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Der Quarterback und das Emmental

Wie viel Schweiz steckt noch in Ben Roethlisberger? Keystone

Auf den Spuren seiner "swiss roots" besucht der American-Football-Superstar Ben Roethlisberger Lauperswil, von wo sein Vorfahre 1873 ausgewandert ist.

Roethlisbergers Schweizerreise ist ein minutiös inszeniertes Medienspektakel. Schwer zu sagen, wo echte Gefühle mitspielten und wo reine Routine.

Am 5. Februar schrieben die Pittsburgh Steelers in der amerikanischen National Football-League (NFL) Geschichte: Mit dem 21:10 gegen die Seattle Seahawks im Finale um den Superbowl in Detroit sicherte sich das Team zum fünften Mal die wichtigste Trophäe im US-Sport.

Mittendrin ein gewisser Ben Roethlisberger, Quarterback der Pittsburgh Steelers. Der Quarterback ist im American Football der Spielgestalter, der Kopf der Offensive. Er muss den nächsten Spielzug, der meist vom Trainer festgelegt wird, seinem Team vermitteln und umsetzen.

Roethlisberger, 24 Jahre alt, ist der bislang jüngste Quarterback, der den Superbowl gewonnen hat. Und da seine Sportart die populärste in den USA ist, ist Roehlisberger so etwas wie der Ronaldinho der USA.

Schweizer Wurzeln

Findigen Schweizern fiel der Name des erfolgreichen Spielgestalters im fernen Pittsburgh auf: Roethlisberger.

Ein typischer Schweizer Name, denn alle Röthlisberger – wie sie sich in der Schweiz schreiben – stammen aus dem Emmental.

Der Agent des neuen US-Sportidols, Ryan Tollner, sagt, was er plant: “Ben ist in Amerika ein Superstar, nun soll er es weltweit werden. Den Anfang machen wir in der Schweiz.”

So kam es, dass der 24-jährige Footballstar zum Botschafter des Projektes “swiss roots” wurde. Ganz im Sinne von Tollner.

Mit “swiss roots” sollen die auf über eine Million geschätzten Amerikanerinnen und Amerikaner mit Schweizer Wurzeln aufgefordert werden, doch – wie Ben – ihr Herkunftsland zu entdecken und in die Schweiz zu reisen.

Der Medienstar

Anschauungsunterricht erhalten die Medien vor Ort, in Lauperswil, von wo UrUr-Grossvater Karl Röthlisberger anno 1873 in die USA auswanderte.

Sein berühmter Nachfahre, Ben, wird im gesponserten 7er-BMW zur Pressekonferenz gefahren. Begleitet von Mutter, Vater und Schwester.

In Lauperswil beantwortet Ben Roethlisberger artig und routiniert Fragen der Journalisten. Dann isst “Big Ben” echte Bauern-Hamme mit Züpfe. Er fährt zusammen mit dem Medientross zum vermeintlichen Geburtshaus hoch oben im steilen Emmentaler Weiler Geissbühl.

Dort wird Käse angeschnitten, die Geschichte der Röthlisbergers aufgerollt. Ben trifft seinen Grossonkel, den 95-jährigen Otto Röthlisberger. Beim Besuch des Innern des Bauernhauses sind die Medien nicht zugelassen.

Später wird Ben Roethlisberger – mit einer Kamera in der Hand – ein Kalb taufen und sich im ländlichen Volksport Hornussen, dem “Farmers Golf”, wie es übersetzt wird, versuchen und auf die Frage eines Journalisten zu seinen Schweizer Wurzeln antworten: “Ich werde immer mehr Schweizer.”

Die Emmentaler Art

Im bekannten Schweizer Volkslied: “Niene geits so schön und luschtig, wie bi üs im Ämmitau” heisst es – frei in Schriftsprache übertragen: “da gibt es kein Klassendünkel – alle sagen einander Du – sei es der Knabe, der die Milch in die Molkerei trägt – oder trage er die Schuhe eines Ratsherrn”.

Diese emmentalische Mentalität, lebensbejahende Wärme gepaart mit Religiosität und gleichzeitiger Distanziertheit, ist eine Folge der geographischen Lage. Abgelegene Bauernhöfe, die doch auf Gedeih und Verderben aufeinander angewiesen sind und den gottgegebenen Naturereignissen trotzen müssen, prägen seit Jahrhunderten die Menschen. Nachzulesen bei Gotthelf.

Ben Roethlisbergers Ur-Ur-Grossvater war so ein Emmentaler. Sein Nachfahre, der Sportsuperstar, zeigt, dass eine Spur Emmentaler in ihm geblieben ist. Distanziert und gleichzeitig zugänglich (obwohl das Management ihn weitgehend abschirmte) scheint er an diesem Tag. Begleitet vom hauseigenen Steelers-TV, das jeden Schritt filmt.

Hornusser knacken Routine.

Nur einmal, so scheint es, streift Ben für kurze Zeit die mediale Maske ab. Beim Treffen mit den Hornussern von Unterfrittenbach. Intuitiv spürt er bei den urigen Typen wohl so etwas wie “roots”.

Dem ländlichen Volksport, wo eine kleine Hartgummischeibe mittels Schläger und Abschlagvorrichtung hunderte von Metern weit gedroschen und hinten von Gesellen mit eigenartigen Schindeln “abgetan” wird, steht Ben Roethlisberger erst skeptisch gegenüber.

Als Christian Burkhard, der den “Nouss” dreihundert Meter weit geschlagen hat, Roethlisberger auffordert auch zu schlagen, zögert der erst. Blick zum Management. Erlaubt mein Vertrag das, könnte ich mich verletzen?

“So zieh dy Chittu ab und tätsch eine hingere”, sagt Burkhard aufmunternd. Obwohl Ben kein Deutsch und schon gar kein Schweizerdeutsch versteht, haben wir Zuschauer das Gefühl, dass der Vollamerikaner jetzt etwas Schweizer, etwas Emmentaler, geworden ist.

Ben Roethlisberger zieht die Jacke aus, nimmt den Schläger. Burkhard gibt Anweisungen und Ben schlägt. Rund 140 Meter fliegt der Hartgummi. Anerkennung bei den Aktiven “Das kann kaum jemand beim ersten Mal”, sagen die bestandenen Hornusser.

Es folgt ein Gruppenbild und ein für einen Moment von den Fesseln der Mission befreiter Quarterback schlendert lachend und schwatzend dem wartenden Auto zu.
Hinten reinigen die Hornusser bereits die Anlage und trinken Bier. “Es war da ein bekannter Sportler bei uns”, sagt einer zu einem Aussenstehenden. “Er soll in Amerika recht bekannt sein.”

swissinfo, Urs Maurer, Lauperswil

“swiss roots” ist ein Projekt von Präsenz Schweiz, prohelvetia und Schweiz Tourismus.

Ein Höhepunkt ist die Ausstellung “In kleiner Zahl – Mit grosser Wirkung” auf der New York vorgelagerten “Einwandererinsel” Ellis Island.

Die Ausstellung über Schweizer Immigration in die USA wird von Bundesrat Pascal Couchepin am 29. Juli eröffnet.

1,2 Mio. Amerikanerinnen und Amerikaner haben Schweizer Wurzeln.

Die Namen von mehr als 5000 amerikanischen Dörfern und Städte haben einen mutmasslichen schweizerischen Ursprung.

Die meisten Amerikaner mit Schweizer-Wurzeln leben in Kalifornien, im Staate New York, in Ohio in Pennsylvania und in Wisconsin.

Ben Roethlisberger wurde 1982 geboren und besuchte das College in Miami (Ohio).
Er ist 110 Kilo schwer und 1,95 Meter gross.
Im Verlag Sport Publishing ist bereits ein Buch über ihn erschienen: Roethlisberger: Pittsburgh’s Own Big Ben.

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