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Nationalrat beharrt auf Gegenvorschlag zu Europa-Initiative

Europa- und die Schweizerfahnen am Bundeshaus Keystone

Der Nationalrat, die grosse Parlamentskammer, beharrt darauf, der Initiative «Ja zu Europa!» einen indirekten Gegenvorschlag gegenüberzustellen. Hält der Ständerat nun an seinem Nicht-Eintretensentscheid fest, ist der Gegenvorschlag vom Tisch.

Nationalrat und Ständerat sind sich einig, dass die Initiative abzulehnen ist. Der Nationalrat stimmte im Juni mit 99 zu 84 Stimmen einem von der CVP formulierten Gegenvorschlag zu, der das EU-Beitrittsziel fixiert, dem Bundesrat aber anders als die Initiative keinen Zeitdruck aufsetzt.

Der Ständerat trat mit 29 zu 16 Stimmen auf diesen Gegenvorschlag nicht ein. Daraufhin schaltete der Nationalrat eine sommerliche «Denkpause» für sich und den Ständerat ein. Er blieb am Mittwoch (20.09.) bei seiner Meinung: Er bekräftigte seine Zustimmung zum Gegenvorschlag mit 97 zu 83 Stimmen.

Interpretationshilfe für die EU

Für Aussenminister Joseph Deiss ist es nötig, dass das Parlament der Initiative eine Antwort gibt und seine verfassungsmässige aussenpolitische Mitgestaltungspflicht wahrnimmt. Der Gegenvorschlag würde dem Bundesrat den Rücken stärken und ein Zeichen nach Innen und nach Aussen geben.

Es sei nicht sicher, ob die EU ein allfälliges Nein zur Initiative fehlerfrei interpretieren würde, sagte Deiss. Mit dem Gegenvorschlag, der das strategische Ziel eines EU-Beitritts fixiere, dem Bundesrat aber alle Verhandlungsfreiheit lasse, könnten eventuelle Negativeffekte abgefedert werden.

Position der Schweiz nicht schwächen

Für den Gegenvorschlag sprachen sich die Fraktionen der CVP, der SP, der Grünen und der Liberalen aus, dagegen die Mehrheit der FDP, die SVP und die EVP. Ein Nein zum Gegenvorschlag würde in Europa als Dialogverweigerung und als Absage verstanden, sagte Marc Suter (FDP/BE) namens der Kommissionsmehrheit.

Ohne Gegenvorschlag sei damit zu rechnen, dass sich die Ratifikation der bilateralen Abkommen in den europäischen Parlamenten weiter verzögere und die Stellung der Schweiz bei weiteren Verhandlungen geschwächt würde, sagte Suter. Es entstünde der Eindruck, der Bundesrat werde vom Parlament nicht unterstützt.

Ruedi Baumann (Grüne/BE) empfahl dem Initiativkomitee der Jungen, ihr Volksbegehren nicht zurückzuziehen. In der Schweiz brauche es immer mehrere Anläufe, bis sich das Gute durchsetze. Wer alles offen lassen wolle, wolle eigentlich nichts oder sei entscheidungsunfähig, sagte Remo Gysin (SP/BS).

Keine weiteren europapolitischen Schritte

Die Gegner des Gegenvorschlags argumentierten, ohne Gegenvorschlag sei der Spielraum des Bundesrates grösser. Es gehe nicht an, einen weiteren europapolitischen Schritt zu tun, bevor die bilateralen Abkommen unter Dach seien, sagte Ulrich Fischer (FDP/AG). Andernfalls käme sich das Volk verschaukelt vor.

Ulrich Schlüer (SVP/ZH) attackierte die SP. Mit ihrer geplanten «Pilgerfahrt» nach Brüssel wolle diese Partei «gegen die Schweiz agitieren». Sie wolle via Ausland politische Entscheideherbeiführen, die sie hierzulande mit demokratischen Mitteln nicht durchsetzen könne, sagte Schlüer.

Der Ständerat, die kleine Parlamentskammer, wird über seine Position am 28. September entscheiden.

Initianten entscheiden über Rückzug der Initiative

Falls der Ständerat am Donnerstag nächster Woche bei seinem kategorischen Nein bleibt, ist das Gegenprojekt definitiv vom Tisch. Die Initiative, die Parlament und Bundesrat zur Ablehnung empfehlen, kommt voraussichtlich nächstes Jahr zur Abstimmung. Dem könnten die Initianten selber zuvor kommen: Am 21. Oktober entscheidet die Delegiertenversammlung der Neuen europäischen Bewegung (NEBS) über einen Rückzug ihres Volksbegehrens, wie sie am Mittwoch mitteilte.

swissinfo und Agenturen

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