New Bern: Eine Feier zu Ehren der Vorfahren
1710, vor 300 Jahren, hat der Berner Christoph von Graffenried mit Auswanderern aus der Schweiz und aus der deutschen Pfalz die Siedlung New Bern gegründet, heute ein Städtchen im US-Bundesstaat North Carolina. US-Nachfahren der ersten Siedler gedenken am 11. September der Gründergeneration.
New Bern ist die älteste Schweizer Siedlung in den USA. New Berns erste Flagge, ein Geschenk der Stadt Bern aus dem Jahr 1896, ist noch heute im Gerichtssaal des Ratshauses in New Bern ausgestellt.
Die Zeremonie reiht sich ein in die Aktivitäten, mit der das Städtchen, in dem heute etwa 28’000 Menschen leben, während des ganzen Jahres sein 300-Jahr-Jubiläum feiert. Der Startschuss war in der Sylvesternacht gefallen.
Am Wochenende vom 16. bis 19. September findet als einer der Höhepunkte das offizielle Jubiläums-Wochenende statt. Dazu wird unter anderem neben Urs Ziswiler, dem scheidenden Schweizer Botschafter in Washington, auch eine Delegation der Stadt Bern mit Stadtpräsident Alexander Tschäppät erwartet.
Ankunft im September 1710
Es war September 1710, als Christoph von Graffenried, ein Spross der bis heute bekannten Berner Patrizierfamilie, mit einer Gruppe von Auswanderern aus der Region Bern in der sandigen Gegend an der Ostküste der heutigen USA ankam, um dort eine Siedlung zu gründen. Zur Gruppe der Auswanderer um von Graffenried gehörten neben den Schweizern auch Deutsche, zumeist aus der Pfalz. Diese waren schon ein paar Monate früher in der Gegend angekommen.
Die Siedlung entstand am Zusammenfluss von Neuse und Trent, im Hinterland lebte das Volk der Tuscarora. Das Unterfangen, das sich in einem komplexen Umfeld abwickelte, stand unter keinem sehr guten Stern, die Wirklichkeit war härter als erhofft.
Die ersten Jahre der neuen Siedlung waren unter anderem geprägt von Kämpfen mit einheimischen Völkern. Sie wehrten sich gegen die wachsende Invasion ihres Territoriums durch weisse Siedler und gegen die Versklavung durch die Weissen, wie der Historiker Leo Schelbert gegenüber swissinfo.ch erklärt. Schelbert ist emeritierter Professor für amerikanische Geschichte (mit Schwerpunkt Einwanderung) der Universität Illinois, Chicago.
In Gefangenschaft
Im September 1711 wurde von Graffenried, der mit dem englischen Landvermesser John Lawson ohne Erlaubnis eine Erkundigungsfahrt in das Hoheitsgebiet der Tuscarora unternommen hatte, gefangen genommen. Er kam schliesslich knapp mit dem Leben davon, Lawson wurde getötet.
Ein Freundschaftsvertrag, den von Graffenried mit den Tuscarora abschloss, wurde von der englischen Führerschaft Carolinas als Verrat angesehen, wie Schelbert erklärt.
Während von Graffenried noch in Gefangenschaft war, wurden bei einem Angriff der südlichen Tuscarora auf die Heimstätten der vordringenden Weissen etwa 80 englisch- und 70 deutschsprachige Siedler getötet. Englische Truppen führten danach einen Vernichtungskrieg gegen die Angreifer, die Überlebenden wurden versklavt.
Christoph von Graffenried verliess New Bern schliesslich 1713 und kehrte 1714 enttäuscht nach Bern zurück.
Nachfahren der ersten Siedler
Sein ältester Sohn, der ihn begleitet hatte, blieb hingegen in Amerika. Nachfahren dieses Sohnes und anderer Siedlerfamilien von 1710 ehren nun am 11. September, am «Gründertag», ihre Vorfahren: unter anderem mit der Niederlegung eines Kranzes an der Büste des Barons von Graffenried, die für das Jubiläumsjahr restauriert wurde.
Danach folgt eine Zeremonie mit einer Namensverlesung in der Christ Church im alten Stadtzentrum. Die Christ Church ist lutheranisch, viele der ursprünglichen Siedler waren ebenfalls Lutheraner gewesen.
«Es wird eine bescheidene, würdevolle Zeremonie», erklärt Wilda Thomas vom Founder’s Day Committee gegenüber swissinfo.ch. «Wir wollen mit der Zeremonie einfach ein Zeichen der Anerkennung setzen, ein Zeichen der Erinnerung an unsere Vorfahren.» Sie selber ist eine Urgrosstochter von Graffenrieds in siebter Generation.
Im Frühjahr 2010 hatten die Nachfahren der von Graffenrieds bereits ein Familientreffen organisiert. An diesem hatten laut Wilda Thomas gegen 150 Familien teilgenommen. Auch aus der Schweiz seien etwa 30 Verwandte angereist.
Dass das offizielle Jubiläums-Wochenende erst eine Woche später stattfindet, hat damit zu tun, dass am 11. und 12. September die traditionelle, jährliche Benefizveranstaltung der MS-Gesellschaft von North Carolina durchgeführt wird.
Der Verein «300 Jahre New Bern» hatte das Jubiläum der ältesten Schweizer Siedlung in den USA mit einer Ausstellung im Historischen Museum der Schweizer Hauptstadt Bern gewürdigt. Die Schau dauerte vom 4. Dezember 2009 bis zum 16. Mai 2010.
Ab dem 16. September wird die Ausstellung nun in der Tochterstadt New Bern zu sehen sein. Die Eröffnung der Schau findet im Rahmen der Hauptfeierlichkeiten zum 300-Jahr-Jubiläum statt.
In der Ausstellung wird die Geschichte von New Bern in elf Szenen gezeigt. Themen sind unter anderem die bernische Auswanderung im frühen 18. Jahrhundert und das Leben des Stadtgründers Christophe de Graffenried.
Ergänzt wurde die Ausstellung durch eine multimediale Schau über das New Bern von heute.
Auf Einladung von New Bern reisen der Berner Stadtpräsident Alexander Tschäppät und Vizestadtpräsidentin Barbara Hayoz zu den Feierlichkeiten des offiziellen Jubiläums-Wochendes in das Städtchen in North Carolina.
Nachdem die Abwesenheit der Finanzdirektorin Hayoz an der für den 16. September anberaumten Budgetdebatte im Berner Stadtparlament für scharfe Kritik gesorgt hatte, verschoben Tschäppät und Hayoz ihre Abreise in die USA um einen Tag auf den 17. September.
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