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Ilisu-Staudamm: Grünes Licht für Exportrisikogarantie

Dorf im Tigris-Tal, das vom Staudamm-Projekt bedroht ist. Keystone

Die Schweizer Regierung hat vier Schweizer Firmen eine Exportrisikogarantie von 225 Mio. Franken für den Ilisu-Staudamm in der Türkei grundsätzlich zugesagt.

Während sich Schweizer Unternehmen erfreut zeigten, kritisierten Nichtregierungs-Organisationen den Entscheid des Bundesrates.

Der Bundesrat habe den Firmen Alstom, Colenco, Maggia und Stucky die Zusage in der Überzeugung gegeben, dass das Projekt gemäss internationalen Standards realisiert werden könne, sagte Wirtschaftsministerin Doris Leuhard vor den Medien. Der Entscheid sei nicht leichtfertig gefallen.

Die vom Bundesrat gestellten Bedingungen stützen sich laut Leuthard auf die Vereinbarungen der OECD über Umwelt und Exportkredite von 2001, die auf Weltbank-Standards beruhen. Im Projekt Ilisu lägen die relevanten Aspekte in den Bereichen Umsiedlungen, Kulturgüter, Ökologie und Anrainerstaaten.

Das Vorgehen wurde mit Deutschland und Österreich, das die Federführung hat, koordiniert. Zusammen mit allen Beteiligten und mit Unterstützung unabhängiger Umweltexperten seien rund 100 flankierende Massnahmen zum Projekt ermittelt worden. Diese seien von der Türkei akzeptiert worden.

Umsiedler unterstützen

Rund 25 dieser Bedingungen müssten zufriedenstellend erfüllt sein, bevor eine endgültige Garantie erteilt werde, sagte Leuthard. So müssten die Lebensgrundlagen der Menschen, die wegen des Stausees umgesiedelt werden, auf neuem Landwirtschaftsland wiederhergestellt werden.

Weiter müssten die gesetzlichen Grundlagen vorliegen, um von der Überflutung bedrohte historische Bauten in einem “Kulturpark” an anderer Stelle zu retten.

Der Bundesrat habe auch die positiven Auswirkungen des Auftrags auf den Wirtschaftsstandort Schweiz und die Entwicklung der Türkei berücksichtigt, sagte Leuthard. Die Aufträge sicherten den Schweizer Firmen 390 Personenjahre Arbeit und unterstützten deren Position als weltweit führende Wasserkraftbauer.

Appelle gegen Garantie

Anfang August hatte die türkische Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan das Startsignal für den Bau der 1820 Meter langen und 135 Meter hohen Staumauer gegeben. Der Ilisu-Stausee am Tigris nahe der Grenze zu Syrien und Irak wird über 300 Quadratkilometer Land überschwemmen.

Mit dem Bau müssten Zehntausende Menschen umgesiedelt werden. Die archäologisch bedeutende Stadt Hasankeyf würde überschwemmt. In der Schweiz haben entwicklungspolitische Organisationen mehrmals an den Bundesrat appelliert, für Ilisu keine Exportrisikogarantie zu gewähren.

Kritik von Entwicklungsorganisationen

Die Erklärung von Bern (EvB) ist enttäuscht über die grundsätzliche Zusage. Denn die Türkei habe noch nicht bewiesen, dass sie willens sei, die über 100 Auflagen zum Erreichen der Weltbankstandards zu erfüllen, sagte Christine Eberlein im Namen der entwicklungspolitischen Organisation.

Auch die Arbeitsgemeinschaft der Schweizer Hilfswerke, Alliance Sud, kritisiert den Entscheid. Der Bundesrat habe die Zusage gemacht in der Hoffnung, die Auflagen und Bedingungen würden erfüllt, sagte Direktor Peter Niggli. “Doch daran glaubt niemand.”

Schweizer Unternehmen erfreut

Erfreut über den Entscheid des Bundesrates zeigt sich dagegen der Industriekonzern Alstom, der neben den Firmen Colenco, Maggia und Stucky von der Exportrisikogarantie profitiert.

Alstom Schweiz sei erfreut, dass mit der Güterabwägung die Bedeutung der Lieferung und der Ingenieurleistungen für die Schweizer Industrie berücksichtigt und gewürdigt worden sei, sagte Pressesprecherin Simone Ramser. Der Entscheid des Bundesrates bedeute ein weiterer Meilenstein zur Realisierung des Projekts.

swissinfo und Agenturen

Der Ilisu-Staudamm ist Teil eines grossen Projektes zur Elektrizitätsgewinnung, das die Türkei 1991 in Angriff nahm.
Geplant sind 22 Dämme und 19 Kraftwerke an den Flüssen Euphrat und Tigris.
Der Ilisu-Damm wird 135 Meter hoch und 1820 Meter lang. Der Stausee wird 10,4 Mrd. Kubikmeter Wasser fassen.

Die ERG wurde 1934 gegründet; sie ist heute in mehr als 150 Staaten tätig.

Schweizer Exporteure können sich bei der ERG gegen Exportrisiken versichern, die private Versicherer kaum oder nur selektiv anbieten.

Im September 2004 hat die Regierung die ERG revidiert und auf private Geschäfte ausgeweitet.

Die ERG hatte in den 1990er-Jahren punktuell auch Schweizer Exportlieferungen versichert, die ökologisch und sozial umstritten waren.

Dazu gehörten die Grossstaudamm-Projekte in China (Dreischluchten) und in der Türkei (Ilisu).

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