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Atommüll-Endlager nahe der deutschen Grenze?

Im zürcherischen Benken soll hochradioaktiver Atom-Abfall gelagert werden. Dies will die Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra).

Die geologischen und hydrologischen Bedingungen seien dort gegeben, die Sicherheit garantiert.

Die Nagra ist seit Jahrzehnten auf der Suche nach einem geeigneten Standort für die Lagerung von radioaktivem Abfall in der Schweiz. Ihre Probebohrungen und Abklärungen stiessen immer wieder auf Widerstand in der Bevölkerung. Auch in Deutschland wurde im Zusammenhang mit dem Standort Benken Kritik laut.

Das Zürcher Weinland sei aufgrund seiner geologischen Beschaffenheit ein “Gebiet erster Priorität”, um hochradioaktive Abfälle dereinst definitiv zu lagern, teilte die Nagra nun am Freitag mit. Der dazu erstellte Entsorgungsnachweis diene dem Bundesrat als Grundlage, das weitere Vorgehen festzulegen.

Der Nachweis ist eine wesentliche Etappe im Schweizer Entsorgungsprogramm für radioaktiven Müll. Die Nagra kommt damit einer Forderung der Regierung aus dem Jahre 1988 nach. Das Gesetz schreibt vor, dass die in der Schweiz anfallenden radioaktiven Abfälle grundsätzlich im Inland zu entsorgen sind.

Bundesrat soll 2006 entscheiden



Seit 1997 konzentrierte sich die Nagra bei ihren Abklärungen auf den Opalinuston. So heisst das Wirtsgestein, das nach ihrer Ansicht ein Tiefenlager aufnehmen könnte. Neben Benken wurden Sondierbohrungen und Abklärungen auch im Felslabor Monti Terri im Kanton Jura durchgeführt.

Die den Bundesbehörden übergebenen Berichte sollen aufzeigen, wie und wo abgebrannte Brennelemente, hochaktive und langlebige mittelaktive Abfälle in der Schweiz sicher entsorgt werden könnten, wie das Bundesamt für Energie (BFE) am Freitag mitteilte.

Die Nagra beantragt dem Bund, sich für die weiteren Abklärungen auf Benken auszurichten. Das Gebiet sei in einem breit angelegten, systematischen und ausführliche dokumentierten Auswahlverfahren aufgrund von Sicherheits-Kriterien ausgewählt worden. Das Auswahlverfahren der Nagra führte aber auch zu mehreren Reserveoptionen.

Die Bundesbehörden brauchen nach BFE-Angaben voraussichtlich zwei Jahre, um die Unterlagen zu prüfen. Danach findet das öffentliche Auflageverfahren statt, mit einem Entscheid der Regierung rechnet das Bundesamt im 1. Quartal 2006. Bis die Schweiz aber ein Endlager in Betrieb nehmen könne, dauere es noch mehrere Jahrzehnte.

Deutsche Kritik – offene Information zugesichert



Für das weitere Vorgehen sichert das BFE den betroffenen Regionen eine “offene Information und Kommunikation” zu. Darin werde auch Süddeutschland einbezogen.

Kritik kam am Freitag umgehend aus Benken und aus Baden-Württemberg. Bernhard Wütz vom deutschen Landratsamt Waldshut befürchtet, mit der Eingabe der Nagra würden vollendete Tatsachen geschaffen.

Auf die deutsche Forderung, Alternativstandorte zu prüfen, sei die Schweiz zuwenig eingegangen. Angesichts der Vielzahl kerntechnischer Anlagen im grenznahen Raum sei ein Endlager in Benken nicht vertretbar, kritisiert Wütz.

Auch der Verein “Bedenken” (Bewegung gegen eine Atommülldeponie in Benken) kritisiert, dass die Nagra aus Spargründen ihre Untersuchungen viel zu früh auf einen Standort eingeschränkt habe. Er forderte die Ausweitung der Abklärungen auf mindestens drei Standorte. Gefordert sei ein “vollständiger Neubeginn der Untersuchung” nach den in der Zwischenzeit geänderten strengeren Grundsätzen.

Nagra: Zwischenlager weiterhin sicher



Im Zwischenlager für radioaktive Abfälle (ZWILAG) in Würenlingen im Kanton Aargau können radioaktive Abfälle gemäss Nagra weiterhin sicher gelagert werden. Diese müssten vor einer Endlagerung noch abkühlen. Gemäss der Elektrizitätswirtschaft sei ein Endlager für hochradioaktive Abfälle erst 2050 nötig.

Die Arbeitsgruppe des Bundes für die nukleare Entsorgung (AGNEB) ist jedoch laut einer Mitteilung vom Juni dieses Jahres der Ansicht, dass ein Endlager schon früher betriebsbereit sein sollte.

Weiterhin ungelöst ist auch das Projekt der Nagra für ein geologisches Tiefenlager für schwach- und mittelaktive Abfälle. Die Konzession für einen Sondierstollen am Wellenberg wurde von der Bevölkerung des Kantons Nidwalden diesen Herbst abgelehnt.

swissinfo und Agenturen

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