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Zürich hat sein Bier zurück

Goldsprint - eine der zwei Marken von TurbinenBräu. swissinfo.ch

Vor fünf Jahren lag die Zürcher Biertradition am Boden. Die ehemaligen Grossbrauereien waren verschwunden oder verkauft, 1996 als letzte die Hürlimann.

Dem Trend zum Trotz startete 1997 die TurbinenBräu. Der Mut der Kleinbrauerei wurde belohnt.

Dieses Wochenende hat die Zürcher Kleinbrauerei TurbinenBräu ihre neue, sechsmal grössere und auch mit ihrer Ästhetik beeindruckende Braustätte eingeweiht. Dass sie einmal so weit kommen, das hätten die drei Gründer nie gedacht.

Der Wind nämlich war rauh damals, als sie 1997 mit einem soliden Konzept einer Kleinbrauerei und dem Glauben daran, dass Bier Heimat und die Heimat ein eigenes Bier braucht, ihr erstes TurbinenBräu brauten.

Kurz zuvor hatte die letzte traditionsreiche Zürcher Brauerei ihre Produktion eingestellt, bzw. in Folge des Zusammengehens mit der Feldschlösschen AG ihre Produktion von Zürich nach Rheinfelden bei Basel verlegt. Nicht viel später wurde die Basler Feldschlösschen selbst von der dänischen Carlsberg aufgekauft.

Ziel und Zweck war das Produkt, nicht der Profit

Dass die Grossstadt Zürich kein eigenes Bier mehr haben sollte, das wollte Adrien Weber, damals noch als ETH-Assistent in der Bluthirnschranken-Forschung tätig, nicht in den Kopf.

Nach der Hiobsbotschaft 1996 betreffend des Abgangs der Hürlimann machte der ETH-Lebensmittelingenieur kurzum ein Praktikum in einer Brauerei im Aargau, suchte und fand zwei Gründer-Partner, der eine Brauer und der andere Biologe, und schmiedete ein Jahr lang am Konzept.

Gestartet mit Geld von Freunden

Die drei wollten den Beweis antreten, dass eine Brauerei in Zürich überleben konnte, wenn nicht Profit und Aktienwerte, sondern ein einfach gutes Produkt mit lokaler Verankerung im Vordergrund stünden. Das hat ihnen damals aber niemand geglaubt, von den etablierten Banken erhielten die TurbinenBrauer kein Geld.

Nur dank dem finanziellen Engagement von Freunden und einem Kredit von 300’000 Franken der Alternativen Bank Schweiz konnte die Kleinbrauerei überhaupt anfangen. Dass man in Zürich Bier brauen kann, das haben die TurbinenBrauer in den letzten fünf Jahren mit ihrem Know-how und viel Engagement bewiesen.

Verkehrsminister trinkt TurbinenBier

Hatten sie beim Start ihrer Biertätigkeit gerade eine einzige Zürcher Bar, die ihnen den Absatz zusicherte, so sind es heute mehr als 30 Bars und Speiselokale, die TurbinenBräu im Offenausschank fliessen lassen. Dazu werden die beiden Marken “Goldsprint” und “Start” an vielen Festen in Zürich getrunken. Aber auch ab Rampe verkauft die Kleinbrauerei nicht wenig gegärten Gerstensaft, die Kunden, die ihr Bier direkt kaufen kommen, sind sowohl Bauarbeiter wie Bankangestellte, Studenten wie Kleingewerbler. Und auch SP-Bundesrat Moritz Leuenberger, der in Zürich wohnt, holt sich Samstags inkognito jeweils eine kleine Kiste TurbinenBräu.

Vervielfachter Um- und Absatz

Sein Zürcher Bier wird der Verkehrsminister nun nicht mehr im zwischenzeitlich boomenden Zürich-West kaufen können, sondern in der neuen, viel grösseren Brauerei in Zürich-Altstetten. Denn infolge des stetig steigenden Absatzes waren sie in der alten Brauerei an die Grenzen der Räumlichkeiten und Produktions-Kapazitäten gestossen.

Sie seien damals die Sache klein angegangen, zu klein, weiss Adrien Weber heute. Die veschieden grossen Tanks im neuen Gärkeller illustrieren den erfolgreichen Werdegang der Brauerei, die trotz ihres grossen Erfolgs eine Kleinbrauerei bleiben will. Zurzeit deckt die TurbinenBräu 2% des Zürcher Biermarkts, in den nächsten Jahren will man nur noch 10% wachsen, was infolge der Konjunkturbaisse sicherlich auch für eine Erfolgs-Unternehmung realistisch ist, auch wenn ihr Absatz nicht stagniert.

Die zwei vergleichsweise kleinen Tanks im neuen Gärkeller stammen aus der Gründerzeit, sie fassen 2000 Liter gärendes Bier und werden heute nur noch für Spezialitäten gebraucht. “Als wir die mittleren Tanks kauften, die 4000 Liter fassen, waren wir schon mächtig stolz”, lacht Adrien Weber, in dessen brandneuen Braustätte nun vor allem sechs 12’000 Liter-Tanks in die Luft ragen.

Schweizer Premiere

Doch nicht nur die funkelnden Riesentanks sind neu, die ganze Brauerei musste von Grund auf erneuert werden, um dem stetig gestiegenen Absatz gerecht zu werden. Die Flaschen-Abfüllung wurde automatisiert.

Das Sudhaus, in dem aus Wasser und Malz die Würze gekocht und der Sud dann geläutert wird, verfügt über ebenfalls viel mehr Kapazität.

Gekocht wird das Bier hier eigentlich nicht mehr, denn die Kleinbrauerei verwendet nun in Schweizer Premiere ein neues Verfahren, bei dem mit Dampf “gekocht” wird, und die Masse nicht mehr als ganzes erhitzt sondern nur noch erwärmt werden muss, was eine ökologische Energieersparnis und eine Qualitätssteigerung bringt, so Weber.

Bier ohne Stabilisatoren

Ökologische Aspekte waren seit Anbeginn auch eine Triebfeder für die TurbinenBräu. “Es ist ein Unsinn, Wasser durch die ganze Welt zu transportieren und die Folgekosten dann zu sozialisieren” sagt Weber, der sein Bier nur im Grossraum Zürich vertreibt. Dies auch aus der Überzeugung, dass Bier ein Frischprodukt ist. So verwenden die TurbinenBrauer für ihr Bier keine Stabilisatoren, was eine verminderte Haltbarkeit, aber eben auch einen vollmundigeren, frischeren Geschmack zur Folge hat, so der Lebensmittelingenieur.

ErVolksaktie

Dass Goldsprint und Start, die der Fahrradfan Weber in memoriam der Zürcher Sechstagerennen so nannte, in Zürich viele Bierliebhaber zählt, hat auch die Kapitalerhöhung der AG im Frühjahr 2002 gezeigt.

Um die neue Braustätte zu bauen, wurden neue Aktionäre gesucht, die sich beteiligen wollten. Webers Ziel war es, sein Bier in der Bevölkerung breit abzustützen, um es langfristig auch vor unerwarteten Übernahmen zu sichern. Webers Rechnung ging auf – nicht weniger als 350 Kunden wollten Aktionär der TurbinenBräu AG werden, die Kapitalerhöhung war ein Erfolg.

Ein Erfolg, der sich nun sehen lässt. Am Samstag für alle Zürcherinnen und Zürcher, die die Brauerei am Tag der offenen Tür besichtigen. Im Rahmen der Eröffnungsfeier wird Adrien Weber und seinen 5 Angestellten auch der goldene Ideen-Oskar der Gesellschaft für Ideen- und Innovationsmanagment verliehen, weil sie “einer alten Tradition eine neue Zukunft” geschaffen haben, sagt Dr Olaf Böhme der Idée-Suisse.

Neue Sehenswürdigkeit in Zürich

Aber auch alle späteren Zürich-Besucher können einen Augenschein der beeindruckenden Brauerei nehmen. Nebenan wurde ein neues Speiserestaurant eröffnet, von dessen Bar oder Esstischen aus man durch riesige Fenster direkt sehen kann, was im Sudhaus passiert, wie Braumeister Burkhardt jeweils einen kontrollierenden Blick in den Sud wirft, wie aus Wasser Bier wird.

swissinfo, Anita Hugi

1997 Gründung
Freunde bringen Kapital zusammen
Absatz versechsfacht sich innert 5 Jahren
Produktion steigt von 1000 auf 4000 Hektoliter/Jahr
7. Dezember 2002: Eröffnung der neuen Brauerei

Das Design der TurbinenBräu-Etiketten und Merchandising stammt von Michel Casarramona, Zürcher Illustrator mit internationaler Ausstrahlung. Den Namen TurbinenBräu wählte Weber, weil im alten Industriequartier Zürich-West früher Turbinen hergestellt wurden.

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