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Skyguide vor neuen Herausforderungen

Es braucht dreieinhalb Jahre, um einen Fluglotsen auszubilden. Keystone

Nach einem durchzogenen 2006 steht Skyguide im laufenden Jahr vor neuen Hürden. Das Flugsicherungs-Unternehmen wird sich vor allem mit neuen Fluglotsen befassen müssen.

Schon nächsten Monat befindet das Bezirksgericht Bülach über acht Mitarbeiter, denen eine Mitschuld am Flugzeugabsturz 2002 in Überlingen zur Last gelegt wird.

Am Mittwoch gab Skyguide ein durchzogenes Geschäftsergebnis 2006 bekannt. Das Geschäftsjahr wird als ein Jahr der Hochs und Tiefs bezeichnet.

Das Flugsicherungs-Unternehmen hat seit seiner Gründung 2001 etliche Turbulenzen durchstanden. Damals war die zivile und militärische Luftraum-Überwachung zusammen gelegt worden.

Das fatale Unglück von Überlingen im Jahr darauf führte zu Anklagen wegen fahrlässiger Tötung gegen acht Mitarbeitende. Skyguide hatte eine teilweise Mitverantwortung an der Katastrophe in Süddeutschland eingestanden und war in die Kritik der deutschen Behörden geraten.

Die Flugsicherung steht nun unter dem Druck, 45 neue Fluglotsen-Positionen aufzufüllen. Ausserdem ist Skyguide gezwungen gewesen, für 2007 die Gebühren zu erhöhen, um das Loch von 300’000 Franken in der Erfolgsrechnung 2006 auszugleichen.

Kosten sparen und trotzdem mehr Leute anstellen…

2004 wurde von dem Unternehmen verlangt, seine Kosten bis Ende 2007 um 14 Mio. Franken zu senken. Es kam zur Freisetzung von Arbeitskräften und zum Abbau der Beschäftigung.

Andererseits sagte der Sprecher des Unternehmens, Patrick Herr, gegenüber swissinfo, dass es sehr schwierig sei, qualifiziertes Personal zu finden.

Es brauche jedoch noch 40 bis 45 Lotsen, um der künftigen Nachfrage nach Luftraumsicherung entsprechen zu können. Nur so kann Skyguide die Anforderungen von Eurocontrol erfüllen und die Verspätungen im Schweizer Luftraum verringern.

Wettbewerb um die Lotsen

2003 kam eine niederländische Qualitätsanalyse zum Ergebnis, die Anzahl der Lotsen bei Skyguide reiche nicht aus. Und es waren die Bundesbehörden, die die Analyse in Auftrag gegeben hatten.

“Weltweit gibt es bei der Luftraum-Sicherung zu wenig Personal, weil es über drei Jahre dauert, die Leute auszubilden”, sagt Herr. Zwischen den Ländern herrscht bei der Personalrekrutierung ein Konkurrenzkampf.

Es sei vorgesehen, diese Flaschenhälse durch Kooperationen mit Frankreich und Deutschland zu öffnen. Herr stellt jedoch in Abrede, dass der Personalmangel Sicherheitslücken zur Folge habe.

Europäischer Luftraum als Gesamtmarkt

Von grossem Nutzen dürfte die Single-European-Sky-Zertifizierung (SES) sein, die Skyquide im letzten Jahr erhalten hat. Damit könne sich Skyguide langfristig im europäischen Flugsicherungsmarkt positionieren, freute sich Interims-Direktor Francis Schubert am Mittwoch in Genf vor den Medien.

Im europäischen Markt, der vor einem grossen Umbruch steht, will sich Skyguide im Rahmen des Projekts FAB (Functional Airspace Block) positionieren.

Dabei prüft die Schweizer Firma zusammen mit sechs Flugsicherungen aus fünf anderen Ländern (Belgien, Deutschland, Frankreich, Holland und Luxemburg) die Möglichkeit, den Luftraum gemeinsam zu überwachen.

Neuer Direktor Mitte Jahr

Bis Mitte Jahr will Skyguide zudem bekanntgeben, wer die Nachfolge von Alain Rossier als Direktor antritt. Dieser war Ende 2006 mit sofortiger Wirkung zurückgetreten.

Seine fünfjährige Amtszeit war von den Turbulenzen im Zusammenhang mit dem Flugunglück bei Überlingen überschattet.

swissinfo, Matthew Allen und Agenturen
(Übertragung aus dem Englischen von Alexander P. Künzle)

Skyguide ist ein nicht gewinnorientiertes Unternehmen, und steht zu 99% im Besitz des Bundes.

Es ist verantwortlich für die Luftsicherung in der Schweiz und Teilen des benachbarten Luftraums.

Geschäftssitz ist Genf. Ein neuer Service-Center in Zürich sollte bis nächstes Jahr voll einsatzbereit sein.

2006 hat Skyguide eine Rekordzahl von 1’162’078 Flüge kontrolliert respektive Instrumenten-Flugregeln (Instrument Flight Rules) abgewickelt, 2,6% mehr als im Vorjahr.

Der Umsatz fiel um 3,6% auf 341 Mio. Franken, doch der Gewinn erhöhte sich von 14,49 auf 18,79 Mio.

Die Ertragsrechnung zeigt einen Verlust von 300’000 Fr. Dies wird erklärt mit während drei Jahren fallenden Gebühren.

Für 2007 sind die Gebühren um 5% erhöht worden.

3 Skyguide-Kader, 2 Wartungs-Personen und 3 weitere Mitarbeiter sind wegen mehrfacher fahrlässiger Tötung angeklagt, im Zusammenhang mit dem Unglück bei Überlingen, das 71 Leben gefordert hat.

Der Staatsanwalt hat beim Bezirksgericht Bülach im Kanton Zürich auch wegen fahrlässiger Störung des öffentlichen Verkehrs Anklage erhoben.

Die Angeklagten sind ab 15. Mai vor Gericht geladen.

Die Staatsanwaltschaft plädiert für bedingte Haftstrafen zwischen 6 und 15 Monaten. Doch alle 8 Angeklagten weisen die Verantwortung für die Kollision zurück.

Am 1. Juli 2002 war ein russisches Verkehrsflugzeug mit zahlreichen Schulkindern mit einem Frachtflugzeug im Luftraum über Überlingen kollidiert, für den Skyguide zuständig war.

Ein Verwandter von drei der Getöteten, der russische Architekt Vitaly Kaloyev, rächte sich darauf am damals diensthabenden Skyguide-Fluglotsen. Am 24. Februar 2004 erstach er ihn vor seinem Haus.

Ein Jahr später wurde Kaloyev der vorsätzlichen Tötung schuldig befunden.

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