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Bundesrat Leuenberger kritisiert SVP

Bundespräsident Schmids Rede wurde streckenweise niedergebuht. Keystone

Bundesrat Moritz Leuenberger hat nach dem Eklat an der 1.-August-Feier auf dem Rütli den Umgangston in der Politik als inakzeptabel beklagt.

Scharf kritisierte er vor allem die Schweizerische Volkspartei (SVP), die eine hasserfüllte Stimmung in der Schweiz verbreite.

Nach dem Aufmarsch von Rechtsextremen auf dem Rütli und deren Beleidigungen von Bundespräsident Samuel Schmid (SVP) anlässlich seiner 1.-August-Rede kritisiert Bundesrat Moritz Leuenberger indirekt seinen Regierungs-Kollegen Christoph Blocher und dessen Partei, die SVP.

Der politische Umgangston sei absolut inakzeptabel geworden, sagte der Verkehrsminister in einem am Donnerstag vom Zürcher “Tages-Anzeiger” veröffentlichten Interview. Hart ins Gericht ging Leuenberger dabei mit der SVP, ohne diese jedoch direkt zu nennen.

SVP-Ausdrücke benutzt

Auf dem Rütli gehörte Ausdrücke wie “charakterlos” und “Halbbundesrat” kämen aus den Federn und Mündern einer Bundesratspartei, sagte der Sozialdemokrat Leuenberger im Interview. Solche Beschimpfungen würden eine hasserfüllte Stimmung schaffen.

Der Ausdruck vom “halben Bundesrat Schmid” stammt vom heutigen zweiten SVP-Bundesrat, Christoph Blocher. Samuel Schmid sei nicht von der SVP-Fraktion, sondern von CVP, FDP und SP ausgewählt worden, hatte er damals erklärt.

Die SVP habe deshalb eigentlich nur einen halben Bundesrat, spielte Blocher 2002, damals noch als Nationalrat, auf die Umstände von Schmids Wahl in den Bundesrat an.

Anfang Juni 2005 hatte der Zürcher SVP-Nationalrat Christoph Mörgeli in einer Kolumne geschrieben: “Wäre der Charakter ein lebenswichtiges Organ, man müsste Schmid künstlich am Leben erhalten.” Die Fraktion distanzierte sich später nur mit knappem Mehr von dieser Verunglimpfung.

Kein Verzicht auf Feier

Auf eine Rütli-Bundesfeier will Leuenberger trotz des jüngsten Aufmarsches nicht verzichten. Dem Druck des Pöbels dürfe nicht nachgegeben werden, sagte er.

Ob er 2006 als Bundespräsident auf dem Rütli sprechen werde, wisse er noch nicht. Eine Rede in demokratischem Rahmen müsse auf dem Rütli aber garantiert werden.

Zu den Ereignissen auf der so genannten Wiege der Schweiz hat sich am Donnerstag auch Finanzminister Hans-Rudolf Merz geäussert. “Wir alle unterschätzen das Problem, dass sich am 1. August auf dem Rütli zeigt”, schrieb er in einer Stellungnahme im “Blick”.

Merz sprach seinem Regierungskollegen Schmid Lob aus. Er habe seine Werte auf dem Rütli mit Stolz verteidigt.

Blocher zu Replik gefordert

Deutlicher als Leuenberger wurde Georg Kreis, ebenfalls im “Blick”. Der Präsident der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus (EKR) kritisierte auch Christoph Blocher.

Wenn Schmid als charakterloser halber Bundesrat beschimpft werde, werde klar, weshalb Christoph Blocher und die SVP eine besondere Verantwortung tragen würden.

Dass Justizminister Blocher bisher geschwiegen habe, sei falsch, sagte Kreis. “Er sollte den Rechtsextremismus verurteilen und ihn auch als Gefahr ernst nehmen.”

Gegen Rechtsextreme müsse jedoch auf allen gesellschaftlichen Ebenen mehr getan werden, forderte der Basler Historiker. Die Bundesfeier auf dem Rütli hätten Politiker mit verharmlosenden Bezeichnungen wie “Pöbelei” und “Unanständigkeit” kommentiert.

Rechtsextreme seien ausländerfeindlich, nationalistisch und verherrlichten Gewalt. “Wenn diese politische Position im politischen Alltag beim Namen genannt wird, dann ist schon viel gewonnen”, so Kreis weiter.

Christoph Blocher reagierte am Donnerstag nicht auf die Vorwürfe. Der Justizminister werde sich nicht zu den Interviews äussern, sagte eine Sprecherin des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD) auf Anfrage.

swissinfo und Agenturen

Rund 700 der 2000 Teilnehmenden an der Rütlifeier am 1. August zum Nationalfeiertag der Schweiz stammten aus der rechtsradikalen Szene – fast doppelt so viele wie 2004.

Die Ansprache von Bundespräsident Samuel Schmid hatten die Rechtsradikalen mehrere Male unterbrochen. Zudem wurde Schmid in Sprechchören als “Halbbundesrat” und “charakterlos” beschimpft.

Sein Regierungskollege Moritz Leuenberger hat nun in einem Interview indirekt Schmids Partei SVP kritisiert, aus deren Mitte diese Begriffe stammen.

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