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Trotz Kritik klares Nein zur Personenfreizügigkeit

Einhelliges Nein der Vizepräsidenten: Yves Perrin, Jasmine Hutter und Christoph Blocher. Keystone

Die 500 Delegierten der Schweizerischen Volkspartei haben sich trotz namhaftem internen Widerstand klar für ein Nein zur Abstimmung über die Weiterführung und Ausdehnung der Personenfreizügigkeit ausgesprochen. Sie fassten die Parole mit 432 zu 45 Stimmen.

Im Mittelpunkt der Delegierten-Versammlung in Dietikon stand das Duell zwischen dem Bundesratskandidaten und SVP-Vizepräsidenten Christoph Blocher, der für ein Nein warb, und dem Thurgauer Nationalrat und Unternehmer Peter Spuhler.

Spuhler sprach sich für ein Ja aus. Er bekam Unterstützung von der Zürcher Volkswirtschaftsdirektorin Rita Fuhrer. Einen Abstimmungs-Boykott hatte der Berner Nationalrat Hansruedi Wandfluh gefordert. Dieser Vorschlag wurde verworfen.

In der Diskussion ergriffen rund 30 Delegierte das Wort. Auch hier sprachen sich die meisten gegen die Personenfreizügigkeit aus.

Die Vorlage, über die das Volk am 8. Februar 2009 abstimmen wird, besteht aus ursprünglich zwei Beschlüssen des Bundesrats. Der erste betrifft die Weiterführung des Freizügigkeitsabkommens mit der EU. Der zweite Ausdehnung der Personenfreizügigkeit auf die neuen EU-Mitgliedstaaten Rumänien und Bulgarien.

Blocher: Nein, Ja, Nein

Im Juni hat das Parlament beschlossen, die beiden Beschlüsse in einer Vorlage zu einem Paket zu verpacken. Die Junge SVP und rechtsgerichtete Kleinparteien haben in der Folge dagegen das Referendum ergriffen.

Die SVP verzichtete auf ein Referendum. Im vergangenen Juli hatte Blocher das Begehren als “Schein-Referendum” bezeichnet, nachdem er noch im Mai ein Referendum befürwortet hatte. Nach einem erneuten Meinungsumschwung machte sich Blocher vor den Delegierten nun für ein Nein am 8. Februar und damit für das Referendum stark.

Die Abstimmungsfrage, die dem Bürger vorgelegt werde, enthalte zwei Fragen, sagte Blocher in seiner Rede. Darauf könne man aber nur eine Antwort geben. Die Antwort, wie sie auch immer ausfalle, sei eine verfälschte Antwort.

Mit einem Nein könne diese Schandtat ohne negative Folgen rückgängig gemacht werden, sagte der SVP-Vizepräsident. Würde die Vorlage abgelehnt, müsste das Parlament schon aus Eigennutz eine neue Abstimmung anstreben. Bei dieser wäre dann eine unverfälschte Antwort möglich.

Kein Bankrott

Er mache kein Geheimnis daraus, dass er gegen die Ausdehnung der Personenfreizügigkeit auf Rumänien und Bulgarien sei, erklärte Blocher. Gerade in der kommenden schwierigen Wirtschaftssituation sei hier allergrösste Vorsicht geboten.

Natürlich sei es sinnvoll, ausländische Arbeitskräfte einzustellen, wenn es im Land zu wenig habe, sagte Blocher weiter. Die Schweiz erhalte diese Arbeitskräfte aber auch ohne die Personenfreizügigkeit. Alles andere sei eine Dummheit, denn die Schweiz sei ein sehr beliebter Arbeitsort.

Die Wirtschaft habe schon bei der EWR-Abstimmung gedroht, dass bei einem Nein die Schweiz wirtschaftlich bankrott gehen würde, erklärte Blocher. Das Gegenteil sei der Fall gewesen. Jetzt werde gedroht, dass man bei einem Nein der Schweiz in die EU müsse. Bei einem Nein passiere aber “rein gar nichts”.

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Drohende Isolation

Dem hielt SVP-Nationalrat Peter Spuhler entgegen, ein Nein zur Personenfreizügigkeit und die damit verbundene Auflösung der Bilateralen I würde die Schweiz wirtschaftspolitisch isolieren.

Es komme zu Wohlstandseinbussen und Arbeitsplatzverlagerungen, erklärte er. Zudem bestehe die Gefahr, dass die Wirtschaft aufgrund der drohenden Isolation plötzlich Partei für einen EU-Beitritt ergreife.

“Wollen wir das verhindern, müssen wir die bilateralen Verträge befürworten.” Hauptziel der SVP bleibe es, den EU-Beitritt zu verhindern.

Güterabwägung nötig

Spuhler räumte ein, dass das aus zwei Päckchen geschnürte Abstimmungspaket “eine Sauerei” sei. Es sei aber auch “ein Faktum”. Wegen der drohenden Auflösung der Bilateralen I gehe es bei der Abstimmung um “Alles oder Nichts”. Deshalb sei eine Güterabwägung unumgänglich. Darum werde er der Paketlösung zustimmen.

Er habe als Unternehmer die Personenfreizügigkeit schätzen gelernt, sagte Spuhler weiter. Durch gezielte Rekrutierung habe er die Lücke an qualifizierten Arbeitskräften schliessen können.

Dadurch sei die Produktion in der Schweiz geblieben. “Kommt der Mitarbeiter nicht zum Werkstück in die Schweiz, geht das Werkstück zum Mitarbeiter in die EU”, bilanzierte Spuhler.

swissinfo und Agenturen

Das Abkommen über den freien Personenverkehr mit den 15 “alten” EU-Staaten ist seit dem 1. Juni 2002 in Kraft. Im September 2005 hat das Schweizer Stimmvolk einer Ausdehnung auf die zehn Länder zugestimmt, die im Mai 2004 zur EU stiessen.

Der freie Personenverkehr zwischen der Schweiz und der EU ist bis 2009 befristet. Seitens der EU wird das Abkommen stillschweigend verlängert, in der Schweiz ist die Fortführung dem fakultativen Referendum unterstellt.

Gleichzeitig mit der Weiterführung soll die Personenfreizügigkeit auf die neusten beiden EU-Mitglieder, Rumänien und Bulgarien, ausgedehnt werden.

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