungen zur AHV, bei Sozialleistungen und auch weil die Stiftung Projekte der öffentlichen Hand finanzieren könne. Doch genau hier zeige sich der Mangel der Stiftung, so Leuthard gegenüber swissinfo.
Obwohl die CVP in Sachen Solidaritäts-Stiftung nochmals über die Bücher geht, verabschieden sich die deutschschweizer Vertreter nicht von der Stiftung, ist Leuthard überzeugt. Die Romands hingegen werden, laut Gerüchten, Nein stimmen.
Clinch der Sozialdemokraten
Für die Sozialdemokratin Regine Aeppli ist klar: Nach dem Kompromiss im Nationalrat schafft es die Solidaritäts-Stiftung.
Aber die SP – die Linke überhaupt – hat ein Problem: Die Idee, das gesamte Gold der AHV zukommen zu lassen, ist ihr nicht unsympathisch, denn die AHV sei das «Sozialwerk der Sozialwerke», so Aeppli. So werden einige Sozialdemokraten auch der «Goldinitiative» der SVP zustimmen – trotz unheiliger Allianz.
Der rote Teppich für die SVP
Im ganzen Trauerspiel um die Solidaritäts-Stiftung kann sich die SVP mit ihrer Goldinitiative ins Fäustchen lachen. Stirbt die Stiftung, stehen die Chancen für ihre Initiative umso besser. Denn Gold für die AHV ist dem Volk sowieso einfacher zu vermitteln, als eine abstrakte Solidaritäts-Idee.
Rebecca Vermot

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