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Internet-Fahndung Ja – Internet-Pranger Nein!

Übernimmt heute das Internet die Funktion des früheren Prangers? Wikipedia

Randalierende Hooligans, Passanten, die von Schlägerbanden verprügelt werden: Die Suche nach den Tätern ist meist schwierig. Lichtschimmer am Fahndungshorizont ist die Ermittlung via Internet. Es gibt aber auch Gründe zur Skepsis.

In letzter Zeit haben kantonale Polizeibehörden Fahndungserfolge feiern können, weil sie Bilder oder Filme von gesuchten Hooligans oder Schlägern im Internet veröffentlichten. So wurden auch die drei Schläger, die am Auffahrtswochenende im Thurgau zwei Männer verprügelt hatten, bald nach der Veröffentlichung des Videos im Internet gefasst. In anderen Fällen haben sich Ausgeschriebene selber gemeldet.

Verteidigungsminister Ueli Maurer hat in der Zeitung Sonntag vorgeschlagen, mit Hilfe des Internets die Chaoten zu de-anonymisieren, sie also im weltweiten Netz an den Pranger zu stellen. «Es darf von einem Arbeitgeber nicht mehr toleriert werden, dass ein Mitarbeiter übers Wochenende als Chaot in oder um Stadien seine Freizeit verbringt und am Montag in der Krawatte wieder am Arbeitsplatz erscheint.»

Strikte Trennung

Eliane Schmid, Sprecherin des Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten (Edöb), verlangt eine strikte Trennung zwischen der Internet-Fahndung und einem Pranger. «Ein Pranger ist ein Zurschaustellen als Strafmassnahme, zur Diffamierung, zur Demütigung.»

Das ist aus der Sicht des Datenschutzes nicht tolerierbar. «Wenn aber wichtige Güter auf dem Spiel stehen wie die öffentliche Sicherheit, die öffentliche Ordnung oder sogar Leib und Leben wie bei den Schlägern im Thurgau, dann widersetzt sich der Datenschutz einer Internet-Fahndung nicht», so Schmid.

Erst wenn die Polizei alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft hat, die Täter aber nicht ermitteln konnte, stimmt Eliane Schmid einer Internet-Fahndung zu. Diese dürfe lediglich dazu dienen, die gesuchten Personen zu identifizieren. «Die Person darf zur Zeit der Veröffentlichung nicht schon bekannt sein, sonst haben wir eben einen Pranger. Das ist mittelalterlich und nicht im Interesse irgendwelcher Behörden.»

Verhältnismässigkeit

Eliane Schmid hält nichts vom flächenmässigen Einsatz von Videos oder Bildern aus öffentlichen Räumen, um beispielsweise gegen Ladendiebstähle vorzugehen. «Das wäre unverhältnismässig.» Zum Veröffentlichen von Aufnahmen aus öffentlichen Räumen brauche es eine gesetzliche Grundlage.

Früher seien Fahndungsplakate aufgehängt worden, erklärt Schmid. Das sei eine lokale Massnahme gewesen. Entfernte man das Plakat, war die Sache vorbei. «Was aber im Internet gespeichert ist, kann im Normalfall nicht völlig getilgt werden. Deshalb muss eine Internet-Fahndung durch schwere Verstösse gerechtfertigt sein.»

Private Diffamierungen

Es ist tatsächlich so: Man muss keine kriminellen Handlungen begangen haben, um sich an einem Internet-Pranger zu finden. So gibt es in der Schweiz Internetseiten, auf denen man zum Beispiel Lehrer oder Ärzte benoten kann.

Natürlich hat es immer Bewertungen gegeben, so werden an Universitäten Vorlesungszyklen oder in Restaurants die Qualität von Speisen oder des Service bewertet. Dies ist laut Schmid in Ordnung, da die Kritik zur Weiterentwicklung des Produkts diene.

Mit einer Veröffentlichung im Internet wird die Kritik jedoch anonymisiert. Damit wächst das Risiko von wenig qualifizierten oder aus persönlichen Gründen diffamierenden Kommentaren. Hier sehen die Datenschützer Probleme, «denn gegen solche Diffamierungen kann man sich schwer zur Wehr setzen», so Schmid.

Und diese Tendenz nimmt zu. In den USA gibt es unter vielen anderen eine Seite, auf der Frauen ihre untreuen Liebhaber an den Pranger stellen können – mit Foto, Adresse und Telefonnummer.

Die Datenschützerin ortet aber noch ein weiteres Problem: «Bei einer Evaluationsseite einer Berufsgattung kann es sein, dass eine betroffene Person gar nicht weiss, dass sie evaluiert wird. Das ist gegen das Datenschutzgesetz, denn es dürfen nur Personendaten bearbeitet werden, wenn dies für mich als betroffene Person erkennbar ist.»

Grenzen des Rechts

Wer das Gefühl hat, dass eine Webseite die eigene Persönlichkeit tangiert, kann einfach intervenieren, wenn die Webseite in der Schweiz gehostet wird. «Hier stehen einem die Schweizer Rechtsmittel zur Verfügung», erklärt Schmid. «Man kann sich als betroffene Person an die Seitenbetreiber wenden und ein Löschungsbegehren stellen. Wird diesem nicht entsprochen, kann man an ein Schweizer Gericht gelangen, welches dann feststellt, ob man in seiner Persönlichkeit verletzt ist.»

Befindet sich die beanstandete Webseite jedoch im Ausland, wird es schwierig. Es gibt zwar ein internationales Privatrechtsgesetz, mit dem man versuchen kann, entsprechende Massnahmen in einem anderen Land durchzusetzen. «Das angeklagte Delikt muss aber im anderen Land auch strafbar sein», sagt Schmid.

Etienne Strebel, swissinfo.ch

Wer für Google Street View erkennbar auf der Strasse aufgenommen wird, soll die Veröffentlichung der Bilder im Internet verhindern können, fordert Privatim, die Vereinigung der schweizerischen Datenschutz-Beauftragten.

Bei den Bildaufnahmen für Google Street View müsse Google die Grundsätze des Datenschutzes und die Individualrechte berücksichtigen. Dies sei im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern in der Schweiz noch nicht der Fall.

Betroffene müssten zumindest ihr Widerspruchsrecht wahrnehmen können, und zwar vor der Veröffentlichung der Aufnahmen. Es geht darum, dass auf die Person bezogene Informationen aus der Datenbank gelöscht werden, bevor die Aufnahmen veröffentlicht werden.

Personenbezogene Informationen sind laut Privatim Gesichter, Fahrzeuge, Gebäude und Hausnummern. Google müsse deshalb vor Aufnahmen die Öffentlichkeit informieren.

Nachdem die Berner Kantonspolizei Bilder von Krawallmachern rund um den Cupfinal vom 20. Mai ins Internet gestellt hatte, gingen verschiedene Hinweise ein. Drei mutmassliche Straftäter stellten sich freiwillig der Polizei.

Sobald die Identität zweifelsfrei feststeht, werden die Bilder der betroffenen Person vom Internet genommen, wie das zuständige Untersuchungs-Richteramt und die Kantonspolizei Bern am Dienstag mitteilten.

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