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Bankgeheimniskrise stimuliert Nummernkonten

Das Nummernkonto nährt noch manche Phantasie. Anonym? Nein. Sehr diskret? Sicher. Marcel Zürcher

Angesichts der Angriffe auf das Bankgeheimnis und die entwendeten Daten versuchen die Schweizer Banken mit allen Mitteln, die Diskretion zu erhalten, die ihre Reputation ausmachte. In diesem Umfeld könnte das Nummernkonto helfen, ihren Ruf zu bewahren.

Berühmt geworden sind sie durch Filme wie die Abenteuer von James Bond und anderen Agenten, durch Skandale mit geheimen Konten von Politikern und Managern.

In der kollektiven Vorstellung stehen die Nummernkonti als Synonym für Anonymität und die Entgegennahme von schmutzigem Geld.

Dieser anrüchige Ruf macht den Schweizer Bankiers zu schaffen. Bei der blossen Erwähnung des Begriffs “Nummernkonto” verschliessen sie sich wie Austern.

Kein Bankier, weder in Genf, Zürich noch Lugano gibt eine Zahl oder eine Statistik über die Nummernkonten in der Schweiz heraus. Genauso wenig beantwortet wird die Frage zum Profil der Antragssteller, die damit finanzielle Vorteile erlangen möchten.

Letzte Bastion der Freiheit

“Das ist eines der letzten Gebiete, in denen noch ein kleines Stückchen Freiheit besteht im Hinblick auf die zunehmende Regulierung im Bankensektor”, sagt Chantal Bourquin, Leiterin Kommunikation bei der Vereinigung Schweizerischer Privatbankiers (VSPB). Dies erkläre auch, warum die Finanzinstitute daran interessiert seien, diese Option zu erhalten.

“Das Nummernkonto ist ein Konto wie jedes andere auch…Sehen Sie! Alle Bankkonten bestehen aus Zahlen”, witzelt James Nason, der Sprecher der Schweizer Bankiervereinigung in Basel mit seinem britischen Humor.

Aber ebenso wie bei anderen Banken, lässt er sich von swissinfo.ch – ausser Allgemeinplätzen – keine weiteren Informationen dazu entlocken.

Gleiche Regeln

Die Banker werden erst gesprächiger, wenn es darum geht, die Regeln, Konditionen und Restriktionen zu erklären, welche den Nummernkonti unterliegen. “Ein solches Konto unterliegt genau denselben Anforderungen wie jede andere Bankbeziehung”, sagt UBS-Sprecher Dominique Gerster.

“Wir müssen unbedingt die Herkunft der Gelder und die Identität des Klienten kennen”, sagt er. “Wenn ein Gericht dies verlangt, müssen die Daten der Justiz übergeben werden, wie bei jeder anderen Bankbeziehung”, so Gerster weiter.

“Wir kennen die Identität des Kunden, egal ob es sich um ein normales oder ein Nummernkonto handelt”, unterstreicht Jan Von der Müll, Leiter Kommunikation bei der Bank Julius Bär in Zürich. Und das ist dann auch schon die einzige Angabe, welche die grösste Schweiz Privatbank in diesem Zusammenhang herausgibt.

Schutz vor Datendieben

Während Leute wie Hervé Falciani, Rudolf Elmer oder Bradley Birkenfeld dafür verantwortlich sind, dass das Schweizerische Bankgeheimnis nach und nach in Stücke gehauen wird, könnte das Nummernkonto die Renditen und Interessen der Bankiers retten.

Ein Vermögensverwalter der Tochtergesellschaft einer Bank im Tessin, die von der Kapitalflucht von der UBS und anderen Branchenriesen profitiert hat, ist zuversichtlich.

“Als Vorsichtsmassnahme entscheiden sich viele ausländische Kunden für ein Nummernkonto. Aber diese Art von Beziehungs-Banking war bei den wohlhabenden Kunden bereits in der Vergangenheit beliebt”, sagt der Spezialist, der anonym bleiben möchte.

“Ohne Zweifel geht es angesichts der Angriffe der italienischen Regierung darum sicherzustellen, dass Informationen nicht in die Hände von bösartigen Bankangestellten fallen. Dies erklärt den Anspruch des Kunden auf einen hohen Datenschutz. Und es gibt nichts besseres als ein Nummernkonto, um diese Erwartungen zu erfüllen”, sagt er.

Hausse erwartet

Weitere von swissinfo.ch befragte wichtige Banken wollen dies weder bestätigen noch dementieren. “Es ist durchaus denkbar, dass sich der Trend in diese Richtung entwickeln wird”, sagt James Nason. Er will aber nicht sagen, ob diese Bewegung von den Finanzinstitutionen, die seine Vereinigung vertritt, bereits wahrgenommen wird.

Auch wenn ein Nummernkonto keine absolute Anonymität gewährt, ist es doch so, dass zu den Dokumenten mit dem Namen und der Adresse des Kunden nur eine sehr begrenzte Anzahl von Bankmitarbeitern Zugang haben.

“Ein Kollege aus einer anderen Bankfiliale wird keinen Zugang zur Identität meines Kunden erhalten”, betont der Vermögensverwalter aus dem Tessin.

Im Gegensatz zu anderen Konten-Kategorien werden Informationen zu Kontoinhaber und Kontonummer nicht zusammen in einer Datenbank gespeichert. “Dies bedeutet einen verstärkten Schutz der Privatsphäre des Kunden”, ist der Tessiner Banker überzeugt. Deshalb wundert er sich über den Skandal, der die Bank HSBC erschüttert hat.

Anonymität manchmal nötig

Aber nicht jeder, der Geld auf einem Bankkonto zu verstecken versucht, will Steuern hinterziehen. Sehr beliebt ist dieses Vorgehen auch bei Scheidungsfällen, Erbschaften oder Erpressung.

Auch hier bietet ein diskretes Konto zusätzlichen Schutz für den Inhaber. Ein Kläger muss angeben können, bei welcher Bank die Gelder deponiert sind. Darauf muss die Justiz entscheiden, ob eine Beschwerde oder Klage eingereicht werden kann.

Dies ist ein grosser Trumpf für reiche Personen wie Politikerinnen und Politiker oder Prominente. Diese befinden sich in einer grösseren Gefahr, Opfer von Erpressung zu werden.

Die persönlichen Daten eines Kunden wie Name, Adresse und Kontonummer gehen bei einer traditionellen Bank durch viele Hände. Die damit verbundenen Risiken können mit einem Nummernkonto vermindert werden.

Eine solche Abschirmung habe aber ihren Preis, sagt James Nason: “Die administrativen Prozeduren sind in so einem Fall kompliziert. Aus diesem Grund ist die Eröffnung und Verwaltung eines solchen Kontos auch mit höheren Kosten verbunden, als sie bei traditionell verwalteten Konten entstehen.”

Nicole della Pietra, swissinfo.ch
(Übertragung aus dem Französischen: Etienne Strebel)

Ein Nummernkonto kann auf einen Namen lauten, auf eine Nummer oder auf beides zusammen.

Das Nummernkonto bietet dem Anspruchsberechtigten keine Anonymität. Jedoch kennt nur ein kleiner, geschlossener Kreis in der Direktion einer Bank oder Filiale die Identität des Kontoinhabers.

Um strikte Vertraulichkeit zu garantieren, erfordert ein Nummernkonto verschiedene Vorsichtsmassnahmen:

Kontoauszüge werden an ein Postfach oder eine Vertrauensperson gesendet, wie etwa einen Anwalt.

Checks, Kreditkarten und andere Mittel zum Geldabheben sind nicht zugelassen; sie hinterlassen zu viele Spuren.

Alle Ein- und Auszahlungen durch eine Drittperson müssen von einer ausdrücklichen Bewilligung begleitet sein.

Im gegenwärtigen Kontext raten die Banker ihren Kunden auch davon ab, über das Internet auf ihr Konto zuzugreifen, denn IP-Adressen können gelesen werden und Piratenangriffen zum Opfer fallen.

Und für telefonische Kontakte gilt: Telefonkabinen benutzen.

Das Schweizer Bankgeheimnis existiert seit 1934.

Das Nummernkonto wurde zur bevorzugten Bankverbindung von Ausländern mit Bankverbindungen in der Schweiz, laut einigen auf Wirtschaftskriminalität spezialisierten Untersuchungsrichtern aber auch von vermögenden Schweizern.

Auch in anderen Ländern, die als Steuerparadiese oder Finanzdrehscheiben gelten, bieten Banken ihren Kunden Nummernkonten an, namentlich in Österreich, Luxemburg, Monaco und Liechtenstein.

Zudem offerieren zahlreiche Websites Ausländern ihre Dienste, um in der Schweiz ein Konto zu eröffnen. Darunter befinden sich einige, die eine Minimaleinlage von mehreren 100’000 Franken verlangen.

Die Banken hingegen raten, dass man sich direkt an sie oder eine ihrer Filialen wendet, falls möglich.

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