Auch der Finanzplatz Schweiz ist föderalistisch

Als 1907 der Verband Schweizerischer Kantonalbanken (VSKB) gegründet wurde, war die älteste Kantonalbank, jene in Genf, selbst schon über 90-jährig.
Der Verband koordiniert seither die Interessen der 24 Kantonalbanken, ohne ihre Autonomie einzuschränken. Diesen Mai feiert er seinen 100. Geburtstag.
Die meisten Kantonalbanken (KB) wurden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gegründet, und zwar aus einem spezifischen Grund.
Es war die Zeit der Industrialisierung der Schweiz und der grossen Infrastrukturprojekte wie dem Gotthard-Tunnel.
Die damaligen Grossbanken konzentrierten sich auf diese Projekte und vernachlässigten Gewerbe und Landwirtschaft – ein Vorwurf, der sie bis heute immer wieder begleitet hat.
In den Kantonen wurde der Ruf lauter nach (halb-)staatlichen Banken, die zinsgünstige Hypothekar-Darlehen gewähren und die Nachfrage nach Krediten von KMU befriedigen. Darüber hinaus sollten sie auch den Sparwillen der Bevölkerung fördern.
Oder wie es der damalige Bundesrat Kaspar Villiger anlässlich der Frühjahrssession 1996 formulierte: «Sie wurden im letzten Jahrhundert geschaffen, natürlich zur Entwicklung der einzelnen Kantone.» Die Kantonalbanken seien auch heute noch eine Art Ausdruck kantonaler Souveränität.
Sämtliche Sparten des Bankgeschäfts
Inzwischen sind die 24 bestehenden KB zu Universalbanken geworden: Sie bieten die ganze Palette an Finanzdienstleistungen an – teils sogar über die Kantonsgrenzen hinweg, wie den Geldbezug über Bancomate oder die Betreuung von Anlagekunden.
Auch ihr Marktanteil lässt sich sehen: Im inländischen Retailgeschäft (Zahlungsverkehr, Kredite und Anlagen für Kleinkundschaft und KMU, also kein Private Banking) beträgt er über einen Drittel.
«Seit der Zeit des Weltkriegs tendiert der Marktanteil leicht rückläufig», sagt VSKB-Direktor Hanspeter Hess gegenüber swissinfo. «Das hängt vor allem damit zusammen, dass die Grossbanken damals regional tätige Banken aufgekauft respektive sich Marktanteile zugekauft haben.»
Nicht Gleichgewicht, sondern Gegengewicht
Als Gegenkraft zur Konzentrationswelle unter den Grossbanken in den 1990er-Jahren gewannen die KB eine wettbewerbspolitische Bedeutung, «nicht als Gleich-, sondern als Gegengewicht» (Kaspar Villiger).
Doch wuchs seither im Retailing-Bereich auch ihre Konkurrenz, in erster Linie die Raiffeisen-Banken.
Negativ-Schlagzeilen und zweischneidige Staatsgarantie
Andererseits kam es in der gleichen Zeit primär als Folge der Immobilienkrise auch zu gravierenden Problemen: So mussten die Berner KB infolge risikoreicher Geschäfte mit dem Financier Werner K. Rey oder die KB des Kantons Jura mit Steuergeldern saniert werden.
Und die KB von Solothurn und von Appenzell Ausserrhoden wurden, ebenfalls mit grossen Verlusten für die Steuerzahler, an Grossbanken verkauft. Diese beiden Kantone haben keine KB mehr.
Auch die EU hat diese staatlichen Garantien im Visier: Brüssel stösst sich namentlich an den Landesbanken und Sparkassen in Deutschland, die eine ähnliche staatliche Garantieleistung geniessen. Die Garantie entspreche einem Privileg und verzerre deshalb den Wettbewerb.
«Da die Schweiz nicht Mitglied der EU ist, stellt sich diese Frage hier so gar nicht», sagt Hess. «Die Kantonalbanken können zusammen mit ihrem Trägerkanton selbst festlegen, ob sie eine solche Garantie wollen oder nicht. Zudem ist bei den meisten Kantonalbanken eine finanzielle Entschädigung für die Staatsgarantie vorgesehen.»
In typisch schweizerischer Manier schwanken die KB zwischen gemeinsamen Ansätzen und föderalistisch-kantonaler Positionierung. Ihr gemeinsamer Verband, der nun sein 100-Jahr-Jubiläum feiert, dient zwar als Austausch- und Koordinations-Plattform, nicht aber als Verbund.
Swisscanto Nr. 3 im Fondsgeschäft
Andererseits können dank der so genannten Netzwerk-Partner, die über den Verband gefördert werden, die KB überregional, landesweit oder gar international tätig werden.
Auf ihrem Weg von der traditionellen Spar-/Hypothekenbank zur Universalbank haben die KB eine breite Angebotspalette entwickelt.
Hinter vielen dieser Finanzprodukte und –services stehen die Netzwerkpartner dabei als Kompetenz- und Produktionszentren: So im Fonds- und Vorsorge-Geschäft, in der Vermögensverwaltung, im Kreditkarten-Geschäft, in der Ausbildung und Informatik.
Der bekannteste derartige Netzwerk-Partner ist die Swisscanto Gruppe. 1993 gegründet, gilt sie heute als eine der führenden Anbieterinnen von Fonds und Vorsorgeprodukten. Vertrieben werden ihre Produkte über die KB.
swissinfo, Alexander Künzle
Gegenwärtig gibt es 24 Kantonalbanken.
Die erste wurde 1816 vom Kanton Genf gegründet, die letzte 1979 vom Kanton Jura.
Die Bilanzsumme aller Institute beträgt 334 Mrd. Franken.
Die Kantonalbanken haben zusammen 808 Geschäftsstellen und einen Personalbestand von 16’500.
22 besitzen eine Staatsgarantie.
8 Institute sind als Aktiengesellschaften eingetragen, die anderen sind selbstständige Anstalten nach kantonalem Recht.
1907 schlossen sich die Kantonalbanken im «Verband Schweizerischer Kantonalbanken» zusammen. Deshalb feiert er 2007 sein 100-Jahr-Jubiläum.
Er vertritt die gemeinsamen Interessen gegenüber Dritten, stärkt die Stellung der Banken und fördert die Zusammenarbeit der Kantonalbanken untereinander.
Die Geschäftsstelle nimmt Stellung zu aktuellen wirtschafts- und bankpolitischen Fragen, sorgt für die Information der Verbandsmitglieder und pflegt Kontakte mit eidgenössischen Behörden.
Als Jubiläumsprojekt haben die Kantonalbanken Anfang dieser Tage die «Dreamcard» lanciert.
Die Angebotspalette reicht von Schwimmen mit Delfinen im Connyland und Meditations-Weekends über Privatpartys mit ex-Miss-Schweiz Mahara McKay als DJ bis zu einem Exklusivkonzert mit Michael von der Heide in einem Altersheim, etc.
Die Zürcher und die Waadtländer Kantonalbank legen ihre Informatik und das Backoffice zusammen. Das Outsourcing an ein Joint Venture wurde letzten Freitag bekannt.
Dem Service dieses Joint Ventures, der bisher grössten Zusammenarbeit zwischen Universalbanken in der Schweiz, dürften sich weitere Drittbanken anschliessen.
Das neue Gemeinschafts-Unternehmen (ZKB 65%; BCV 35%) soll 2011 operativ werden, mit rund 1050 Arbeitsplätzen in Zürich und 250 in Lausanne.
Die ZKB bringt ihre IT-Plattform ein, in die sie 1,2 Mrd. Franken investiert.
Die Synergien sollen 20% Einsparungen ergeben, ohne dass Arbeitsplätze abgebaut würden.

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