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Ein Industrie-Turm als interaktive Lichtsäule

75 Meter hoher Lampenschirm: Lichtperformance in der Nacht. Keystone

Am Tag steht er unscheinbar in der grauen Industrielandschaft vor Burgdorf: In der Nacht strahlt und blinkt der 75 Meter hohe Spreda-Turm wie eine überdimensionierte Lampe.

Das leuchtende Kunstobjekt ist computergesteuert. Die Bevölkerung kann die Farbkompositionen mitbestimmen. Dank Internet hat die Installation eine lokale, aber auch eine weltweite Dimension.

“Wohnen Sie gerne in Burgdorf?” – Die Antworten auf die Frage sind klar: Ja überwiegt deutlich. Der Turm leuchtet grün. Andere Fragen, andere Mehrheiten, das bedeutet andere Farben.

“Die Ergebnisse der Umfrage projizieren wir wie Radio-Nachrichten zur vollen Stunde. Für die restliche Zeit haben Künstlerinnen und Künstler freie Hand für ihre Lichtinszenierungen”, erläutert Heinz Sägesser vom Forum für Architektur und Gestaltung Burgdorf im Gespräch mit swissinfo.

Die Künstler wechseln alle zwei Wochen. Das Thema wöchentlich. Die Bevölkerung und Interessierte aus der ganzen Welt können über eine Webseite aktiv die Farbgestaltung mitbestimmen und gleichzeitig die Farbspiele über eine Webcam mitverfolgen.

Elektronische Steuerzentrale des Systems ist ein Computer mit einer Software für die Lichtsteuerung. “Wir benutzen ein Programm, das für Theater- oder Musical-Beleuchtungen entwickelt worden ist”, erzählt Sägesser.

Glashülle als Riesen-Lampenschirm

“Dank 280 vorprogrammierten Lichtablauf-Sequenzen können wir den Turm theoretisch auf unendlich viele Arten beleuchten. Auch schnelle, rhythmische Wechsel sind möglich.”

Der Spreda-Turm besteht aus einem runden Betonzylinder, der von einer viereckigen Glashülle umgeben ist. Im Raum dazwischen sind nun 96 Leuchtstoffröhren installiert und mit der Steuerzentrale verbunden. Das Licht wird auf den Beton geworfen und indirekt auf das Milchglas abgestrahlt.

“Aus der Umgebung betrachtet, wirkt der Turm wie eine überdimensionierte Lampe. Die Glashülle übernimmt die Funktion des Lampenschirms”, beschreibt Sägesser die optische Anmutung der Installation.

Modernes Verfahren

Der Turm wurde 1961 nach den Plänen des Florentiner Architekten Renato Vercelli gebaut. Bauherrin war die mittlerweile nicht mehr existierende Firma Spreda.

Noch heute dient das Bauwerk der Herstellung von Nahrungsmittel-Pulver. Im 75 Meter hohen Betonzylinder werden Tomaten-, Karotten- und Apfel-Konzentrate im freien Fall pulverisiert.

Hygiene hat oberste Priorität. “Deshalb können wir den Turm lediglich in den Wintermonaten zum Leuchten bringen. Im Sommer würde das Licht zu viele Insekten anziehen”, erklärt Sägesser.

“Der Spreda-Turm ist europaweit der einzige solche Turm, der von einer Glaskonstruktion umgeben wird.” In den 1960er-Jahren war das Bauwerk in der stark von der Landwirtschaft geprägten Region ein Sinnbild für das moderne Verarbeitungs-Verfahren. “Deshalb wurde er bereits damals während einigen Jahren beleuchtet”, so Sägesser.

Wahrzeichen für Burgdorf

Zwei Jahre haben die Vorbereitungsarbeiten gedauert. Das Projekt hat ein Budget von 150’000 Franken. “Unsere Arbeit wird nicht entschädigt, das ist für uns ein Hobby”. Am meisten Zeit und Energie hat das Forum für Gestaltung in die Suche nach Geldgebern investiert.

“Unser wichtigstes Ziel war es, die Veränderbarkeit des öffentlichen Raums in der Gestaltung und der Wahrnehmung zu thematisieren. Der Spreda-Turm ist eine von weit her sichtbare, wichtige Landmarke für Burgdorf.”

swissinfo, Andreas Keiser, Burgdorf

Das Projekt Lumolith ist eine Initiative des Forums für Architektur und Gestaltung Burgdorf.

Es dauert bis Ende Februar und soll in den kommenden zwei Wintern wiederholt werden.

Daran sind auch die Stadt Burgdorf und private Sponsoren beteiligt.

Heutige Besitzerin des Turms ist die Firma Obipektin AG.

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