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Vom «Bipperlisi» zur «Bipperlady»

Das "Bipperlisi" wird nicht aus dem Strassenbild der Region Solothurn verschwinden. (aare-seeland-mobil.ch) aare-seeland-mobil

Die Zukunft der Schweizer Bahnen liegt nicht nur in einem Hochgeschwindigkeits-Netz. Erst Regionalbahnen wie das "Bipperlisi" spinnen das Netz fein.

Die Regionallinie hat sich nun erfolgreich gegen Bestrebungen durchgesetzt, durch einen Busdienst ersetzt zu werden.

Als eine «Liebeserklärung an das Bipperlisi» überschrieb kürzlich das «Solothurner Tagblatt» den Entscheid des Parlaments des Kantons Solothurn, die Schmalspurlinie Langenthal – Niederbipp – Solothurn nicht durch einen Busbetrieb zu ersetzen.

Viele der Nutzer der von der regionalen Bevölkerung liebevoll «Bipperlisi» genannten Bahn mögen da aufgeatmet haben. Ein öffentlicher Nahverkehr ohne «Bipperlisi» ist für die meisten undenkbar.

«Ohne das ‚Bipperlisi‘ wäre unsere Region nicht mehr dieselbe», sagt eine Passagierin in mittleren Jahren. «Für mich gehört es einfach dazu, ich benutze es täglich», pflichtet ein gegenübersitzender Herr bei.

«Nein, ein Bus wäre nicht mehr dasselbe», sagt ein jüngerer Mann, der in Zürich arbeitet und täglich pendelt. Ein Bus könnte den Fahrplan nicht einhalten, da er unweigerlich in den Stosszeiten im Verkehr stecken bleiben würde, ist er überzeugt.

Zweifellos hat die Bahn da einen Standortvorteil. Ihr eigenes Trassee macht sie vom Verkehrsaufkommen unabhängig. So kommt sie meist pünktlich ans Ziel und kann dank des abgestimmten Fahrplans ihre Passagiere an die Schnellzüge weitergeben.

Tram und Vorortbahn

Die ersten drei Stationen in Solothurn fährt das «Bipperlisi» als Tram und mutiert dann zur Vorortbahn. Die Fahrgäste sind bunt gemischt. So fahren viele Schülerinnen und Schüler damit zur Schule. Und die Endstation Solothurn dient vielen Pendlern als Drehscheibe für die Züge nach Bern oder Zürich.

Weiter verzichten dank der Schmalspurbahn viele Menschen, die in der «schönsten Barockstadt der Schweiz» einkaufen, auf das Auto und tragen so dazu bei, dass der Moloch Verkehr nicht noch grösser wird.

Leider zeigt das «Bipperlisi» auch sonst ab und zu, dass es stärker ist das das Auto. Weil die Bahn ihr Trassee streckenweise mit der Strasse teilt, kommt es gelegentlich zu Unfällen.

Im Jahr 2004 waren elf Kollisionen zu verzeichnen, im laufenden Jahr waren es bisher vier sowie ein tödlicher Unfall. Der letzte tödliche Bahnunfall davor war 2001.

Interessante Streckenführung

Die Fahrt von Solothurn nach Langenthal bietet den Bahnpassagieren viele auch touristisch interessante Ausblicke:

Gleich nach dem Start beim Solothurner Hauptbahnhof überquert das «Bipperlisi» die Aare. Links erhebt sich die Altstadt, deren Silhouette durch die markante «St. Ursen-Kathedrale» bestimmt wird.

Sehr bald schon wird die Gegend ländlich und die Fahrt führt dem Jurasüdfuss entlang. Die Alpen grüssen an klaren Tagen von Süden her und das historische Städtchen Wiedlisbach ist eine besuchenswerte Station.

In Niederbipp fährt man ein wie in den Kopfbahnhof Zürich – aber nur auf einem Gleis. Der Lokführer verlässt seinen Platz und macht das Ende des Zuges zum neuen Führerstand.

Die Fahrt führt nun durch dunkle Wälder und in Aarwangen überquert die Zug-Komposition erneut die Aare – ein äusserst malerischer Anblick! Langenthal, Endstation und frühere Deutschweizer Durchschnitts-Gemeinde, die jahrelang als Testmarkt genutzt wurde, ist nicht mehr weit.

Bus oder Bahn – wer kostet mehr?

Jährlich wird das «Bipperlisi» von rund 800’000 Passagieren genutzt. Dies ist mehr, als die Anforderungen an eine Regionalbahn verlangen.

«Unsere Eigenwirtschaftlichkeit liegt bei über 40%», erklärt Andreas Flückiger, Leiter Öffentlicher Verkehr bei der Betreibergesellschaft, der Aare Seeland mobil AG, mit einem gewissen Stolz in der Stimme. «Die SBB weisen in der Sparte Regionalverkehr ohne Zürich eine Eigenwirtschaftlichkeit von unter 30% auf», sagt er weiter.

Flückiger ist froh um den Entscheid des Solothurner Kantonsparlaments. Denn, wenn man die Konkurrenz Bus – Bahn richtig berechne, habe das «Bipperlisi» auch vom Aufwand her die Nase vorn. Ausserdem könne eine Zugskomposition viel mehr Passagiere als ein Bus miteinander befördern.

Zukunftspläne

Nun, nach dem für das «Bipperlisi» günstigen Entscheid des Solothurner Parlaments, blickt die Aare Seeland mobil AG zuversichtlich in die Zukunft. Ein Streckenausbau soll bis 2011 das 1943 aufgehobene Teilstück nach Oensingen wieder in Betrieb nehmen.

Und bereits ab 2007 sollen neue, bequeme, schnellere und sicherere Zugkombinationen das «Bipperlisi» zur «Bipperlady» machen.

swissinfo, Etienne Strebel, Solothurn – Niederbipp – Langenthal

1918: Die Solothurn-Niederbipp Bahn SNB nimmt den Betrieb auf.
1925: Erstellung der Rötibrücke in Solothurn, Ausdehnung der Strecke bis Solothurn Hauptbahnhof.
1941: 1. Gutachten über «die Betriebsverhältnisse der Solothurn-Niederbipp-Bahn und deren Umstellung auf eine andere Betriebsart, Autobus oder Trolleybus». (Weitere Gutachten 1949, 1950, 1952, 1956, 1961, 1984 und 1994)
1943: Das Teilstück Niederbipp-Oensingen wird aufgegeben.
1979: Einführung des Taktfahrplans.
2007: Aufrüstung auf neues, modernes Rollmaterial.
ev. 2011: Fortführung der Strecke bis Oensingen und damit ein weiterer Anschluss ans SBB-Schnellzugnetz.

Wie das «Bipperlisi» zu seinem Namen kam, ist nicht ganz klar. Es existieren zwei Versionen:

Die eine berichtet von einer Frau, die regelmässig von Niederbipp nach Solothurn zum Markt fuhr, sie war ein «Bipper Märetfroueli», eine Marktfrau aus Bipp.

Gemäss der zweiten Version soll eine alte Frau mit dem Namen «Lisi» der Bahn immer den eigenen Namen nachgerufen haben, um sie zum Anhalten zu veranlassen. Die Bahn habe jedoch nie gehorcht. Da sei die Alte so wütend geworden, dass sie der Bahn künftig nur noch «Bipperlisi» nachgerufen haben soll.

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