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VCS: mit neuen Regeln aus der Krise

VCS-Präsidentin Franziska Teuscher und der neugewählte Martin Bäumle zählen die Stimmen. Keystone

Der Verkehrsclub der Schweiz (VCS) regelt die Handhabung des Verbands-Beschwerderechts für Umweltverbände. Die Sektionen erhalten mehr Macht.

Im weiteren forderten die Delegierten Massnahmen gegen das hohe Aufkommen des motorisierten Verkehrs, insbesondere in den Agglomerationen.

Der Verkehrsclub der Schweiz (VCS), der sich der Umwelt verpflichtet hat, gab sich ein neues Reglement für die Ausübung des Verbands-Beschwerderechts (VBR). Dieses legt fest, wann Verbandsbeschwerden geführt werden und wie den regionalen Sektionen die Vollmacht dafür erteilt wird.

Gemäss dem Schweizer Recht haben Umweltverbände ein Beschwerderecht, vor allem gegen Bauvorhaben.

Das neue Reglement wurde am Wochenende von der Delegiertenversammlung in Genf einstimmig verabschiedet. Neu geregelt wurde das Verfahren für die Erteilung von Vollmachten an regionale Sektionen.

Umweltrecht durchsetzen

Sind sich Zentralvorstand und eine Sektion nicht einig, ob eine Verbandbeschwerde geführt wird, entscheidet die Verbandsbeschwerderechts-Kommission abschliessend, ob eine Vollmacht gewährt wird. In dieser Kommission sitzt jedoch eine Mehrheit der Vertreter aus den Sektionen, sodass der eher konziliante Zentralvorstand faktisch entmachtet wurde.

Das neue Reglement hält zudem fest, dass der VCS vom Verbands-Beschwerderecht Gebrauch macht, um Umweltrecht konsequent durchzusetzen.

Ins Visier nimmt der VCS vor allem publikumsintensive Anlagen wie Einkaufs- und Freizeitzentren, die hohes Verkehrsaufkommen auslösen können. Beurteilt wird hauptsächlich, wie gut die Anlagen durch umweltverträgliche Verkehrsmittel erschlossen sind.

Aufruf zu gemeinsamem Engagement

VCS-Präsidentin Franziska Teuscher hatte die Verteidigung des Verbands-Beschwerderechts an der zweitägigen DV als eine Hauptaufgabe des VCS bezeichnet und die Delegierten zu gemeinsamem Engagement aufgerufen.

Die grüne Berner Nationalrätin sagte unter anderem, das VBR sei ein wichtiges Instrument, um die Verkehrslawine in geordnete Bahnen zu lenken, und werde deshalb von Investoren und Exponenten der Baulobby gefürchtet.

Um Streitigkeiten über die Anwendung des VBR künftig zu vermeiden, sei das nun vorliegende Reglement zu dessen Handhabung erarbeitet worden, sagte Teuscher.

Allerdings musste der Verband auch zur Kenntnis nehmen, dass wohl bis Ende 2005 rund 11’00 Mitglieder auch wegen der Querelen um das VBR den Austritt aus dem Verband geben werden. Bis heute sind es fast 5000.

Volksinititive gegen VBR

Das Verbands-Beschwerderecht ist in der Schweiz – vor allem auf bürgerlicher Seite – unter Beschuss geraten, da Einsprachen unter Führung des VCS zum Beispiel den Bau des Fussball-Stadions Hardturm in Zürich so verzögert hat, dass es bis zum Beginn der Fussball-EM 2008 in der Schweiz und Österreich nicht fertigestellt werden kann. Auch VCS-Einsprachen gegen Einkaufszentren, respektive deren Verkehrsaufkommen, wurden kritisiert.

Die Freisinnig-demokratische Partei der Schweiz, die FDP, hat deswegen eine Volksinitiative zur Einschränkung des Verbands-Beschwerderechts lanciert. Die Zürcher FDP hat für die von ihr lancierte Volksinitiative inzwischen 44’000 Unterschriften gesammelt. Bis 2006 muss die Partei 100’000 Unterschriften einreichen.

Gegen die Verkehrslawine

In einer Resolution forderten die Delegierten des VCS, das hohe Wachstum des motorisierten Individualverkehrs zu dämpfen und insbesondere in den Agglomerationen einzuschränken. Zur Finanzierung schlug der VCS einen Fonds für den öffentlichen Agglomerationsverkehr vor, der auch den Langsamverkehr fördern soll.

Bei den Verbandsgeschäften wurde ein Antrag mehrerer Sektionen zurückgezogen, die Amtsdauer des Zentralvorstands auf ein Jahr zu beschränken. Teuscher, die sich damit keiner Wiederwahl stellen musste, wertete dies als Vertrauensbeweis für die bisherige Verbandsspitze.

Im Sinne eines Kompromisses wurde aber beschlossen, die Amtszeit ab 2006 von drei auf zwei Jahre zu verkürzen. Unter anderem wurde auch der Zürcher Nationalrat Martin Bäumle in den Vorstand gewählt.

swissinfo und Agenturen

Der Verkehrs-Club der Schweiz (VCS), wurde am 15. Mai 1979 gegründet.

Er selber bezeichnet sich als Schweizer Organisation, die sich für eine “menschen- und umweltgerechte Mobilität” einsetzt.

Der Sitz des VCS ist in Herzogenbuchsee/BE.

Die Organisation zählt über 140’000 Mitglieder und ist nach dem Touring Club Schweiz (TCS) der zweitgrösste Verkehrsband im Land.

Gemäss einer Studie der Universität Genf wurden zwischen 1996 und 2003 total 8768 Einsprachen an das Bundesgericht eingereicht.

Dabei betrafen nur 84 Einsprachen Umweltfragen, die von Umweltorganisationen eingereicht wurden.

Das sind rund 10 Einsprachen pro Jahr.

Die Einsprachen der Umweltverbände wurden zu 63% gutgeheissen.

Bei all den andern Einsprachen liegt die “Erfolgsquote” bei knapp 19%.

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