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Nationalratspräsident verlässt politische Bühne

Jean-Philippe Maitre wird durch seine angeschlagene Gesundheit zum Rücktritt gezwungen. Keystone

Der an einem Hirntumor erkrankte Nationalrats-Präsident Jean-Philippe Maitre tritt aus der grossen Kammer zurück.

Zu Beginn der Frühjahrssession muss er als höchster Schweizer ersetzt werden.

Maitre gibt das Präsidium und sein Nationalratsmandat auf den 1. März auf. Das erlaube ihm, sich zu Beginn der Session am 28. Februar von Parlament zu verabschieden, sagte Maitre.

Als Vorsitzender des Nationalrates wird Maitre für die restlichen drei Viertel der Amtszeit durch ein anderes CVP-Mitglied ersetzt.

Die CVP-Fraktion wird einen Wahlvorschlag unterbreiten, bevor das Büro den Termin festlegt. Laut Mark Stucki von den Parlamentsdiensten dürfte die Wahl in der zweiten oder dritten Woche der Frühjahrssession erfolgen.

Zur Bestimmung der Nachfolge von Jean-Philippe Maitre als Nationalratspräsident hat die CVP einen Ausschuss eingesetzt. Ihm gehören Fraktionchef Jean-Michel Cina, Parteipräsidentin Doris Leuthard und Ständerat Franz Wicki an.

Die Arbeitsgruppe wolle in der ersten Hälfte der Frühjahrssession eine Kandidatin oder einen Kandidaten zu Handen der Fraktion nominieren, sagte Cina am Freitag. Namen und Kritieren für die Nomination wollte er keine nennen.

In den Rat nachrücken wird jemand von den Ersatzleuten auf der Liste der Genfer CVP bei den letzten Wahlen. Falls er nicht verzichtet, ist es Jean-Claude Vaudroz, der 2003 wegen eines Sitzverlusts seiner Partei die Wiederwahl verpasste.

Mehr als ein “Teilzeitpräsident”

Am 21. Dezember des letzten Jahres verlor Maitre während eines Telefongesprächs plötzlich das Bewusstsein. In der Folge stellten die Ärzte einen Hirntumor fest.

Um sich voll der Therapie widmen zu können, wurde Maitre vorläufig durch die Vize-Vorsitzenden Claude Janiak (SP/BL) und Christine Egerszegi (FDP/AG) entlastet.

Sein Rücktritt bedeute nicht, dass sich die Krankheit verschlimmert habe, sagte Maitre. “Mein Zustand ist stabil”. Er habe sich deshalb überlegt, lediglich sein Pensum als Präsident zu reduzieren.

Allein schon aus Respekt gegenüber den Kollegen scheine ihm dies aber nicht richtig. Die politische Agenda und die Auslandkontakte erforderten mehr als einen “Teilzeitpräsidenten”.

Allgemeines Bedauern

Die übrigen Bundesratsparteien haben den Rücktritt von Maitre bedauert. Sie stellen den weiteren Anspruch der CVP auf das Präsidium nicht in Frage.

Die Sozialdemokratische Partei der Schweiz (SP) zeigte sich “traurig und erschüttert”. Die SP habe den Politiker geschätzt, auch wenn sie politisch nicht immer auf der gleichen Linie gewesen seien.

Auch die Schweizerische Volksparte (SVP) äusserte Bedauern über Maitres Rücktritt, wünschte ihm gute Besserung und alles Gute.

Die Freisinnig-Demokratische Partei (FDP), bedauert den Rücktritt und die Umstände, die dazu geführt hätten.

Politischer Senkrechtstarter

Als Nationalratspräsident hatte der Rechtsanwalt Maitre Ende November 2004 die Nachfolge des Zürcher SVP-Vertreters Max Binder angetreten.

Er gehört dem Nationalrat seit 1983 an und ist so zusammen mit dem Genfer Liberalen Jacques-Simon Eggly der amtsälteste Abgeordnete. Von 1998 bis 2002 präsidierte Maitre die CVP-Fraktion.

Maitre war ein politischer Senkrechtstarter. Im Alter von 24 Jahren wurde er in den Genfer Grossen Rat gewählt, dem er zwölf Jahre lang angehörte. 1985 wurde er in die Genfer Kantonsregierung gewählt.

Dass National- oder Ständeratspräsidenten während ihrer Amtszeit ersetzt werden müssen, kommt selten vor. In den letzten 100 Jahren gab es nur drei solche Fälle.

swissinfo und Agenturen

In den letzten 100 Jahren wurden nur 3 National- oder Ständerats-Präsidenten während ihrer Amtszeit ersetzt.
1991 verstarb Ständeratspräsident Max Affolter (FDP/SO) an den Folgen eines Hirntumors.
1982 verweigerte die Obwaldner Landsgemeinde dem amtierenden Ständeratspräsidenten Jost Dillier (CVP) die Wiederwahl in die kleine Kammer.
1977 trat Hans Wyer (CVP/VS) nach der Wahl in die Walliser Kantonsregierung als Nationalratspräsident zurück.

Jean-Philippe Maitre wurde am 18. Juni 1949 in Genf geboren. Er studierte Jura und schloss 1973 mit dem Lizenziat der Rechtswissenschaften ab.

Bis 1985 arbeitete er als Rechtsanwalt.

Maitre ist verheiratet und hat drei erwachsene Kinder. Er war Präsident der Genfer CVP von 1981 bis 1984.

Maitre wurde mit 24 Jahren in den Genfer Grossen Rat gewählt. Mit 36 Jahren war er Mitglied der Genfer Kantonsregierung. Er hat dort von 1985 bis 1997 das Kantonale Wirtschafts-Departement geführt.

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