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Zinssenkung soll Wirtschaft ankurbeln

Die SNB begründet ihren Schritt mit der verzögerten Konjunktur-Erholung und dem niedrigen Wirtschaftswachstum. Keystone Archive

Die Schweizerische Nationalbank (SNB) senkt ihren Leitzins um 0,5 Prozent. Zudem reduziert sie die Wachstums-Prognosen für 2002 auf unter ein Prozent.

Ab sofort hat die Nationalbank das Zielband für den Dreimonate-Libor auf 0,25 bis 1,25 Prozent reduziert. Den Schritt begründet die SNB mit Anzeichen aus dem In- und Ausland , dass sich die Konjunktur-Erholung verzögere und das Wirtschaftswachstum dieses Jahr niedriger als bisher erwartet ausfallen werde.

Flucht in den Franken

In den Börsenturbulenzen der letzten Tage gewann der Schweizerfranken für internationale Anleger als Fluchtwährung wieder an Bedeutung.

Ein zu starker Franken bringt aber dem Exportland Schweiz Probleme – weil die Schweizer Güter im Ausland zu teuer und Reisen in die Schweiz unerschwinglich werden.

Die Exportindustrie hatte sich über den harten Franken seit längerer Zeit beklagt. Mit tieferen Zinsen gibt die Nationalbank nun Gegensteuer. Vor allem der Euro-Franken-Kurs ist für die Schweizer Exportwirtschaft von zentraler Bedeutung, weil über 60% der Schweizer Exporte in die Europäische Union gehen.

Euro zeigt sich unbeeindruckt

An den Devisenmärkten brachte die SNB-Leitzinssenkung vorerst nicht die erwünschte Wirkung. Der Euro blieb schwach, der Dollar festigte sich leicht. Am Abend wurde der Euro zu 1,4488 Franken gehandet.

Letztmals hatte die Nationalbank die Zinsen Anfangs Mai um 0,5 Prozentpunkte gesenkt. Nach der erneuten Lockerung der Zinspolitik liegt das Zielband für den Dreimonate-Libor per sofort auf 0,25 bis 1,25 Prozent. Der Libor (London interbank offered rate) stellt einen Durchschnittspreis dar, den die Banken untereinander für ungedeckte Kredite verlangen.

Börse deutlich im Plus

Die Schweizer Börse landete zu Wochenschluss, nach turbulenten Tagen, in der Gewinnzone. Der Blue-Chips-Index SMI schloss wieder auf über 5000 Punkten und stand mit 5023,6 Punkten um 2,4% höher als am Vorabend.

Auch der breit abgestützte Gesamtmarkt-Index SPI verbesserte sich, und zwar um 2,2% auf 3503,2 Zähler.

Nebst positiven Signalen aus den USA habe auch die Zinssenkung der Schweizerischen Nationalbank dem Markt etwas geholfen, hiess es. “Die Zinssenkung fiel auf fruchtbaren Boden,” so ein Händler.

Druck auf Hypozins wächst

Nach dem Zinsschnitt vom Freitag verlangen der Hauseigentümerverband und der Mieterinnen- und Mieterverband eine Senkung der Hypo-Zinsen. Die Banken wollen allerdings noch nicht handeln: Weder die Zürcher und die Waadtländer Kantonalbank noch die Raiffeisen-Gruppe wollen die Hypo-Zinsen senken.

Wachstum tiefer als ein Prozent

Noch im Juni hatte die Schweizerische Nationalbank mit einem Wachstum von rund einem Prozent gerechnet – nun prognostiziert die SNB “deutlich weniger als ein Prozent” – trotz der heute getroffenen Massnahmen.

Sorge macht den Verantwortlichen die Börse. “Die Turbulenzen an den Börsen könnten zu einem Risikofaktor werden”, meldet die Nationalbank und unterstreicht, dass sie die konjunkturelle Entwicklung weiter mit grosser Aufmerksamkeit verfolge.

Positive Reaktionen

Der Wirtschaftsdachverband economiesuisse hat die Senkung des Leitzinses am Freitag begrüsst. Die Konjunktur sei labil und damit sei die preisliche Wettbewerbsfähigkeit des Exportsektors wichtig.

Auch der Verband der Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie (Swissmem) reagierte erleichtert. Sie hätte sich allerdings bereits zu einem früheren Zeitpunkt einen solchen Schritt gewünscht.

Der Schweizerische Gewerkschaftsbund findet ebenfalls, die Massnahme erfolge etwas spät. Ein solcher Zinsschritt sei überfällig gewesen.

Der Hauseigentümerverband (HEV) und der Mieterinnen- und Mieterverband bekräftigten ihre Forderung nach einer Senkung der Hypothekar-Zinsen. Nach diesem klaren Signal der Nationalbank gibt es laut Preisüberwacher Werner Marti keinen Grund mehr, dass die Banken ihre Hypothekarzinsen nicht senken sollten. Er rechne mit einer Senkung innert weniger Wochen.

Wird EZB nachziehen?

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat eine Stellungnahme zur Zinssenkung der Schweizerischen Nationalbank und zu Marktgerüchten über eine koordinierte Lockerung der Politik der Notenbanken abgelehnt.

An den Finanzmärkten waren nach dem Schritt der SNB Spekulationen aufgekommen, die Zinssenkung in der Schweiz könnte der Beginn einer Runde koordinierter Zinssenkungen der Zentralbanken sein.

swissinfo und Agenturen

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