
«Neue Crossair» mit Problemen

Die Integration der Swissair in die Crossair wird Milliarden kosten - die Banken suchen neue Investoren. Ein Aktionärs-Verein plant unterdessen, UBS-Chef Ospel absetzen. Weiter wurde der Rücktritt von Vreni Spoerry aus dem VR der Credit Suisse bekannt.
Die Grossbank UBS warnte am Mittwoch, dass der Kapitalbedarf der neuen Gesellschaft – der «neuen Crossair» – ein Mehrfaches der Höhe des 1,3-Mrd.-Sanierungspakets erreichen dürfte.
Investoren gesucht
Die notwendigen Mittel wollen die Grossbanken UBS und Credit Suisse Group nicht alleine aufbringen. Sie suchen stattdessen neue Investoren. So hat die UBS Kontakte mit der US-Investment-Gesellschaft und Bally-Besitzerin Texas Pacific bestätigt. «Wir wurden von Texas Pacific angefragt», sagte eine UBS-Sprecherin am Donnerstag. Die UBS überlege sich nun eine Antwort.
Bundes-Beteiligung unter Bedingungen
Der Bund könnte seine bisher zurückhaltende Position überdenken, falls die neue Gesellschaft einen Businessplan mit nachhaltiger Perspektive vorlege und die Privatwirtschaft mitmache, sagte Daniel Eckmann, Kommunikationschef des Eidgenössischen Finanzdepartementes (EFD).
Überbrückungs-Kredit blockiert
Aber auch schon gesprochenes Geld macht Probleme: Der von den zwei Grossbanken am 1. Oktober zugesagte Kredit von 250 Mio. Franken für die flugverwandten Betriebe der Swissair ist auch am Mittwoch noch nicht ausbezahlt worden.
Wie Nachlassrichter Felix Ziltener sagte, hat er von der SAirGroup diesbezüglich zusätzliche Unterlagen und Angaben angefordert, über deren Inhalt er keine Angaben machte.
Bei der UBS waren keine Angaben erhältlich. Auf die Frage, ob Gelder aus dem Überbrückungs-Kredit geflossen seien, sagte ein UBS-Sprecher: «Meines Wissens nicht».
Spoerry nicht verantwortlich
Am Mittwoch wurde weiter bekannt, dass die Zürcher FDP-Ständerätin Vreni Spoerry im nächsten Frühling aus dem VR der Credit Suisse zurücktritt. Den Entscheid habe sie schon im Sommer der Credit Suisse mitgeteilt.
Ihr Rücktritt habe demzufolge nichts mit den jüngsten Ereignissen um die Swissair und die Credit Suisse zu tun, sagte Spoerry in einem Interview mit der «Weltwoche». Für die Ereignisse der letzten Wochen fühle sie sich nicht verantwortlich. Spoerry war 16 Jahre lang im VR der Bank vertreten.
Ospel unter Beschuss
Sehr wohl verantwortlich für die jüngsten Ereignisse ist UBS-VR-Präsident Marcel Ospel, wenigsten für den Verein «UBS ohne Ospel» um den Zürcher Rechtsanwalt und Vereins-Präsidenten Martin Pulver .
Dieser will den UBS-Chef an der nächsten GV absetzen: Wie Pulver am Mittwoch bekannt gab, habe er mehr als 357’000 Aktien-Stimmen gesammelt. Mit diesen will er an der UBS-GV im Frühling die Absetzung Ospels beantragen.
Um an der GV ein Traktandum einreichen zu können, musste er Stimmen in der Höhe von 1 Mio. Franken Aktienkapital sammeln. Die UBS hielt fest, es sei nicht überprüft worden, ob es sich bei den Stimmen um eingetragene UBS-Aktionäre handle.
UBS und CSG zum Sozialplan: Offene Fragen
Wie die «Rundschau» von SF DRS meldete, will sich die UBS nicht an der Finanzierung des Sozialplans für die vor der Entlassung stehenden Swissair-Angestellten beteiligen. UBS-Generaldirektor Jürg Haller sagte in der Sendung: «Wir werden uns am Sozialplan der alten Gesellschaft … nicht beteiligen. Unsere Grenze für Investitionen ist erreicht.»
Später präzisierte die UBS diese Aussage und erklärte, sie sei bereit, die Möglichkeit eines Überprüfungs-Kredits für den Sozialplan zu prüfen.
Die Credit Suisse Group lässt ihrerseits vorerst eine allfällige Beteiligung an einem Sozialplan offen. Solange kein Businessplan mit klar abschätzbaren Folgen für die Belegschaft vorliege, wolle man sich nicht an Spekulationen über einen Sozialplan beteiligen. Dies sagte CSG-Sprecherin Karin Rhomberg am Donnerstag.
Personal-Verbände schlagen Alarm
Das sind schlechte Nachrichten für die Swissair-Angestellten. Die Personal-Verbände schlugen darum Alarm: Auf Grund der neuesten Informationen müsse von einem weit drastischeren Abbau von Arbeitsplätzen ausgegangen werden, als bisher bekannt gegeben, teilten die drei Gewerkschaften VPOD, SKV und PUSH am Mittwochabend mit.
Die Gewerkschaften befürchten, dass die flugverwandten Bereiche des Sair-Konzerns nicht in die Crossair integriert werden sollen. Auch zweifeln sie daran, dass die Crossair-Manager wirklich zwei Drittel der Swissair-Flotte übernehmen wollen.
EU-Kritik am Bundesrat
Kritisiert wurde der 450-Mio.-Kredit des Bundes für die Swissair wiederholt aus Brüssel. Die zuständige EU-Kommissarin Loyola de Palacio sagte am Mittwoch, die Schweiz hätte ihr Vorhaben vorgängig der EU mitteilen müssen, auch wenn das bilaterale Luftverkehrs-Abkommen noch nicht ratifiziert sei.
Die zuständige Kommissions-Direktion war am Tag nach dem Entscheid vom Schweizer EU-Botschafter informiert worden, verlautete demgegenüber aus der Schweizer EU-Mission. Zudem habe das Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL) einen Brief nach Brüssel gesandt. Dessen Eingang wurde von der Kommission am Mittwoch allerdings nicht bestätigt.
«Ich habe offiziell noch nicht erfahren, worin die Hilfe der Schweiz an Swissair bestehen soll», hielt de Palacio fest.
Unique: Interesse an Dienstleistungsbetrieben
Derweil bekräftigte die Betreiberin des Flughafens Zürich, Unique, ihr Interesse an den Swissair-Töchtern Swissport, Atraxis und SR Technics. Diese Bereiche sind für einen Weiterbetrieb des Flughafens unabdingbar. Dabei geht es Unique um Software, Hardware und Personal und nicht um Aktienpakete, wie Flughafendirektor Josef Felder erklärte.
Zentral für den reibungslosen Betrieb des Flughafens und seiner 170 Partner sei das Funktionieren der Anlagen: Gepäcksortierung und Energieversorgung der Flugzeuge (Swissport), Passagier-Abfertigung sowie Informations- und Kommunikationsdatenbank (Atraxis) und technische Einrichtungen wie die Enteisung der Maschinen (SR Technics).
Mit den Banken, dem Bund und den drei Swissair-Group-Tochtergesellschaften, die nicht von der Nachlassstundung betroffen sind, stehe Unique in Verhandlungen um die Aufrechterhaltung von deren Betrieb. Laut Felder könnte Unique nötige Investitionen aus Eigenmitteln bestreiten – immerhin würden die Betriebe ja auch Erträge einbringen.
Ein Termin für eine abschliessende Lösung besteht laut Felder nicht – auf jeden Fall dränge die Zeit und man hoffe auf eine rasche Lösung. Mit Vorverträgen sicherte sich Unique bisher das Vorkaufsrecht der anvisierten Betriebe.
«Nicht von erstrangiger Priorität» sind laut Felder für Unique die Betriebe Gate Gourmet und Swisscargo: Sie seien nicht überlebensnotwenig für den Flughafen. Allerdings sei dieser durchaus interessiert an ihrem Überleben.
swissinfo und Agenturen

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