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Gesunkener Dampfer erinnert an goldene Zeiten

Die Bellevue sticht von Thun aus in See. (Bild: Sammlung Markus Krebser) Die Bellevue sticht von Thun aus in See. (Bild: Sammlung Markus Krebser)

Eines der ersten Schweizer Passagierdampfschiffe soll aus seinem nassen Grab auf dem Grund des Thunersees geborgen werden.

Der Veteran Bellevue lag ungestört auf dem Seegrund, seit er 1864 in einem Sturm gesunken war.

Der genaue Ort war unbekannt, bis ein Team von Tauchern das Schiff letzten Sommer fand.

Es lag nur wenige hundert Meter vom Landesteg Oberhofen entfernt, 100 Meter unter der Wasseroberfläche, und war fast ganz von Ablagerungen überdeckt.

Die Bellevue machte 1835 als erstes Passagierschiff auf dem Thunersee ihre Jungfernfahrt und läutete damit die Tourismusindustrie im Berner Oberland ein.

Zehntausende von Touristinnen und Touristen reisten mit der Bellevue zu den Tälern und Orten im Berner Oberland, auch nach Interlaken, bevor es Strassen und Bahnen gab.

Das Team Blue Water Search, das den Raddampfer fand, versucht nun die nötigen Finanzen zusammenzubringen, um das Schiff zu bergen und wieder ins Rampenlicht zu bringen.

Mit Unterwasserkameras, Sonar- und Magnetdetektoren verfügte das Team über die modernste Technologie zum Orten des Schiffs. Daneben brauchte es aber auch eine Menge Geduld und Glück.

Verborgener Schatz

«Das Hauptproblem war, dass 90 Prozent des Schiffs von Ablagerungen bedeckt waren», erklärt Tomi Peck, einer der Teamleiter.

«Vielleicht war es einmal sogar ganz bedeckt, wurde dann aber von Unterwasserströmungen teilweise wieder freigelegt.»

Die sauerstoffarmen Ablagerungen könnten sich aber nun, da das Schiff lokalisiert ist, schliesslich als ein Segen erweisen. Peck hofft, dass der Dampfer, oder vielmehr das, was von ihm übrig ist, dadurch besser erhalten ist.

Als die Bellevue 1859 zu einem Lastkahn umgebaut wurde, wurden die Sitze und die reichen Verzierungen entfernt.

Und als es in einem Frühlingssturm sank, war es mit Salz beladen. An Bord war ein Fährmann, dessen Leiche nie gefunden wurde.

Lange Suche

Die Entdeckung der Bellevue im letzten Jahr war das Ende einer fast zwanzigjährigen Suche des Buchhändlers und Amateurhistorikers Markus Krebser.

Krebser hatte seit 1985, dem 150. Jubiläum des Beginns der Thunerseeschifffahrt, nach dem Dampfer gesucht.

Aber trotz seiner Leidenschaft für die Geschichte der Thunerseeregion – und der Bellevue – ist Krebser dagegen, dass man das Schiff um jeden Preis heraufholt.

Seiner Ansicht nach sollte es nur geborgen werden, wenn genügend Geld gefunden wird, um es zu restaurieren.

«Es ist eine Sensation, dass es gefunden wurde», meint Krebser. «Aber die Zukunft des Dampfers ist unsicher.»

Die Suche nach Geld

Blue Water Search schätzt die Kosten einer Bergung und Restaurierung des Schiffs auf rund 600’000 Schweizer Franken.

Historisch gesehen ist es jedoch unbezahlbar. Es gibt viele restaurierte Raddampfer auf Schweizer Seen, aber sie stammen alle aus dem frühen 20. Jahrhundert.

Die Restaurierung der Bellevue würde eine grosse Lücke in der Geschichte der Schifffahrt auf den Schweizer Seen füllen.

Die einzigen bekannten Teile der Bellevue, die bisher überlebt haben, sind die Orgel, ein Nebelhorn und einige bemalte Laternen.

Sie werden im Schlossmuseum in Thun aufbewahrt, ausgestellt ist aber nur die Orgel.

swissinfo, Dale Bechtel

Jungfernfahrt 1835.
Im ersten Jahr wurden 25’000 Passagiere befördert.
Die Fahrt von Thun nach Neuhaus/Interlaken dauerte eineinhalb Stunden.

Die Familie Knechtenhofer baute 1834 das erste Hotel in Thun, das Bellevue. Ein Jahr später gaben sie bei einer Schiffbaufirma den Bau eines Raddampfers in Auftrag.

Die Teile mit einem Gesamtgewicht von 50 Tonnen wurden auf einem Pferdewagen von Paris nach Thun transportiert, wo sie zusammengebaut und vom Stapel gelassen wurden.

Die Bellevue spielte eine wichtige Rolle für die Lancierung des Tourismus im Berner Oberland, da es damals entlang des Thunersees weder Strassen noch Bahnen gab.

Nach seinem Umbau zu einem Lastkahn sank die Bellevue 1864. Wo genau, war bis letztes Jahr ein Rätsel.

Nun hoffen der Amateurhistoriker Markus Krebser und das Blue Water Search Team, welches das Schiff fand, Sponsoren zur Finanzierung der Bergung und Restaurierung der Bellevue zu finden.

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