
Micheline Calmy-Rey fordert heraus

Trotz positivem Echo auf die Idee eines humanitären Irak-Treffens wird die neue Aussenministerin vor allem von der politischen Rechten in der Schweiz kritisiert.
«Micheline Calmy-Rey nervt die ganze Welt», titelte das Westschweizer Boulevardblatt «Le Matin».
Erst seit einigen Wochen ist Micheline Calmy-Rey im Amt. Und bereits traf sie Colin Powell, versuchte, ein Treffen Irak – USA zu lancieren und plant nun ein humanitäres Treffen zur Irak-Krise in Genf.
Mit ihrer Aktivität eckt sie an. Die Kritik gegen die Aussenministerin ist für den Sozialdemokraten Manuel Tornare typisch: «In der Schweiz hat dies Tradition. Politisch links stehenden Politikern werden bestimmte Handlungen vorgeworfen, nicht aber der politischen Rechten.»
Der Direktor des Sozialdepartements der Stadt Genf verweist auf Aktionen anderer Regierungs-Mitglieder wie Pascal Couchepin oder Ruth Metzler, die manchmal ähnlich gehandelt hätten wie Calmy-Rey. Mit einem kleinen Unterschied: Die Reaktionen fielen selten so lebhaft aus wie bei der neuen Bundesrätin.
Von Anfang an viel Aufregung
Die öffentliche Polemik begann mit der Aussage Calmy-Reys, dass sie nur am WEF in Davos teilnehmen werde, falls der amerikanische Aussenminister Colin Powell zu einer Unterredung bereit sei.
«Eine Jugendsünde», kommentierte damals Claude Frey, freisinniger Nationalrat und Mitglied der aussenpolitischen Kommission.
Mit ihrem jüngsten Vorschlag, ein internationales Treffen zur Irak-Krise zu organisieren, wurde die Kritik lauter – und auch stärker.
Die neue Bundesrätin hatte nicht einmal ihre Kollegen benachrichtigt – was zu einer stürmischen Telefonkonferenz geführt habe, wie die «Tribune de Genève» berichtete.
Lanciert hatte Calmy-Rey die Idee des Genfer Treffens nach einer Sitzung der aussenpolitischen Kommission. Claude Frey ist der Meinung, der Wirbel, der nun um das Treffen gemacht werde, sei «total unverhältnismässig». Man habe da über Themen diskutiert, die für die Schweizer Diplomatie viel wichtiger seien.
Politischer Knall
Während sich viele Politiker aus dem Ausland positiv zum Schweizer Vorschlag äussern, kritisiert etwa CVP-Präsident Philippe Stähelin: Was Calmy-Rey mache, sei ein «politischer Knall auf Schweizer Ebene».
Noch härter ins Gericht mit der neuen Aussenministerin geht die SVP. Ihr Fazit: Der Gesamtbundesrat solle die Führung übernehmen, «um weiteren politischen Schaden» zu vermeiden. Die Schweizer Diplomatie habe durch den «Profilierungsdrang von Bundesrätin Calmy-Rey nicht an Einfluss gewonnen».
Nicht nur Kritik
Der Jurassier François Lachat, CVP-Abgeordneter und Mitglied der aussenpolitischen Kommission des Nationalrates, versteht die Polemik nicht: «Man sollte den Ernst der Lage nicht aus den Augen verlieren.»
Edouard Brunner, ehemaliger Botschafter und Staatssekretär ist ähnlicher Meinung: «Die humanitäre Arbeit ist schliesslich sehr schweizerisch.» Ausserdem müssten die Bundesräte einen gewissen Manövrier-Spielraum haben.
Innovative Aussenpolitik
Brunners Fazit: «Micheline Calmy-Rey markiert entschlossen ihr Terrain. Das missfällt mir gar nicht. Der Schweizer Aussenpolitik hat es in der Vergangenheit oft an Initiative gefehlt.»
Auch ein anderer Experte in internationalen Beziehungen, Botschafter Luzius Wasescha, hat eine klare Meinung zur Schweizer Aussenpolitik: «In diesen Zeiten braucht es Innovation. Das mag die Puristen stören. Aber bis heute habe ich noch keinen Puristen Resultate erzielen sehen.»
swissinfo, Frédéric Burnand, Genf

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