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Buchführungs-Fehler: Höherer Halbjahresverlust

Ob der Fehler personelle Konsequenzen hat, ist noch unklar. swissinfo.ch

Die Rentenanstalt/Swiss Life hat sich erneut einen peinlichen Buchführungs-Fehler geleistet. Dadurch steigt der diesjährige Halbjahresverlust um fast 200 Millionen auf 578 Mio. Franken.

Konzernführung und Börse zeigten sich verärgert.

Der Schweizer Versicherer Rentenanstalt hat innerhalb eines Monats zum zweiten Mal einen Fehler in der Rechnungslegung festgestellt und das Halbjahresergebnis des Konzerns deutlich nach unten korrigieren müssen.

Verwaltungsratspräsident Andres F. Leuenberger sprach an einer Telefon-Pressekonferenz von «einem ausserordentlich ärgerlichen Fehler».

Im Wesentlichen geht es gemäss dem seit vergangenem August amtierenden Finanzchef Bruno Pfister um die fehlerhafte Ermittlung einzelner Valoren-Werte durch das Anfang Jahr eingeführte Informatiksystem bei der Rückzahlung einer Obligationenanleihe. Eine automatische Korrekturbuchung wurde jedoch bei einer weiteren, manuellen Korrektur wieder eliminiert.

Ausserordentliche Revision

Die Korrektur des Fehlers verminderte den Saldo der realisierten und buchmässigen Gewinne und Verluste in der IAS-Halbjahresrechnung um 254 Millionen Franken. Dadurch stieg der Halbjahresverlust nach Steuern um 192 Millionen auf 578 Mio. Franken.

Der Fehler wurde bei einer ausserordentlichen Revision mit Blick auf die geplante Kapitalerhöhung durch die Kontrollstelle der Rentenanstalt, PricewaterhouseCoopers, entdeckt. Das Ausmass stand laut Leuenberger erst am (gestrigen) Sonntag fest.

Vertrauensverlust

«Das ist schrecklich», erklarte ein Analyst einer Schweizer Bank. «Das ist das zweite Mal in Folge. Und das erhöht das Vertrauen in ihre Rechnungslegung nicht», sagte ein anderer Experte.

Das erneute Eingestehen eines Fehlers in der Rechnungslegung trifft die Rentenanstalt zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Das Unternehmen steht kurz vor einer Kapitalerhöhung, die dem eigenkapitalgeschwächten Unternehmen Mittel von bis zu 1,2 Mrd. Franken zuführen soll.

Diese Pläne wurden von dem Restatement nicht berührt, hiess es bei der Rentenanstalt weiter. Die Revision habe keinen Einfluss auf das Eigenkapital oder die Vermögenslage. Auf die Tendenz für das Gesamtjahr werde der Fehler ebenfalls keine Auswirkungen haben, erklärte Rentenanstalt-Chef Roland Chlapowski.

Laut Leuenberger sollen solche Fehler künftig nicht mehr vorkommen. «Die nötigen Sofortmassnahmen wurden getroffen», sagte er. Das Team von Finanzchef Pfister und die Kontrollen würden verstärkt, der Halbjahresabschluss künftig geprüft.

Leuenberger liess personelle oder gar persönliche Konsequenzen offen. «Wir
hatten noch keine Zeit, darüber nachzudenken», sagte er.

Die Schweizer Börse SWX ergriff wegen des neuen Fehlers vorerst keine Massnahmen gegen die Rentenanstalt, wie ein SWX-Sprecher sagte.

An der Börse stürzte der Rentenanstalt-Kurs gegenüber Freitagabend zeitweise um fast 13 Prozent ab.

Öffentliches Umtauschangebot

Der Swiss Life Holding sind bis zum Ablauf der Angebotsfrist (18. 10.) 8’818’860 Namenaktien der Rentenanstalt/Swiss Life zum Umtausch angedient worden. Das sind 75,07% der Stimmen und des Kapitals an der Rentenanstalt/Swiss Life.

Die Swiss Life Holding erklärt in einem am Montagabend veröffentlichten Communiqué das Angebot als zustande gekommen. Der von der Gesellschaft selbst gesetzten Zielwert von 85% wurde allerdings nicht erreicht. Die Swiss Life Holding knüpft an den Aktienumtausch zudem die Erfüllung der weiteren Bedingungen gemäss Angebotsprospekt.

Die Namenaktien der Swiss Life Holding sollen, nach dem Umbau in eine Holdinggesellschaft, in den SMI der Standardwerte der Schweizer Börse aufgenommen werden.

Am Mittwoch entscheiden die Aktionäre an einer ausserordentlichen GV, ob dem von der Börsenflaute gebeutelten Konzern frische Eigenmittel in Höhe von 0,9 Mrd. bis 1,2 Mrd. Franken zufliessen sollen. Dies entspricht mehr als der Hälfte der momentanen Marktkapitalisierung von rund 1,7 Mrd. Franken.

BPV will Rentenanstalt zur Rechenschaft ziehen

Das Bundesamt für Privatversicherungen (BPV) wird die Rentenanstalt nach der neuerlichen Fehlleistung im Rechnungswesen zur Rechenschaft ziehen. Dies sagte der Sprecher des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD), Hans Klaus, am Montagabend. Das BPV sei am vergangenen Freitag von der Rentenanstalt über die weitere Korrektur informiert worden.

«Das Bundesamt wird die Rentenanstalt nun zur Rede stellen, damit die notwendigen Massnahmen getroffen werden können», sagte Klaus. Das BPV sei beunruhigt über die nochmalige Fehlleistung und wolle genau wissen, wie es dazu gekommen sei.

swissinfo und Agenturen

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