
SBB-Chefs: Weniger Boni wegen Verspätungen

Der Verwaltungsratspräsident der SBB kritisiert die Unpünktlichkeit vieler Züge und das sich abzeichnende Millionendefizit.
Deshalb müsse das Top-Kader Prämienkürzungen hinnehmen. Zudem sieht er einen möglichen weiteren Stellenabbau auf die Bahn zukommen.
Die SBB-Chefs erhalten wegen der ungenügenden Pünktlichkeit und der hohen Verluste für das laufende Jahr tiefere Prämien. «Der Bonus wird sicher tiefer ausfallen als 2004», sagte SBB-Präsident Thierry Lalive d’Epinay in einem Interview mit der «NZZ am Sonntag». Ganz gestrichen würden die Boni der Geschäftsleitung aber nicht.
Konzernchef Benedikt Weibel hat sich mit der Lohnkürzung bereits abgefunden: «Im laufenden Jahr verdiene ich den vollen Bonus nicht», sagte er in einem Interview der «SonntagsZeitung». Die SBB hätte ihre Ziele nicht erreicht: «Wir waren zu wenig pünktlich, wir hatten zu viele Pannen, und im Bereich Cargo haben wir grosse Probleme.»
Lalive d’Epinay rechnet für das laufende Jahr mit einem Defizit in dreistelliger Millionenhöhe. Dabei müsse man berücksichtigen, dass weitere Rückstellungen für die SBB-Pensionskasse vorgenommen werden müssten. «Ich hoffe, dass der Bundesrat bald eine Lösung präsentieren wird für dieses Problem.»
Entwicklung verschlafen?
Weibel und Lalive verteidigen sich gegen Vorwürfe, die Entwicklung im Güterverkehr verschlafen zu haben. Die SBB sei überrascht worden, wie schnell die Kunden auf die Freigabe der 40-Tönner im Binnenverkehr reagiert hätten, räumte Lalive ein. Der Binnenverkehr sei regelrecht eingebrochen.
Dass die Verlagerung des Güterverkehrs nun auf der Strecke bleibe, stimme nicht: «Verlagerung im Binnengüterverkehr ist eine Illusion und auch kein politisches Ziel», sagte Weibel. Das Verlagerungsziel gelte nur für den Nord-Süd-Verkehr. Dort werde der nötige Produktivitätsgewinn erst mit der Eröffnung des Gotthard-Basistunnels kommen.
Weiterer Stellenabbau?
Bereits am Freitag hatten die SBB einen Abbau von insgesamt 650 Stellen für den Bereich Güterverkehr und Infrastruktur angekündigt. Auch die Anzahl Verladeplätze wird deutlich reduziert. Zudem erwartet SBB Cargo ein Defizit im «hohen zweistelligen Millionenbereich».
Lalive schliesst nun auch einen Abbau im Personenverkehr nicht aus. «Wir versuchen, mehr Leistung zu erbringen, ohne Personal abzubauen. Falls trotzdem Einschnitte nötig sind, dann nehmen wir sie in der Verwaltung vor und nicht beim Personal an der Front.»
swissinfo und Agenturen
Jährlich befördern die SBB mehr als 253 Mio. Passagiere und gegen 58 Mio. Tonnen Waren.
Gegen 800 Bahnhöfe werden im Halb- und Stundentakt angefahren.
Ende 2004 beschäftigten die SBB 28’351 Personen (1,2% weniger als 2003).
Im ersten Semester 2005 betrug das SBB-Defizit 36,6 Mio. Franken.

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