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Nach den Wärtern die Häuschen

Bahnwärter-Häuschen gelten auch bei Modell-Eisenbahn-Fans als Liebhaber-Objekte. ZVG

Die Bahnwärter-Häuschen der SBB kommen in die Jahre. Umbauten stehen an, doch Rendite sind kaum garantiert. Deshalb werden reparaturbedürftige Häuschen abgerissen. Ein Verkauf scheint den SBB wenig attraktiv. Erhalten oder nicht - ein Clinch, in dem die SBB zum Teil auch bei der Umnutzung der Bahnhöfe steckt.

Es sind Bauten, die der Fahrgast nicht selten ins Herz schliesst: die Bahnwärter-Häuschen. Bewohnt wurden die Häuschen früher vom Bahnpersonal. Meist bediente die Frau die Barrieren des nahen Bahn-Übergangs, während ihr Ehemann für den Bahn-Unterhalt sorgte.

Nun, da die Barrieren automatisch bedient oder gar verschwunden sind, sind die Wärter-Häuschen nutzlos geworden. Und ins Alter gekommen sind sie auch. Gebaut worden sind die meisten zwischen 1860 und 1900.

Reparaturen rentieren nicht

«Sie entsprechen den heutigen Wohnkonditionen nicht mehr, sind deshalb schwierig zu vermieten und umbaubedürftig», sagt SBB-Sprecher Jean-Louis Scherz gegenüber swissinfo. Wenn sie renoviert würden, wären die Rendite durch Vermieten kaum garantiert. Stark reparaturbedürftige Häuschen – das sind die meisten – werden deshalb abgerissen.

Eine Welle des Abbruchs der Wärter-Häuser sei aber nicht zu erwarten, sagt Scherz. Bis vor rund 15 Jahren habe man noch Renovations-Arbeiten durchgeführt. Bewohnt würden die Häuschen übrigens längst nicht mehr nur von Bahnpersonal.

An der Strecke Bern – Olten müssen in der nächsten Zeit das Bahnwärterhaus bei Bickingen, eines bei Burgdorf und eines bei Hindelbank dran glauben. Ist ein Wärterhaus im Gemeinde-Inventar als erhaltens- oder schutzwürdiger Bau aufgeführt und ist eine Änderung am Gebäude geplant, so wird in der Regel die Denkmalpflege kontaktiert.

Im Falle der drei oben erwähnten Gebäude ist Heinz Zwahlen, Kreisleiter Emmental/Oberaargau der bernischen Denkmalpflege, bisher nicht angegangen worden. Bekannt ist ihm nur ein erhaltenswertes Wärterhaus, jenes in der Gemeinde Wangen.

Anzahl unklar

Wieviele dieser SBB-Wärterhäuschen es heute insgesamt noch gibt, kann Scherz nicht sagen. Die SBB führe kein schweizweites Inventar. Er schätzt die Anzahl auf 100 bis 150. Auf dem SBB-Inventar der erhaltenswerten Bauten erscheint nur ein einziges Wärter-Häuschen: jenes bei Dietikon. Es ist das älteste der Schweiz und wurde 1846 gebaut.

Ein Verkauf reparaturbedürftiger Häuschen ist für die SBB keine Option: «Das hätte Nachteile», sagt Scherz. Sollten in Zukunft die Geleise umgebaut werden, wäre von Besitzern der Wärter-Häuschen Widerstand zu erwarten, meint er. Dies sei auch der Grund, dass Kaufgesuche von Interessierten meistens abgelehnt würden.

Heimatschutz fordert öffentliches Inventar

Neben meist glücklosen Käufern interessiert sich auch der Schweizer Heimatschutz (SHS) für die Häuschen. «Es gilt abzuklären und öffentlich zu machen, welches die besonders schutzwürdigen Objekte sind», sagt Philipp Maurer, Geschäftsführer SHS. Objekt im Originalzustand würden den SHS besonders interessieren.

Dass die Bahnwärter-Häuser keinen Zweck mehr haben, ist für Maurer kein Grund, sie abzubrechen. «Entscheidend ist, wie bei allen Unterschutz-Stellungen, ob es ein ausserordentlicher Zeuge ist, in diesem Falle des Bahnbaus der Industrialisierungs-Geschichte der Schweiz.» Stets möglich sei auch eine Umnutzung. Die Rhätische Bahn machts vor: Sie vermietet ein Bahnwärter-Haus in Davos als Ferienhaus.

Ein Dauerbrenner

Wirtschaftlichkeit, Funktionalität und Schutz bestehender Architektur unter einen Hut zu bringen – damit ist die SBB auch bei der Umnutzung bestehender Bahnhöfe konfrontiert. Aktuellstes Beispiel: Der Bahnhof Rapperswil. Diesem droht der Abbruch. Dagegen wehrt sich der Schweizer Heimatschutz. Er fordert eine fundierte Abklärung der Bedeutung des Gebäudes durch die Eidgenössiche Kommission für Denkmalpflege.

Bahnhöfe und Bahnwärter-Häuschen erhöhen die Freude am Bahnfahren, ist Philipp Maurer überzeugt. «Bahnfahren macht auch Spass, weil damit Baukultur verbunden ist. Weil man schützenswerte Objekte aus dem Zug sehen kann.»

Kathrin Boss Brawand

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