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Familie Vosti aus Down Under sucht ihre Wurzeln in der Schweiz

Die Familie Vosti macht ein Erinnerungsfoto in den engen Gassen des Viertels «Cioss» in Gerra Verzasca (Tessin, Schweiz)
Die Familie Vosti macht ein Erinnerungsfoto in den engen Gassen des Viertels «Cioss» in Gerra Verzasca (Tessin, Schweiz). Swissinfo

Diesen Sommer besuchte eine australische Familie den Süden der Schweiz. Hier lebten ihre Vorfahren, bevor sie nach Down Under auswanderten, um der Wirtschaftskrise des 19. Jahrhunderts zu entkommen. Beim Treffen mit entfernten Verwandten wurden genealogische Recherchen verglichen und Lücken im Stammbaum geschlossen.

Juliette Buchanan schliesst den Kreis. Gemeinsam mit ihrer Tochter und ihrer Cousine spaziert sie durch die engen Gassen des Viertels «Cioss» in Gerra Verzasca, einem kleinen Dorf im Verzascatal im Tessin. Vermutlich lebte hier ihr Ur-Ur-Grossvater Antonio Vosti, bevor er 1859 nach Australien auswanderte.

Remo Vosti, Juliettes Cousin achten Grades (sie teilen einen gemeinsamen Vorfahren vor acht Generationen), führt die Gruppe und weist auf Spuren der Familie hin, während sie zwischen den Rustici – den typischen Steinhäusern des Tessins – umhergehen, in denen die Vosti einst wohnten. Der Name ist auf einem alten Holzofen und auf einem Votivbild an der Seite eines Hauses eingraviert.

Anschliessend steigen die Vosti den sonnigen Hang hinauf zu einer kleinen Gruppe von Steinhäusern, von denen nur noch eines vollständig steht. Es dient heute als Schafstall, das Dach ist noch intakt. Umgeben ist es von Steinhaufen, die die Umrisse der übrigen Häuser markieren, die der Zeit nicht standhielten. Hier lebte einst ihr frühester dokumentierter Vorfahr Augustus.

Juliette ist zum ersten Mal von Australien nach Gerra Verzasca gereist und hofft, Lücken in ihrem unvollständigen Stammbaum zu füllen.

Auf Spurensuche in öffentlichen Registern

Juliettes Grossmutter Madge – Antonios Enkelin – wusste nicht, dass sie Schweizerin war. Sie war ein uneheliches Kind, das als Pflegekind aufwuchs, und nie eine Geburtsurkunde erhalten hat. «Sie glaubte, ihr Nachname sei Voste, mit einem ‘e’ am Ende, aber als sie 1926 heiratete und ihre Geburtsurkunde beantragte, gab es keinen Eintrag», erklärt Juliette.

Nachdem sie in ihren Zwanzigern vom Virus der genealogischen Forschung, wie sie es ausdrückt, gepackt worden war, beschloss Juliette, in den Geburtenregistern nach ihrer Grossmutter zu suchen. Sie durchforstete die öffentlich zugänglichen Mikrofilmeaufzeichnungen der Mormonenkirche. «Eine der Damen, die mir half, schlug vor, nach ‘Vost’ ohne den letzten Buchstaben zu suchen. Und tatsächlich tauchte Madges Name auf – mit dem falsch geschriebenen Nachnamen ‘Vostor’.»

Nachdem sie in Australien öffentliche Register durchforstet hatte, wandte sich Juliette an Ancestry, eine der vielen Webseiten zur Erstellung von Familienstammbäumen, um weitere Hinweise zu suchen. Schliesslich machte sie einen DNA-Test, um ihre Abstammung zu bestätigen. «All diese Vosti tauchten durch die DNA als Verbindungen zu mir auf, als Cousins und Cousinen zweiten Grades, was meine gesamte Recherche bestätigte.»

Doch im Stammbaum fehlten weiterhin viele Namen und Daten. Als Juliette ihre Reise in die Schweiz plante, wandte sie sich deshalb an die genealogische Gesellschaft im Tessin – in der Hoffnung, Antworten zu erhalten. Diese ging noch einen Schritt weiter: Sie vermittelte ihr den Kontakt zu entfernten Verwandten, die ihre australischen Cousinen und Cousins mit offenen Armen empfingen.

Auswanderung aus dem Tessin im 19. Jahrhundert

Wie der Historiker Giorgio Cheda in einem früheren Gespräch mit Swissinfo erklärte, verliessen während der Wirtschaftskrise Mitte des 19. Jahrhunderts viele Menschen die armen Täler des Tessins in Richtung Australien und Kalifornien. Allein zwischen 1853 und 1855 brachen rund 2000 Tessiner nach Australien auf, meist junge Männer aus dem Verzascatal, dem Maggiatal und aus der Gegend um Locarno.

Damals war das Tessin der einzige Kanton ohne Gesetz zur Regulierung von Auswanderungsagenturen, die den Traum vom gelobten Land teuer verkauften. Auswanderungswillige mussten Kredite aufnehmen und Hypotheken abschliessen, um nach Australien zu reisen. Starben sie unterwegs, mussten diese von Verwandten zurückgezahlt werden.

Viele, die das Ziel erreichten, kehrten nie mehr in die Heimat zurück, sondern bauten eine Familie und ein Leben in Übersee auf. Doch sie vergassen nie, woher sie kamen, wie ein eine Inschrift am Grabstein auf dem Friedhof von Gerra Verzasca bezeugt.

Edited by Samuel Jaberg/ts/ac; Übertragung aus dem Englischen mit Hilfe von ChatGPT: Claire Micallef

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