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Schweizer Milchbauern: Kein Honigschlecken

milchbauern Keystone

Bis vor kurzem produzierten die Schweizer-Bauern im hochsubventionierten Markt mit Abnahmegarantien. Mit der Agrarpolitik 2002 ist dies vorbei. Für manchen Schweizer Landwirt sind die damit verbundenen Bedingungen härter als in der Europäischen Union.

Ein Milchbauer verdiente in der Schweiz im letzten Jahr durchschnittliche 27’000 Franken. Ein Deutscher Kollege kommt jährlich auf rund 33’000 Franken Einkommen (kaufkraftbereinigt). In der Schweiz schneiden die Bauern auch im Vergleich mit anderen Berufskategorien schlecht ab. Der Lohn eines nicht in der Landwirtschaft tätigen Schweizers ist mit rund 60’000 Franken mehr als doppelt so hoch.

Preisschere

Die Einkommen der Milchbauern in der Schweiz sind seit Anfang der 90er Jahre kontinuierlich gesunken. Vor acht Jahren erhielt ein Bauer für einen Liter Milch noch 1,07 Franken. Heute ist vom Bundesrat 77 Rappen als Richtgrösse vorgegeben. Dies ist mehr als ein Viertel weniger. Die Produktionskosten hingegen blieben mindestens gleich hoch.

Während Milchbauern immer weniger Bares für ihre Milch bekommen, können sich die Konsumentinnen und Konsumenten freuen. Milchprodukte werden immer billiger: Die Vollmilch zum Beispiel kostete 1992 1,85 Franken, nun sind wir bei plus minus 1,60 Franken angelangt – Teuerung nicht eingerechnet.

Mehr Markt

1996 wurde ein Artikel in die Verfassung aufgenommen, der eine ökologische und mehr am Markt orientierte Landwirtschaft ermöglicht. Umgesetzt wird dies mit einem seit 1999 geltenden Landwirtschaftsgesetz und dem Reformpaket «Agrarpolitik 2002».

Unterstützung gibt es neu gezielt mittels Direktzahlungen und Beihilfen. Zwar darf der Bauer nur so viel Milch verkaufen, wie der Bund ihm durch Kontingente zugesteht. Neu kann er aber Milchkontingente verkaufen oder diese vermieten.

Dieser Systemwechsel bringt aber auch Probleme mit sich. Die zur Abfederung dieser Marktöffnung vorgesehenen Direktzahlungen in Milliardenhöhe mögen die Ausfälle nicht auszugleichen. Im letzten Jahr gaben rund 2000 Bauern ihre Höfe auf.

Blick in die EU

Vergleicht man die Schweizer Bauern-Einkommen mit denjenigen der Europäischen Union, so fällt auf, dass dort die meisten jährlichen Verdienste aus der Landwirtschaft entweder stagnieren oder gar leicht zunehmen.

Deutsche und schwedische Bauern verdienten nach Schätzungen der EU-Statistiker im Jahr 2000 7 Prozent resp. 5 Prozent mehr als im Vorjahr. Gleiche Einkommen wie 1999 hatten die Bauern in Griechenland, Luxemburg oder Frankreich. Durchschnittlich ist das landwirtschaftliche Einkommen in der EU um real 1,3 Prozent gestiegen.

Tendenziell dürften zwar 2000 auch die Schweizer Landwirte leicht mehr verdient haben als 1999, das vor allem für Ackerbauern ein schlechtes Jahr war. Trotzdem müssen die Schweizer Bauern ihren Gürtel sehr eng schnallen.

Teufelskreis

Die Gewerkschaft der Schweizer Milchproduzenten (SMP) hat errechnet, dass das durchschnittliche Einkommen eines Bauern weit hinter jenem eines Erwerbslosen oder Rentners liege. «Da wird es dann knapp für Investitionen», meinte Thomas Reinacher gegenüber swissinfo, «und da viele Direktzahlungen von Umweltschutz- oder Tierschutz-Auflagen abhängen, ist dies doppelt problematisch.» Direktzahlungen werden den Landwirten in Milliardenhöhe als Ausgleich zu den gesunkenen Milchpreisen bezahlt – wenn gewisse Auflagen erfüllt sind. Ein Teufelskreis.

Wie weiter?

Erfolgreich sein kann heute nur, wer in der Milchproduktion eine Nische gefunden hat oder wer eine bestimmte Hofgrösse sein eigenen nennen kann und so seine Produktionskosten senkt. Die Statistiken der Eidgenössischen Forschungsanstalt in Tänikon zeigen klar: Milchbauern mit Höfen über 20 Hektaren verdienen markant mehr als Kleinstbetriebe.

Klima bestimmt Kosten

Die Produktionskosten für Milch hängen wiederum von klimatischen Faktoren ab. Und hier sind die Schweizer im Vergleich mit EU-Ländern wie Grossbritannien oder Irland mit mild-feuchtem Klima benachteiligt. Die Kosten können dort dank extensiver Weidehaltung viel tiefer gehalten werden als in der Schweiz, wo Tiere in Ställen überwintern müssen und wo Futter zugekauft werden muss.

So sei ein Trend zu immer weniger dafür grösseren Betrieben klar feststellbar, meint man beim Schweizerischen Bauernverband. Chefstatistiker Robert Grüter: «Pro Jahr geben 2000 Betriebe auf. Die Gesamtproduktion aber, die bleibt – der Strukturwandel ist in vollem Gange.»

Ruth Bossart

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