Irak-Krieg: Fast nur Linke protestierten
Die grosse Mehrheit der Schweizerinnen und Schweizer war gegen den Krieg der USA im Irak.
An den grossen Demonstrationen in der Schweiz im Februar und März beteiligten sich aber fast ausschliesslich Menschen, die politisch links stehen.
Die Schweizer Friedensbewegung ist klar eine linke Bewegung, hält eine Studie über die Anti-Irakkrieg-Demonstrationen fest. «Das ist insofern überraschend, als fast die ganze Bevölkerung in der Schweiz den Krieg ablehnte», sagt Michelle Beyeler, Mitarbeiterin am Institut für Politikwissenschaft der Universität Zürich.
Beyeler ist verantwortlich für den Schweizer Teil einer internationalen Vergleichsstudie. Untersucht wurden Sozialstruktur, politisches Profil und Teilnahmemotivation der Demonstrierenden. Die Schweizer Studie basiert weitgehend auf der schriftlichen Befragung von über 600 Teilnehmenden der Demonstration vom 15. Februar in Bern.
Klare Linkspräferenz
Jetzt liegen die definitiven Ergebnisse vor. Gemäss der Befragung wählen 90 Prozent eine Partei des linken Spektrums. Nur drei Prozent gaben an, für die Christlichdemokratische Volkspartei (CVP), die Freisinnigen (FDP) oder die Schweizerische Volkspartei (SVP) zu stimmen.
Für die sehr kleine Beteiligung von Bürgerlichen hat die Politologin Beyeler eine Vermutung: Die Ausschreitungen von Gegnern des Weltwirtschaftsforums (WEF) Ende Januar in Bern hätten viele Nicht-Linke davor abgeschreckt, an den Anti-Krieg-Demonstrationen teilzunehmen. Zudem hätten durchwegs linke Gruppierungen zur Kundgebung aufgerufen.
Jugendliche, Staatsangestellte, Akademiker
Die Befragung ergab, dass Jugendliche, Angestellte des öffentlichen Sektors, Akademiker sowie politisch Interessierte und vor allem politisch links Stehende an den Demonstrationen überdurchschnittlich präsent waren. Von den Befragten beteiligte sich rund ein Viertel erstmals an einer Demonstration. Die Sozialstruktur gleicht jener von früheren Friedensdemonstrationen.
Wieweit Jugendliche durch den anstehenden Krieg politisiert wurden oder sogar eine neue Jugendbewegung entstand, lässt sich auf Grund der Studie nicht sagen. Aus der Befragung geht laut Beyeler aber hervor, dass jüngere Menschen Aktionsformen bevorzugen, welche der Manifestation einer bestimmten politischen Meinung dienen. Hierzu zählt die Teilnahme an Demonstrationen.
Gegen US-Krieg wegen Öl und Macht
Fast vier von fünf Befragten gaben an, dass auch eine Zustimmung des UNO-Sicherheitsrats kein Rechtfertigungsgrund für den Krieg gewesen wäre. Sie waren auch der Ansicht, dass die USA den Krieg auf Grund nationaler Ölinteressen und imperialistischer Motive führen wollten. Mit solchen Meinungen überschneidet sich die Friedensbewegung mit der globalisierungskritischen Bewegung.
Zur Demonstration hatten rund 150 Organisationen aufgerufen. Von den organisiert Teilnehmenden – zirka 20 Prozent – waren etwa die Hälfte Gewerkschaftsmitglieder oder Mitglieder einer linken Partei, die andere Hälfte setzte sich zusammen aus Mitgliedern der Gruppe Schweiz ohne Armee (GsoA), der Antiglobalisierungsgruppe Attac, von Hilfswerken sowie anderen Organisationen dieser Art.
Ländervergleich im Frühling
Die Studie der Universität Zürich über die Schweizer Demonstrationen gegen den Krieg befindet sich in der Schlussphase. Gleiche Studien laufen in den USA, Italien, Spanien, Belgien und England. Im Frühling 2004 sollten alle Forscherteams so weit sein, dass die Resultate der einzelnen Länder verglichen werden können.
swissinfo und Agenturen
Über 600 Teilnehmende der Demonstration vom 15. Februar 2003 in Bern befragt
90% wählen linke Parteien
Nur 3% stimmen für CVP, FDP oder SVP
Jugendliche, Staatsangestellte und Akademiker überdurchschnittlich präsent
In Übereinstimmung mit den JTI-Standards
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