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Der Meisterkoch mit Fliege

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Anton Mosimann betreibt im Nobelquartier Belgravia in London seit 19 Jahren das Clubrestaurant Belfry. Und er sammelt Fotos von Prominenten an seiner Seite und Kochbücher aus aller Welt.

Das Restaurant mit dem schlichten Namen “Mosimann’s” ist in einer ehemaligen Presbyterianer-Kirche beheimatet, wo der Schweizer Starkoch seine Gäste aus der High Society empfängt.

Anton Mosimann, 60 Jahre alt, bewegt sich in Kreisen, die nicht jedermann zugänglich sind. Sein Club in einem der nobelsten Viertel Londons zählt 2500 Mitglieder, darunter auch Prominenz aus der Schweiz.

Der Belfry-Club besteht aus einem Restaurant, einer Bar und verschiedenen “Private Rooms”, die von Firmen wie Davidoff oder Veuve Clicquot gesponsert sind.

Dorthin kann sich seine gut betuchte Kundschaft zu einem Tête-à-Tête oder einem Business-Dinner zurückziehen. Diskretion und Qualität sind bei “Mosimann’s” oberstes Gebot.

Wen kennt er nicht?

Der wohl bekannteste Schweizer Koch im Ausland empfängt seine Gäste wenn möglich persönlich – und dies meist in Kochmontur und immer mit Fliege. Auch beim Kochen trägt er stets eine seiner 300 “Kurzkrawatten”.

Mosimann ist omnipräsent im Mosimann’s: Der Name ist Brand: Ob auf der Zündholzschachtel, dem Kochkittel oder an der Eingangstüre, das rote M ist unübersehbar.

Unübersehbar ist auch Mosimann mit viel Prominenz in einer Fotogalerie im Treppenhaus des Clubrestaurants: M mit Kofi Annan, (“ein guter Mensch”), mit Adolf Ogi, Elton John, Jassir Arafat, Bill Clinton, Königin Rania von Jordanien (“eine tolle Frau”), Bob Geldof, der Königin von England, Prinz Charles, verschiedenen Missen und vielen mehr.

Mosimann ist stolz, all diese Berühmtheiten persönlich zu kennen und bekocht zu haben. Das ist seine Welt. Dafür hat er hart gearbeitet.

Fast eine Tellerwäscher-Karriere

Aufgewachsen ist er in Nidau bei Biel im Kanton Bern, wo sein Vater ein einfaches Restaurant führte. Mit ihm ging er auf den Markt und fand Freude am Métier. Im Bären in Twann absolvierte er eine Lehre als Koch.

Darauf arbeitete der Jungkoch in verschiedenen Nobel-Hotels in der Schweiz. Er kochte in Rom, Montreal, Osaka, Brüssel, Stockholm, auf einem Kreuzfahrtschiff, am WEF in Davos. Insgesamt hat er in 75 Städten gekocht. Der Starkoch für Galadinners wird oft in die Schweiz geholt.

Seit 1975 lebt Anton Mosimann in London. Bereits mit 28 war er im Dorchester Hotel Maître Chef de Cuisine. Für seine Verdienste um die britische Gastronomie wurde ihm von Queen Elizabeth II der “Order of the British Empire” verliehen, eine Ehre, die nur wenigen Nicht-Briten zukommt.

Der Flop im Schlössli

Sein erfolgreiches Leben basiere auf einer Kombination von Glück und harter Arbeit, sagte Mosimann: “Ich arbeite 12 bis 15 Stunden am Tag. Es gibt mir Genugtuung, wenn meine Gäste zufrieden sind.”

Neben dem Belfry betreibt der Starkoch einen Party Service, eine Kochakademie, hat ein Dutzend Kochbücher veröffentlicht und nennt eine Sammlung von 6000 Kochbüchern sein eigen. “Darunter hat es sehr alte Erstausgaben. Sie liegen teils im Banksafe.”

Einen Knick hat seine Traumkarriere allerdings: Die Idee, in der Schweiz ein exklusives Clubrestaurant zu betreiben, funktionierte nicht. Nach nur drei Jahren musste er das “Château Mosimann” bei Olten schliessen.

“Misserfolge gehören zum Leben. Wenn die Sonne jeden Tag scheint, ist das auch nicht mehr interessant”, sagt Mosimann und steckt das Thema lieber weg.

Inspiration vor Ort

Mosimann reist gerne und viel. Und wo immer ihn seine Reisen hinführen, darf ein Besuch auf dem lokalen Markt nicht fehlen. “Ich sehe mir die Qualität der Produkte an und lasse mich inspirieren.”

Eben kam er von einer Reise aus Kuba zurück. “Ich wollte sehen, wie die Zigarren hergestellt werden.” In Schweden wollte er die Fische sehen. “Ich bin ein Fan von Heringen.”

Mit seinen 60 Jahren wirkt der Meisterkoch noch immer fit. Er joggt täglich, isst und kocht gesund. Die asiatische Küche, insbesondere die japanische, steht bei ihm ganz zuoberst. “Aber ich esse alles, so wurde ich erzogen.”

Der langsame Ausstieg

Wenn er von seinen zahlreichen Besuchen aus der Schweiz nach London, seiner Wahlheimat, zurückkehrt, bringt er jeweils Blut- und Leberwürste oder auch mal Kutteln mit. Und einmal im Monat gibt’s Aal an einer chinesischen Sauce. “Das ist wie Weihnachten.”

Langsam will er nun etwas kürzer treten. Noch dieses Jahr werden seine beiden Söhne Mark und Philip, die in Lausanne die Hotelfachschule absolviert haben und momentan im Ausland ihre Sporen abverdienen, nach London zurückkehren – ins väterliche Geschäft.

Und dann wird sich Anton Mosimann immer öfter an seinen “Soft Spot”, seine Wohnung am Genfersee zurückziehen.

swissinfo, Gaby Ochsenbein, London

Adresse Belfry: 11B West Halkin Street, Belgravia, London.
Der Club wurde 1946 gegründet.
Er hat 2500 Mitglieder.
Der Mitgliederbeitrag beträgt pro Jahr 500 Pfund (1250 Franken).
Das Belfry ist eine ehemalige Presbyterianer-Kirche.

Anton Mosimann wird am 23. Februar 1947 in Solothurn geboren. Er wächst in Nidau bei Biel auf. Seine Kochlehre macht er im Bären in Twann.

Als junger Koch arbeitet er in verschiedenen 1.–Klasshotels in der Schweiz, Frankreich, Japan, Schweden, Italien, Kanada, Belgien.

1975 kommt er nach England. Er wird Chefkoch im Dorchester Hotel in London. Seit 1988 betreibt er das exquisite Clubrestaurant Belfry in Belgravia, London.

Der Versuch, ab 2000 im Sälischlössli bei Olten ein exklusives Clubrestaurant nach Londoner Vorbild zu betreiben, funktioniert nicht. 2003 schliesst das “Château Mosimann”.

2004 wird er von Königin Elizabeth II mit dem “Order of the British Empire” ausgezeichnet.

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