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Das Aus für das Schweizer Phonak-Team

Phonak-Besitzer Andy Rihs (rechts) an der Pressekonferenz in Zürich. Keystone

Andy Rihs wirft das Handtuch. Der Phonak-Besitzer hat am Dienstag die Auflösung des einzigen Schweizer Elite-Rad-Teams auf Ende Jahr angekündigt.

Damit zieht Rihs die Konsequenzen aus dem Dopingfall um den vermeintlichen Tour-de-France-Sieger Floyd Landis, dem ehemaligen Team-Captain.

Drei Wochen nach der grossen Party in Paris trat Phonak-Patron Andy Rihs seinen wohl schwersten Gang an. An einer Medienkonferenz musste der Radsport-Fan bekannt geben, dass das Ende seines Projekts nicht mehr aufzuhalten sei.

“Als passionierter Velofahrer bin ich schwer enttäuscht, dass der Radsport offenbar zu einem Synonym für Doping geworden ist. Diese Entwicklung bedaure ich sehr und hat mich zum Entschluss gebracht, das Phonak Cycling Team per Ende 2006 aufzulösen”, begründet Andy Rihs seinen Entscheid.

Er habe alles unternommen, um Dopingfälle im Team zu verhindern und intern die strengsten Kontrollen aller ProTour-Teams eingeführt. Trotzdem sei der verhängnisvolle Alleingang eines Fahrers nicht zu verhindern gewesen.

“Aus diesem Grund sehe ich mich heute zu etwas gezwungen, was ich in meinem ganzen Leben als Unternehmer nie tat: Ich gebe auf!”, sagt Rihs und betont, dass ihm dieser Entscheid sehr schwer gefallen sei.

Keine anderen Sponsoren gefunden

Rihs wollte sich per Ende Saison zwar sowieso als Hauptsonsor des Teams zurückziehen. Mit dem amerikanischen Fondsverwalter iShares bestand aber ein Vorvertrag für die Übernahme der Mannschaft. Nach der Landis-Affäre kam es mit dem US-Unternehmen zu einer vorzeitigen Vertragsauflösung.

Seither war es Rihs und seinem Teammanager John Lelangue nicht gelungen, andere Sponsoren zu finden, die ein Budget von 15 bis 17 Mio. Franken abdecken wollten. Zudem war höchst ungewiss, ob die Schweizer Profisportgruppe auch für die nächste Saison eine ProTour-Lizenz erhalten hätte.

Durch die Einstellung des Betriebs müssen sich über 50 Leute nach einer neuen Arbeitsstelle umsehen. Rihs und Lelangue wollen den Fahrern behilflich sein, bei anderen Sportgruppen unterzukommen. Mit den acht Landis-Helfern waren schon vor Ende der Tour de France neue Verträge abgeschlossen worden.

Lelangue will bei den kommenden ProTour-Rennen Verhandlungen mit anderen Teammanagern führen, um diese Berufsfahrer in neuen Mannschaften zu platzieren.

Bereits zuvor Doping-Fälle

Andy Rihs war im Jahre 2000 mit 13 Fahrern in den Radsport-Zirkus eingestiegen. Der Mitinhaber des Hörgeräteherstellers in Stäfa steigerte seine Investitionen kontinuierlich, um den Traum eines Tour-Siegers aus seinen Reihen zu verwirklichen.

Nach einem geschätzten Aufwand von rund 50 Mio. Franken schien dieser Traum am 23. Juli dieses Jahres durch Floyd Landis Realität geworden zu sein. Drei Tage später wandelte sich die Euphorie in einen Alptraum, als die Teamverantwortlichen Kenntnis von Landis’ positiver Dopingkontrolle erhielten.

Probleme mit leistungssteigernden Mitteln hatten sich mehr als bei anderen Sportgruppen wie ein roter Faden durch die Phonak-Geschichte gezogen. Die prominenten Fälle neben Landis waren Oscar Camenzind und Tyler Hamilton.

Trotz der grossen Enttäuschung will Andy Rihs weiterhin Nachwuchsprojekte und Aktionen im Zusammenhang mit dem Schweizer Verband unterstützen. Der von Rihs ins Leben gerufene Velohersteller BMC unterhält ein kleines Team in San Francisco, um den Markt in den USA abzudecken.

Phonak fährt die Saison zu Ende und nimmt unter anderem ab Ende August an der Spanien-Rundfahrt teil.

swissinfo und Agenturen

Andy Rihs, Verwaltungsrats-Präsident des Schweizer Hörgeräteherstellers Phonak, gründet sein Rad-Team im Jahr 2000.

Ab 2002 gehört das Phonak-Team zum Profi-Radsport.

2003 engagiert Phonak den starken Amerikaner Tyler Hamilton. Er gewinnt die Goldmedaille im Zeitfahren an den Olympischen Spielen 2004 in Athen. Im gleichen Jahr wird er während der Spanien-Rundfahrt des Blutdopings überführt.

Ebenfalls 2004 werden zwei weitere wichtige Fahrer des Phonak-Teams des Dopings überführt: der Schweizer Oscar Camenzind und der Spanier Santiago Perez.

Weitere Dopingfälle folgen. Der schwerste Fall im Phonak-Team ereignet sich während der diesjährigen Tour de France.

Am Schluss der Morzine-Etappe wird der spätere Tour-Sieger Floyd Landis in der Dopingkontrolle erwischt. Die Gegenanalysen bestätigen die ersten Proben: Landis wird Testosteron-Missbrauch nachgewiesen.

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