The Swiss voice in the world since 1935
Top Stories
Schweizer Demokratie
Newsletter

Fall Adamow: 1. Runde geht an Ex-Minister

März 2000: Adamow (links) und Präsident Putin, der ihn später wegen Korruptions-Verdacht entliess. Keystone Archive

Das Bundes-Strafgericht ordnete die Freilassung des ehemaligen russischen Atom-Ministers Adamow an, der am 2. Mai in Bern festgenommen worden war.

Sowohl Russland als auch die USA wollen Adamow ausgeliefert. Da das Bundesamt für Justiz Beschwerde einlegt, bleibt er vorerst in Haft.

Überraschende Wende im Fall Jewgenij Adamow: Das Bundes-Strafgericht hob am Donnerstag den Haftbefehl gegen den früheren russischen Atomminister auf und ordnete dessen Freilassung an.

Der 65-Jährige bleibt dennoch bis auf weiteres in Haft. Das letzte Wort hat das Bundesgericht in Lausanne. Das Bundesamt für Justiz (BJ) will dort gegen den Entscheid des Bundes-Strafgerichts Beschwerde führen und machte bereits eine superprovisorische Eingabe, um die sofortige Freilassung Adamows zu verhindern.

Garantie des freien Geleits

Das Bundes-Strafgericht in Bellinzona hiess die Beschwerde des am vergangenen 2. Mai in Bern verhafteten Adamow mit der Begründung gut, der Auslieferungs-Haftbefehl des Bundesamts für Justiz (BJ) verletze die staatsvertragliche Garantie des freien Geleits.

Dieser Schutz steht Adamow laut diesem Urteil zu, weil er zum Zeitpunkt der Festnahme in einem Geldwäschereiverfahren der bernischen Justiz gegen seine in der Schweiz lebende Tochter Irina als Auskunftsperson ausgesagt hatte.

Das freie Geleit müsse Adamow gewährt werden, obwohl er freiwillig aus Russland in die Schweiz eingereist sei. Der kantonale Untersuchungsrichter hatte es gemäss dem Urteil versäumt, die Vorladung an Adamow auf dem Rechtshilfeweg mit den entsprechenden Garantien zuzustellen.

Weiterzug nach Lausanne

Obwohl das Bundes-Strafgericht in Bellinzona die Freilassung Adamows anordnete, bleibt dieser bis auf weiteres in Auslieferungshaft, wie BJ-Sprecher Folco Galli sagte. Denn das Bundesamt will innerhalb der gesetzlichen Frist von 30 Tagen Beschwerde beim Bundesgericht in Lausanne führen.

Um die sofortige Freilassung Adamows zu verhindern, machte das BJ noch am Donnerstag eine superprovisorische Eingabe beim Bundesgericht. Darin wurde Lausanne ersucht, die Auslieferungshaft aufrecht zu erhalten.

Noch am Donnerstag-Abend wurde darauf angeordnet, dass Adamow vorerst in Haft bleibt. Ob der Beschwerde des Bundesamtes die aufschiebende Wirkung zukommt, die dann bis zum definitiven Entscheid gelten würde, sollte das Bundesgericht in rund 10 Tagen entscheiden, hiess es am Freitag in Lausanne.

Vorwürfe der US-Justiz gegen Adamow

Adamow war Anfang Mai auf Grund eines US-Verhaftungs-Gesuchs in Bern festgenommen worden. Die US-Justiz wirft Adamow vor, sich mindestens neun Millionen Dollar angeeignet zu haben, die für die Erhöhung der nuklearen Sicherheit in Russland bestimmt waren.

Während die USA noch bis zum 30. Juni Zeit haben, ein formelles Auslieferungsgesuch für Adamow in Bern zu stellen, hat Russland inzwischen bereits ein solches Gesuch eingereicht.

Am vergangenen Dienstag erliess das BJ auch gestützt auf das russische Auslieferungsgesuch einen Auslieferungs-Haftbefehl. Dagegen kann Adamow ebenfalls beim Bundesstraf-Gericht Beschwerde führen.

Peinliche Panne im Bundesamt

Dem Urteil aus Bellinzona ist im weiteren eine peinliche Panne im BJ zu entnehmen: Das Bundesamt versäumte wegen einer Nachlässigkeit in der internen Spedition die Frist, die das Bundes-Strafgericht den Parteien im Beschwerde-Verfahren zur Stellungnahme gesetzt hatte.

Die zu spät eingetroffene Stellungnahme wurde im Urteil aber dennoch berücksichtigt.

«Grosse Weisheit», meint Adamows Verteidiger

Die Anwälte Adamows begrüssten das Urteil. Es zeige, dass die Schweizer Gerichte unabhängig seien, und zeuge von grosser Weisheit, sagte Adamows amerikanischer Anwalt Lanny Breuer.

Das US-Justizministerium wollte zunächst keine Stellungnahme abgeben.

Schweiz vor einem heiklen Entscheid

Die Schweiz steht im Fall Adamow wegen der sich konkurrenzierenden Auslieferungsgesuche der USA und Russlands vor einem heiklen Entscheid. Sie muss unter Berücksichtigung aller Umstände einem der beiden Ersuchen den Vorrang geben, nachdem Adamow selber eine vereinfachte Auslieferung in beide Länder abgelehnt hatte.

Das Geldwäscherei-Verfahren gegen Adamows Tochter Irina ist inzwischen von der Bundesanwaltschaft übernommen worden.

swissinfo und Agenturen

Adamow war von 1998 bis 2001 russischer Nuklear-Minister.

2001 wurde er von Premier Putin wegen Korruptions-Verdachts seines Amtes enthoben.

Adamow wurde Anfang Mai auf Ersuchen der USA in Bern festgenommen. Die USA werfen ihm vor, 9 Mio. Dollar aus einer Summe entwendet zu haben, die für die Sicherheit russischer KKW vorgesehen war.

Ein formelles Auslieferungs-Gesuch der USA steht noch aus.

Ein entsprechendes Gesuch Russlands ist Mitte Mai in Bern eingetroffen. Moskau wirft Adamow Betrug vor.

Beliebte Artikel

Meistdiskutiert

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards

Mehr: JTI-Zertifizierung von SWI swissinfo.ch

Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!

Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft