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EU/EFSF-Chef weist Warnungen vor Euro-Transferunion zurück

BERLIN (awp international) – Der Chef des Euro-Rettungsschirms EFSF, Klaus Regling, hat Warnungen vor einer dauerhaften Transferunion in der Euro-Gruppe zurückgewiesen. Alle Hilfsinstrumente des EFSF und des künftigen Rettungsschirmes ESM seien an strikte Auflagen geknüpft.
«Die Währungsunion wird daher keine Transferunion; es wird keinen dauerhaften «Länderfinanzausgleich» von Reich nach Arm geben», heisst es in einer Stellungnahme Reglings für eine Anhörung des Haushaltsausschusses des Bundestages am kommenden Montag in Berlin.
«Es wird Hilfe zur Selbsthilfe finanziert, damit ein Land nach Überbrückung der Probleme aus eigener Kraft wieder an den Kapitalmarkt zurückkehren kann», betonte Regling in dem Papier, das der Nachrichtenagentur dpa am Donnerstag vorlag.
Der Ökonom Clemens Fuest sieht in seiner Stellungnahme dagegen die Gefahr, dass die erweiterten Mittel des EFSF «zur dauerhaften Unterstützung überschuldeter Staaten und damit zur Errichtung einer dauerhaften Transfer- und Verschuldungsunion» genutzt werden.
Einzelne Euro-Länder könnten die Kosten übermässiger Verschuldung auf die Gemeinschaft abwälzen, wodurch die Staatsverschuldung insgesamt weiter steige, warnte der wissenschaftliche Berater des Bundesfinanzministeriums, den die FDP als Experten geladen hat. Er plädierte dafür, dass Länder bei Hilfen «vorübergehend auf nationale Autonomie in der Wirtschafts- und Finanzpolitik verzichten».
Eine sinnvolle Funktion des erweiterten EFSF könnte aus Sicht von Fuest darin liegen, in einem Mitgliedstaat «einen geordneten Schuldenschnitt» zu ermöglichen. Zumindest in Griechenland liege eindeutig ein Überschuldungsproblem vor. Das sei weder durch weitere Kredite noch durch Anpassungsprogramme aus der Welt zu schaffen.
Deshalb bestehe die Wahl zwischen einem sofortigen grösseren Schuldenschnitt (geordnete Insolvenz), einem künftigen Schuldenschnitt noch grösseren Ausmasses, einer Folge bereits begonnener, kleinerer Schuldenschnitte oder schliesslich einer teilweise Übernahme der griechischen Staatsschulden durch die anderen Euro-Länder unter Verschonung privater Gläubiger. Letzteres Szenario aber müsse verhindert werden, forderte Fuest.
Der EFSF soll neue Instrumente erhalten. Künftig kann er Staatsanleihen kriselnder Euro-Staaten aufkaufen – sowohl von Investoren als auch von Regierungen. Zudem kann er vorsorglich eingreifen und einem Land eine Kreditlinie bereitstellen. Auch sollen Staaten Geld erhalten, damit sie ihre Finanzinstitute stützen können.
Damit der Rettungsfonds auch tatsächlich Notkredite in vollem Umfang von 440 Milliarden Euro vergeben und sich dafür günstig Geld borgen kann, wird der Garantierahmen auf 780 Milliarden Euro aufgestockt. Deutschland schultert davon rund 211 Milliarden Euro, bei einem Ausfall anderer Bürgen sogar bis zu 253 Milliarden Euro.
Der Bundestag soll am 29. September über die EFSF-Reform abstimmen. Eine Zustimmung insgesamt gilt als sicher. Eine eigene Mehrheit der schwarz-gelben Koalition ist bisher jedoch fraglich. Ob der erweiterte EFSF wie geplant ab Oktober agieren kann, ist unklar. So könnten sich Abstimmungen in anderen Euro-Ländern verzögern.
Das zweite Griechenland-Paket von 109 Milliarden Euro soll auch mit EFSF-Mitteln finanziert werden. Derzeit hat der EFSF-Fonds Kredite von 3,6 Milliarden Euro an Irland sowie 5,9 Milliarden an Portugal vergeben. Insgesamt belaufen sich die Hilfen im Zuge der Programme auf 17,7 Milliarden an Irland und 26 Milliarden Euro an Portugal.
Aus Sicht von Fuest sind der aktuelle und künftige Rettungsschirm geeignet, bei Problemen kleinerer Länder zumindest vorübergehend die Lage zu stabilisieren. Sollten aber grössere Euro-Länder wie Spanien oder Italien in Nöte geraten, sei der EFSF überfordert. «Wenn es in der Eurozone zu einer Rezession kommt, ist zu befürchten, dass weitere Mitgliedstaaten in die Überschuldung abrutschen.» Mit dem Risiko müsse sich die deutsche Politik dringend auseinandersetzen./sl/DP/bgf

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