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Bundesratswahl: Grüne treten gegen Blocher an

Kandidatur als politisches Signal: Luc Recordon. Keystone

Die Grünen, Sieger der Parlamentswahlen Ende Oktober, wollen in die Regierung: Der neu gewählte Waadtländer Ständerat Luc Recordon fordert Christoph Blocher heraus.

Das grüne Selbstvertrauen spiegelt sich auch in der Kampfansage um das Nationalratspräsidium: Maya Graf tritt gegen die Sozialdemokratin Pascale Bruderer an.

Der Vorentscheid für eine Kampfkandidatur der Grünen fiel mit 15 gegen 6 Stimmen, sagte die Berner Fraktionschefin Therese Frösch.

Die grünen Parlamentarier setzten somit ein deutliches Zeichen für die Delegiertenversammlung vom 1. Dezember. Dort wird definitiv über eine Bundesratskandidatur der grössten Nichtregierungs-Partei entschieden.

Die Kandidatur gehe nicht gegen die Person Blochers, sondern gegen die “Blocher-Linie”, sagte Recordon. Blochers Politik stelle die Grundwerte einer liberalen Gesellschaft in Frage, indem er etwa in die Unabhängigkeit der Justiz eingreife oder ganze Gruppen stigmatisiere und damit die Gesellschaft spalte. Die politische Klasse dürfe nicht feige in Angst vor der SVP erstarren.

Politisches Signal

Die Mehrheit der Fraktion sprach sich deshalb für dieses politische Signal aus, das auch die anderen politischen Gruppierungen wecken soll. Die Kandidatur sei kein Selbstzweck, sagte Recordon weiter. Wenn es bürgerliche Kandidaturen gebe, die nicht auf der Blocher-Linie lägen, sei die Fraktion auch bereit, über einen Rückzug der Kandidatur zu diskutieren.

Falls die Grünen den Kampfkandidaten am 12. Dezember ins Rennen schicken, sind Recordons Chancen aber minim, als erster Grüner den Sprung in die Schweizer Regierung zu schaffen.

Die unterlegene Minderheit der Fraktion war laut Frösch der Meinung, an der arithmetischen Zusammensetzung des Bundesrates sei nicht zu rütteln. Wenn schon müsste man den zweiten Sitz des Freisinns (FDP) angreifen. Zudem sollte sich die Fraktion nicht auf das Feindbild Blocher fokussieren.

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Zauberformel

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Die Zauberformel schlüsselt die sieben Sitze im Bundesrat (Landesregierung) auf die wichtigsten Parteien in der Schweiz nach ihrer Wählerstärke auf. Sie ist eine Usanz und gründet auf keinem Gesetz. Sie respektiert auch das sprachliche Gleichgewicht. Sie kam erstmals 1959 zum Einsatz: Je zwei Sitze erhielten die Freisinnig-Demokratische Partei (FDP), die Christlichdemokratische Volkspartei (CVP) und die…

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Angriff gegen politischen Partner

Mit dem Selbstvertrauen der Wahlsieger wollen die Grünen ausserdem auch um das künftige Präsidium im Nationalrat kämpfen. Die Baselbieter Volksvertreterin Maya Graf strebt das zweite Vizepräsidium an, um dann 2009/2010 ins Präsidium aufzuschliessen.

Damit tritt Graf gegen die Aargauer SP-Nationalrätin Pascale Bruderer an, die am Freitag von ihrer Fraktion nominiert wurde. Der Anspruch der Grünen sei längst erwiesen, sagte Graf. Die Bundesratsparteien spielten nur noch auf Zeit.

Bei der Fraktionsbildung haben die Grünen einen Zusammenschluss mit den Grünliberalen abgeschrieben. Diese neu gesamtschweizerisch auftretende Partei hat am Samstag beschlossen, unter der Bundeshauskuppel mit den Christlichdemokraten (CVP) und der Evangelischen Volkspartei (EVP) zusammen zu spannen. Am 21. Oktober hatten die Grünliberalen drei Nationalratssitze errungen.

swissinfo und Agenturen

Nach der Geburt des modernen Bundesstaates im Jahr 1848 besetzte die Freisinnig-Demokratische Partei während vier Jahrzehnten alle sieben Bundesratssitze.

Erst im Jahr 1891 konnte zum ersten Mal auch die Christlichdemokratische Volkspartei (früher Katholisch-Konservative Volkspartei) einen Bundesrat stellen.

Die Schweizerische Volkspartei (früher Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei) trat erstmals 1929 der Regierung bei.

Die Sozialdemokratische Partei erhielt ihren ersten Sitz in der Regierung im Jahr 1943.

Seit 1959 setzt sich die schweizerische Regierung immer aus diesen vier Parteien zusammen, die rund 80% der Wählerstimmen auf sich vereinen.

Parteienstärken:

Schweizerische Volkspartei: 29% (+2,3% gegenüber 2003)
Sozialdemokratische Partei: 19,5% (-3,8%)
Freisinnig-Demokratische Partei: 15,6% (-1,7%)
Christlichdemokratische Partei: 14,6% (+0,2%)
Grüne Schweiz: 9,6% (+1,7%)

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