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Warum Deutsche in die Schweiz auswandern – und umgekehrt

Menschen sitzen in einem Biergarten am Zürichsee
Obwohl sich der Tag auch in Zürich in einem Biergarten ausklingen lässt, sind deutsche Migrant:innen hierzulande mit einigen Hürden konfrontiert (Symbolbild). Keystone / DPA / Udo Bernhart

Deutsch-schweizerische Migration wirkt auf den ersten Blick unkompliziert. Doch Missverständnisse und Stereotypen können den Neustart und die Integration im jeweiligen Nachbarland erschweren.  

Innerhalb von vier Wochen mit Sack und Pack ins Nachbarland ziehen. Das klingt sportlich, mit Blick auf die Migration aus Deutschland in die Schweiz ist es allerdings gar nicht so ungewöhnlich, wie aus der Doktorarbeit der Ethnologin Natascha Bregy hervorgeht.

Fünf Jahre lang hat Bregy, die für ihr Studium aus der Schweiz nach Hamburg gezogen ist, die Migrationserfahrungen von Deutschen und deutschsprachigen Schweizer Migrant:innen im jeweiligen Nachbarland erforscht.

Die beiden Gruppen haben einiges gemeinsam: Sie sind meist hoch qualifiziert, sprechen eine ähnliche Sprache und die Kultur ist auch nicht arg verschieden. Der Integration im jeweilig anderen Land sollte demnach nicht viel im Wege stehen. Sollte.

Laut dem Bundesamt für StatistikExterner Link lebten Ende 2023 323’600 Migrant:innen aus Deutschland in der Schweiz. Das macht 3,6% der Gesamtbevölkerung aus. Umgekehrt leben 101’000 Auslandschweizer:innen in Deutschland, 0,12% der Gesamtbevölkerung. Nach Frankreich ist Deutschland jenes Land, in das die meisten Auslandschweizer:innen auswandern. 

Doch es gibt Unterschiede. Dass die beiden Länder in mancher Hinsicht verschieden ticken, zeigt sich bereits vor dem Umzug, beim Auswanderungsmotiv. «Deutsche ziehen eher aus ökonomischen oder beruflichen Gründen in die Schweiz, während bei Schweizer:innen individuelle Gründe wie Abenteuerlust oder Liebe im Vordergrund stehen», sagt die Forscherin. Liegt der Ansporn für die Umsiedlung bei Letzteren doch im Beruf, gehe es meist um die individuelle Erfüllung.

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Die verschiedenen Beweggründe für ein Leben in einer neuen Heimat haben eine unerwartete Auswirkung:

Wer auswandert, hat eine lange Liste abzuarbeiten, was idealerweise zuvor erledigt wird. Pensionskassen, Banken, Schulen, Krankenkasse, Wohnungssuche. Selbstverständlich, dass hierfür genügend Zeit eingeplant wird.

Einige reservieren sich dafür jedoch gerade mal vier Wochen. «Mich hat überrascht, wie wenig vorbereitet viele Menschen ins Nachbarland ziehen», sagt Bregy. Besonders bei den befragten deutschen Migrant:innen sei dies auffällig, was auf den Auswanderungsgrund zurückzuführen sei.

Portät von Natascha Bregy
2010 zog Natascha Bregy für ihr Studium von Bern nach Hamburg, wo sie zum Thema «Migration zwischen Schweiz und Deutschland» promovierte. Die Arbeit wird Ende 2025/Anfang 2026 veröffentlicht. zVg

«Bei jenen deutschen Migrant:innen, die ich für meine Dissertation befragt habe, hat der neue Arbeitgeber teils viel Bürokratie übernommen.» Aufgrund der (angenommenen) Ähnlichkeit der beiden Länder und der geographischen Nähe erwarten viele Auswandernde ausserdem keine grossen Hürden für die Migration.

Hinzu kommen Stereotypen. Die Vorstellung von der Schweiz als idyllisches Heidiland mit Weiden, Bergen und Kühen beeinflusst laut Bregy die Erwartungen deutscher Migrant:innen und kann zu einer Unterschätzung der nötigen Vorbereitung führen.

Vorurteile prägen die Integration

Ist der Umzug erfolgt, kommt – besonders für die eine Gruppe – die nächste Hürde. «Deutsche Migrant:innen werden in der Schweiz häufig zunächst negativ wahrgenommen, als arrogant und wenig anpassungsbereit. Dabei entspricht dieses Bild kaum der Realität», sagt Bregy. Daraus folgt, dass es für Deutsche schwieriger ist, in der Schweiz anzukommen und Freundschaften zu entwickeln.

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Ganz anders die Wahrnehmung von ausgewanderte Schweizer:innen in Deutschland, die ihren guten Ruf den positiv konnotierten Stereotypen des Heimatlands verdanken. «Die Schweiz wird mit Geld, Erfolg, Pünktlichkeit und Höflichkeit assoziiert», so Bregy. Zuschreibungen, die sich oft automatisch auf die Schweizer:innen übertragen. Sie erhalten Vorschusslorbeeren, bevor sie sich beweisen müssen.

Hürden bei der Integration

Beiden untersuchten Gruppen ist gemein, dass sie im neuen Wohnland eine Verbesserung in bestimmten Aspekten des Lebens erwarten.

«Das kann sich in einer besseren Work-Life Balance zeigen, einem höheren Lohn, in der Nähe zum Partner, zur Partnerin oder im Angebot, das eine grössere Stadt wie beispielsweise Berlin zu bieten hat.»

Dieser persönliche Aufschwung wird manchmal aber auch ausgebremst – durch die Hürden der Integration. «Abgrenzung und Identitätsdiskurs, die wir gegen aussereuropäische Migrant:innen, gegen Menschen mit Fluchthintergrund feststellen, gibt es auch in anderen Dimensionen», sagt Bregy. Innereuropäische Migration verlaufe keinesfalls immer problemlos.

«Welche Bevölkerungsgruppen leichter integriert werden, ist sozial, kulturell und historisch gewachsen.» Fest steht für die Forscherin, für eine gelungene Integration müssen sich beide Seiten darum bemühen.

Editiert von Balz Rigendinger

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Gastgeber/Gastgeberin Claire Micallef

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