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EDA-Hilfe für Reisende und Auslandschweizer: «Immer mehr Ältere sterben im Ausland»

Menschen am Flughafen
Gemäss Zahlen des Bundes unternehmen Schweizer Bürgerinnen und Bürger rund 12 Millionen Auslandreisen pro Jahr. Keystone / Ennio Leanza

Die Zahl konsularischer Schutzfälle für Schweizer Reisende und Auslandschweizer:innen steigt. Im Interview mit Swissinfo zeigt Yvonne Rohner, Leiterin der Abteilung Konsularischer Schutz der Konsularischen Direktion, auf, was die häufigsten Schutzfälle sind und welche Grenzen der Unterstützung durch die Schweiz bestehen.

Trotz der aktuellen Weltlage ist die Reiselust der Schweizerinnen und Schweizer ungebrochen. Jährlich unternehmen sie zwölf Millionen Auslandreisen. Hinzu kommen 826’700 Schweizer Staatsangehörige mit festem Wohnsitz im Ausland. Tendenz steigend.

Das reise- und auswanderungsfreudige Schweizer Volk bedeutet viel Arbeit für das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA). Nur schon die 55’000 Anfragen, welche die EDA-Helpline 2024 erhalten hat, veranschaulichen dies deutlich.

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Der konsularische SchutzExterner Link ist zu einer zentralen Dienstleistung des Bundes geworden, jedoch mit Grenzen. Schweizerinnen und Schweizer im Ausland, sei es auf Reisen oder mit Wohnsitz ausserhalb der Schweiz, haben keinen Rechtsanspruch auf Unterstützung.

Eigenverantwortung und Subsidiarität sind gesetzlich verankert. Das EDA wird erst aktiv, wenn Betroffene alles Zumutbare unternommen haben, um ihre Situation selbst zu bewältigen.

Die Konsularische Direktion (KD), die in Notsituationen zusammen mit der jeweiligen Schweizer Vertretung vor Ort involviert wird, stützt sich bei ihrer Arbeit auf das AuslandschweizergesetzExterner Link.

Swissinfo sprach im Rahmen eines Mediengesprächs der Konsularischen Direktion mit Yvonne Rohner, Leiterin der Abteilung Konsularischer Schutz der KD.

Portrait von Yvonne Rohner
Yvonne Rohner Keystone / Christian Beutler

Swissinfo: Frau Rohner, wie viele Mitarbeitende in Bern kümmern sich in Zusammenarbeit mit den Auslandvertretungen um die konsularischen Schutzfälle?

Yvonne Rohner: In Bern arbeiten abgesehen von mir vier Länderverantwortliche, welche die ganze Welt abdecken, sowie meine Stellvertretung, die sich hauptsächlich um Kindsentführungen kümmert.

Können Sie uns einen Einblick in ein Beispiel eines konsularischen Schutzfalls geben, der besonders herausfordernd war oder besonders gut funktioniert hat?

Immer, wenn Menschen betroffen sind, ist es sehr schwierig und es braucht sehr viel Feingefühl unserer Mitarbeitenden.

Gerade Kindsentführungsfälle, bei denen Mütter oder Väter über eine längere Zeit mit dem Trennungsschmerz umgehen müssen sind auch für uns herausfordernd. Ebenso Todesfälle, bei denen jüngere Menschen betroffen sind.

Besonders herausfordernd war letztes Jahr ein Fall von einer jungen Person in Asien, die wegen psychischer Probleme während acht Monaten nicht zurück in die Schweiz geholt werden konnte.

Da haben wir mit den Behörden vor Ort, dem Honorarkonsul und dem Beistand in der Schweiz intensiv versucht, eine medizinische Repatriierung zu organisieren – das sind dann Fälle, die sehr zeitintensiv sind.

Erst wenn Betroffene alles Zumutbare versucht haben, um ihre Notlage selbst organisatorisch oder finanziell zu überwinden, wird das EDA aktiv. Von wie vielen Fällen sprechen wir da jährlich?

2024 erfasste die Konsularische Direktion 1087 neue Fälle.

Das bedeutet eine Zunahme von 17% gegenüber 2023. Weshalb dieser Anstieg an Schutzfällen?

Die Demografie der Schweiz zeigt: Es gibt immer mehr ältere Leute. Diese sind jedoch oft noch sehr aktiv und unternehmen deshalb auch vermehrt Reisen. Diese erleiden aber häufiger medizinische Notfälle im Ausland als jüngere.

Dazu kommen Heimschaffungen von Schweizer Staatsangehörigen, die gesundheitliche Probleme haben und nicht selbst in die Schweiz zurückkehren können.

Ausserdem gibt es auch eine Zunahme von Reisenden oder Auslandschweizer:innen, die mit psychischen Problemen konfrontiert sind.

Und: Die heutigen Kommunikationsmöglichkeiten haben ebenfalls zu einem Anstieg von Fällen geführt. Durch die weltweite Vernetzung sorgen sich die Schweizerinnen und Schweizer viel schneller, wenn sie mal 24 Stunden nichts von ihren Angehörigen im Ausland gehört haben. Das hat zur Folge, dass wir viel mehr Aufenthaltsnachforschungen machen.

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Was sind die häufigsten Schutzfälle, mit denen die KD konfrontiert ist?

Effektiv hat die Zahl der Todesfälle im Ausland zugenommen. Es sind einerseits Todesfälle von Reisenden, andererseits von älteren Auslandschweizerinnen und Auslandschweizern, die in ihrem Aufenthaltsland sterben.

Die Todesfälle in der Diaspora und das teils fehlende soziale Netzwerk der Ausgewanderten haben zur Folge, dass die Auslandvertretungen zunehmend Nachforschungen anstellen müssen, um Familienangehörige zu finden oder Bestattungen zu koordinieren.

Gibt es bei den konsularischen Schutzfällen geografische Hotspots?

Ja, Thailand gehört zu den Hotspots. Schlicht aus dem Grund, weil Thailand bei den Schweizer Staatsangehörigen ein sehr beliebtes Reiseziel ist. Dazu kommt der überdurchschnittlich hohe Anteil an Schweizer Seniorinnen und Senioren, die in Thailand leben.

2024 wurden für Thailand 135 Dossiers eröffnet, gefolgt von Spanien mit 85 Fällen, Italien mit 66 und Frankreich mit 60 Fällen.

Weitere hilfreiche Artikel zum Auswandern und Leben im Ausland finden Sie auf unserer Seite «Auswandern leicht gemacht». Offizielle Informationen des Bundes sind auf der Seite des EDA verfügbar, für weiterführende Beratungen steht die Auslandschweizer-Organisation (ASO) zur Verfügung.

Dienstleistungen des konsularischen Schutzes sind kostenpflichtig. Wie viel Geld wird jährlich von Schweizer Bürger:innen, die in Not geraten sind, zurückverlangt?

Dazu haben wir keine Zahlen. Die Buchhaltung läuft über die jeweilige Auslandvertretung. Bis zu einer Stunde Arbeit stellt das EDA keine Rechnung.

Auch werden zum Beispiel für Hilfeleistungen bei Krankheit und Unfall, sofern eine volle Versicherungsdeckung besteht, keine Gebühren verrechnet. Die Betroffenen sind in einer solchen Situation nicht fahrlässig verreist.

Es gibt aber Fälle, die längerfristig betreut werden müssen, wie etwa Haftfälle. Da besuchen EDA-Mitarbeitende vor Ort etwa die inhaftierten Schweizerinnen und Schweizer. Diese Gefängnisbesuche werden verrechnet.

Es gibt Grenzen des konsularischen Schutzes. Welche?

Wann die Schweizer Vertretung vor Ort helfen kann und wann nicht, ist klar geregelt. Bei Hilfeleistungen muss das EDA auch die Souveränität und die Rechtsordnung des Empfangsstaats beachten.

Wir können beispielsweise keine Haftentlassungen erwirken, wir können keine medizinische Betreuung durchführen oder als Reisebüro agieren, wenn etwa ein Flug ausfällt oder in einem Land gestreikt wird.

Wann sagen Sie ganz klar Nein?

Die Erwartungshaltung der betroffenen Personen ist teilweise sehr hoch. Wenn wir unterstützen können, dann machen wir das natürlich gerne, besonders bei einer Notsituation. Jedoch sind wir immer an den gesetzlichen Rahmen gebunden.

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